Krankenhausreform

Krankenkassen wollen über 400 Kliniken dicht machen

Berlin / Lesedauer: 3 min

Seit Monaten wird um die Krankenhausreform gerungen. Bisher traute sich keiner zu sagen, wie viele Kliniken geschlossen werden müssen. Jetzt gibt es erstmals eine konkrete Zahl.  
Veröffentlicht:06.06.2023, 05:55

Von:
  • Andreas Becker
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Ob in kleinen oder großen Runden, ob in öffentlichen Sitzungen oder hinter verschlossenen Türen – der entscheidenden Frage, ob Kliniken im Zuge einer groß angelegten Strukturreform von der üppig besetzten Krankenhauslandschaft verschwinden, wird oftmals wortreich ausgewichen. Nun aber hat sich der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) aus der Deckung gewagt – und die Debatte mit detaillierten Zahlen befeuert.

428 Krankenhäuser müssten erklären, warum sie finanziert werden wollen

Laut einer Modellrechnung der Kassen könnte problemlos fast jedes vierte Krankenhaus gestrichen werden. Mit den dann übrig gebliebenen 1247 Kliniken könnte eine gute Versorgung gesichert werden, betonte die zuständige Vorständin der GKV, Stefanie Stoff–Ahnis. Und der Rest? Saloppe Antwort von Stoff–Ahnis: Die übrigen 428 Krankenhäuser müssten dann erklären, warum sie unnötig Fachkräfte binden und weiterhin aus Beiträgen finanziert werden sollten.

Benötigt werde eine „bundesweit einheitliche Planungssprache“ zur Qualität und zum Bedarf, so die GKV–Vertreterin. Damit würden sich komplexe Operationen an geeigneten Kliniken konzentrieren, statt bei „Gelegenheitsversorgern“ gemacht zu werden. Ziel der Krankenkassen: „Wer etwas oft macht, der kann es einfach besser." 

Falsche Anreize, fehlendes Personal, zu gleiches Leistungsangebot

Eine Einschätzung mit Brisanz – wie auch die Reaktion der Deutschen Krankenhausgesellschaft zeigt. „Die Aussage, dass es 500 Krankenhäuser zu viel gibt, ist genauso falsch und unsachlich wie die Aussage, dass 80 Krankenkassen zu viel da sind“, wies Henriette Neumeyer, stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft, den Vorstoß der Krankenkassen zurück.

Fakt aber ist, dass die Krankenhauslandschaft in Deutschland neu ausgerichtet werden muss. Wenn sich nichts tue und einfach so weiter gemacht werde, würden nach Einschätzung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) viele Krankenhäuser ungesteuert Insolvenz anmelden müssen. Ohne die Reform würden wohl 25 Prozent der Krankenhäuser sterben. Falsche Vergütungsanreize, fehlendes Personal und oftmals ein gleiches Leistungsangebot in unmittelbarer Nachbarschaft haben etliche Kliniken in wirtschaftliche Schwierigkeiten gebracht. Mit der Reform aber bekämen Krankenhäuser wieder eine Perspektive – Motto: Weniger Ökonomisierung – mehr Patientenwohl.

Reform soll bereits Anfang 2024 greifen

Ob allerdings am Ende der Reform, die zum 1. Januar 2024 greifen soll und eigens von einer gegründeten Regierungskommission in Ansprache mit den Ländern vorangetrieben wird, alle Krankenhäuser überleben werden, dürfte auch der Bundesgesundheitsminister bezweifeln. Sein Credo: „Es macht keinen Sinn, immer mehr Geld in ein krankes System und in eine schlechte Struktur zu stecken. Wir haben ja nicht einmal mehr genügend Personal, um die alte ineffiziente Struktur aufrecht erhalten zu können. Wir brauchen Klasse statt Masse — und das bundesweit.“

In dem Zusammenhang ist ein Blick nach Dänemark durchaus aufschlussreich: Dort gibt es lediglich 32 Kliniken – trotz weniger Einwohner nur ein Bruchteil zu den rund 1700 Krankenhäusern in Deutschland.