Bundesgesundheitsminister
Krankenhausreform – Lauterbach verschiebt „Revolution“
Berlin / Lesedauer: 3 min

Andreas Becker
„Bund und Länder haben sich am 10. Juli 2023 auf die Eckpunkte für die Krankenhausreform geeinigt. Das Gesetz soll zum 1. Januar 2024 in Kraft treten.“ Zwei Sätze, auf der Homepage des Bundesgesundheitsministeriums wie in Stein gemeißelt. Dabei ist der zweite Satz in den zähen und seit Monaten andauernden politischen Fingerhakeleien zwischen Bund und Ländern von der Realität überholt worden.
Reform soll nun bis Ostern beschlossen sein
Die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach am Nikolaustag vor einem Jahr als „Revolution“ angekündigte Krankenhausreform ist abgeblasen - zumindest vorerst. Aus dem ursprünglich von Lauterbach lange Zeit propagierten Starttermin 1. Januar 2024 ist im rauen Verhandlungsmarathon nach Aussage des SPD-Politikers die vorsichtige Hoffnung geworden, „dass wir die Reform bis Ostern beschließen werden und es uns gelingen wird, alle Kliniken, auf die wir nicht verzichten können, auch weiterhin am Netz zu halten."
Zum aktuellen Verhandlungsstand selbst möchte sich das Bundesgesundheitsministerium auf Nordkurier-Anfrage nicht äußern - auskunftsfreudiger ist Stefanie Drese. Als Gesundheitsministerin in Mecklenburg-Vorpommern vertritt sie die Interessen der ostdeutschen Länder in der Bund-Länder-Gruppe zur Krankenhausreform ‐ und nennt die inhaltlichen Reibungspunkte.
„Für die Länder ist von elementarer Bedeutung, dass die finanzielle Situation der Kliniken durch ein Vorschaltgesetz stabilisiert wird. Mit dieser Überbrückungsfinanzierung muss der Bund gewährleisten, dass Krankenhäuser bis zum Wirksamwerden der Reform wirtschaftlich handlungsfähig bleiben“, macht Lauterbachs Parteifreundin deutlich.
Klinik-Erreichbarkeit soll für Versorgungsqualität einbezogen werden
Drese ergänzt, dass Mecklenburg-Vorpommern alle derzeitigen Krankenhäuser brauche. „Wir haben keine Überkapazität, da wir in den 90er Jahren eine Strukturbereinigung hinter uns gebracht haben. Wo wir am 1. Januar 1990 insgesamt 55 Kliniken mit rund 19.000 Betten hatten, sind es heute noch 37 mit gut 10.000 Betten.“
Aus Sicht der ostdeutschen Länder sei es besonders wichtig, dass das Modell der anteiligen Vorhaltefinanzierung um eine Sockelfinanzierung für bedarfsnotwendige Krankenhäuser in dünn besiedelten Regionen ergänzt werde. „Es muss anerkannt werden, dass für die Qualität der Versorgung auch die Erreichbarkeit von Bedeutung ist. Qualitätsanforderungen müssen daher so ausgestaltet sein, dass über Kooperationen und notfalls auch Ausnahmen der notwendige Bedarf der Versorgung in der Fläche gewährleistet wird“, betont Drese.
Zudem müssten aus Sicht der Länder die rechtlichen und abrechnungstechnischen Voraussetzungen für eine echte sektorübergreifende Versorgung geschaffen werden, um eine bedarfsgerechte und flexible Form der Zusammenführung von stationärem und ambulanten Bereich zu erreichen.
Lauterbach schließt weitere Klinik-Insolvenzen nicht aus
Lauterbach hatte in der Vergangenheit immer wieder darauf hingewiesen, dass mit der Krankenhausreform drei zentrale Ziele verfolgt würden: die Entökonomisierung, die Sicherung und Steigerung der Behandlungsqualität sowie die Entbürokratisierung des Systems.
Das bisherige System der Fallpauschalen habe die Krankenhäuser laut Bundesgesundheitsministerium zu stark ökonomischen Zwängen ausgesetzt. Viele Krankenhäuser wären von der Schließung bedroht, wenn sich nichts ändert. Stattdessen würden notwendige Kliniken durch die Reform Vorhaltepauschalen erhalten. „Das heißt, sie bekommen eine Art Existenzgarantie, selbst wenn sie vergleichsweise wenige Behandlungen anbieten. Somit bestimmt die Qualität und nicht mehr die Quantität die Versorgung“, so das Ministerium.
Lauterbachs Credo: "Ohne Reform werden viele Krankenhäuser ungesteuert Insolvenz anmelden müssen. Mit der Reform bekommen Krankenhäuser wieder eine Perspektive.“ Gleichzeitig will der Minister nicht ausschließen, „dass die eine oder andere Klinik Insolvenz anmelden muss, bevor das Gesetz richtig wirkt“.