Krankenhausreform
Klinikpleiten ‐ Lauterbach wirft Ländern „Heuchelei“ vor
Berlin / Lesedauer: 3 min

Andreas Becker
High noon im Bundestag! Es war kurz vor 12 Uhr, als dem Bundesgesundheitsminister, der tags zuvor bei den bundesweiten Protesten von Ärzten, Pflegern und Krankenschwestern mächtig verbale Prügel einstecken musste, der Kragen platzte. Der Bund sei in den vergangenen Jahren bei der finanziellen Ausstattung der Krankenhäuser seiner Pflicht jederzeit nachgekommen, holte Karl Lauterbach in der ersten Lesung des von ihm eingebrachten Krankenhaustransparenzgesetz aus und brandmarkte dann den aus seiner Sicht Schuldigen in der aktuellen Krankenhaus-Misere.
CDU-Gesundheitsminister will Transparenzgesetz im Bundesrat stoppen
„Es sind die Länder, die Investitionen in Höhe von 30 Milliarden Euro versäumt haben zu tätigen. Da grenzt das stetige Zeigen der Länder auf den Bund schon an Heuchelei“, lenkte der SPD-Politiker den Fokus weg aus Berlin in Richtung Bayern, Nordrhein-Westfalen oder Schleswig-Holstein, wo CDU-Gesundheitsminister regieren.
Eine Attacke, die Lauterbach aber trotz aller Emotionalität in der Debatte ganz bewusst gesetzt hatte. Denn zwei dieser CDU/CSU-Gesundheitsminister, der Bayer Klaus Holetschek und der Westfale Karl-Josef Laumann hatten Lauterbach wenige Stunden zuvor auf einem eigens von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion veranstalteten Kongress zur Situation in den Kliniken massiv angegriffen. Holetschek hatte Lauterbach im Zusammenhang mit dessen Transparenzgesetz „Ignoranz und Irrsinn“ vorgeworfen. Laumann hatte das Gesetz als „unnötig“ bezeichnet und angekündigt, Lauterbachs Anliegen im Bundesrat, der Länderkammer, zu blockieren.
Hintergrund des Gesetzes: Der SPD-Gesundheitsminister will den Patienten mit einem Online einsehbaren Portal aufzeigen, wo beispielsweise welche OP ohne Komplikation läuft oder wo welcher Personalschlüssel in der Pflege gilt. Dagegen aber laufen die Länder Sturm ‐ sie befürchten, dass Kliniken damit möglicherweise stigmatisiert werden und die Patienten sich lieber eine andere Klinik suchen.
Hälfte aller Krankenhäuser zum Jahresende im Minus?
Zumal, das hatte die Deutsche Krankenhausgesellschaft mit ihrem Chef Gerald Gaß am Mittwoch bei den Protestveranstaltungen betont, die Krankenhäuser Qualitätsberichte erstellen, in denen alles aufgelistet sei. Konter von Lauterbach: Ja, diese Berichte gebe es, sie würden aber der Öffentlichkeit nur schwer zugänglich gemacht.
Unabhängig von der heftigen Auseinandersetzung zwischen Bund und Ländern, zwischen SPD und CDU, zwischen Krankenhausmitarbeitern und der Politik - einig sind sich alle, dass es so nicht mehr in den Kliniklandschaft Deutschlands weiter gehen kann. Eine Krankenhausreform ist notwendig und soll - so der Plan des Bundesgesundheitsministers - zum 1. Januar 2024 starten. Bisher aber gibt es lediglich ein von Bund und Ländern nach monatelangen und zähen Verhandlungen ausgearbeitetes Eckpunktepapier ‐ aber noch keinen Gesetzentwurf.
Da die Lage in den Kliniken aufgrund der Inflation und Personalmangel „katastrophal und prekär“ (Tino Sorge, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion) ist und Ende diesen Jahres laut Prognosen rund 50 Prozent der Krankenhäuser defizitär seien beziehungsweise eine ganze Reihe bereits Insolvenz angemeldet hätten, forderten CDU und CSU am Donnerstag im Bundestag eine Brückenfinanzierung.
Wie die Union "Masseninsolvenzen“ verhindern will
Konkret: Die Union wollte gemeinsam mit den Bundesländern, der Deutschen Krankenhausgesellschaft, den Kommunalvereinigungen und weiteren relevanten Akteuren eine Analyse und Prognose vornehmen, welchen zusätzlichen Finanzbedarf die Krankenhäuser bei weiter anhaltender Inflation haben, bis die geplante Krankenhausreform wirken werde.
Weiter sollte auf Basis dieser Daten ein Vorschaltgesetz erarbeitet werden, das „Masseninsolvenzen“ von Krankenhäusern verhindert und die „Stabilisierung der stationären Versorgung bis zu dem Zeitpunkt sicherstellt, an dem die geplante Krankenhausreform ihre Wirkung entfaltet“.
Doch am Ende dürfte diese Forderung im politischen Nirwana landen ‐ die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP stützt den Gesundheitsminister bei der Krankenhausreform mit ihrer Mehrheit. Karl Lauterbach durfte kurz nach der Mittagszeit durchatmen.