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Reform

Lauterbach will für Patienten das gläserne Krankenhaus

Berlin / Lesedauer: 4 min

Parallel zur Krankenhausreform will Gesundheitsminister Lauterbach, dass Patienten die Qualität von Kliniken besser vergleichen können. Den Ländern passt das nicht.
Veröffentlicht:30.08.2023, 05:23

Von:
  • Andreas Becker
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Monatelang und unzählige Gesprächsrunden hatte es gedauert, ehe sich Anfang Juli Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und seine Amtskollegen aus den 16 Bundesländern auf ein Eckpunktepapier zur Krankenhausreform geeinigt hatten. Dieses 15-seitige Papier birgt zwar immer noch Diskussions- und Konfliktpotenzial – doch am Ende soll alles in einem Gesetzentwurf münden, mit dem Bund und Länder die Krankenhausreform zu Beginn des neuen Jahres starten lassen und vor allem ein „unkontrolliertes Krankenhaussterben“ (Lauterbach) verhindern wollen.

Auf Seite 1 des Eckpunktepapiers aber gibt es eine Passage, deren Inhalt der Bund völlig unabhängig von den Vereinbarungen mit den Ländern vorantreiben will – und deren Bedeutung der Bundesgesundheitsminister in den Verhandlungsrunden immer wieder betont hatte und jetzt auch mit Leben füllt.

Wörtlich heißt es in dem Papier: „Das Bundesministerium für Gesundheit wird zur Information und Aufklärung von Patientinnen und Patienten Daten über das Leistungsangebot und Qualitätsaspekte des stationären Versorgungsgeschehens in Deutschland veröffentlichen. Dafür wird der Bund die Krankenhäuser Versorgungsstufen (Level) zuordnen sowie die Verteilung der Leistungsgruppen auf die einzelnen Standorte transparent darlegen.“

Jedes Krankenhaus wird bewertet

Was noch sehr technokratisch klingt, hat einen durchaus brisanten Hintergrund. Denn: Mithilfe eines Krankenhaustransparenzgesetzes will der Bund die Krankenhausreform flankieren und dem Patienten übersichtlich erkennen lassen, welches Krankenhaus in seiner Nähe welche Leistungen anbietet, und wie diese Klinik im Hinblick auf Qualität sowie ärztliche und pflegerische Personalausstattung abschneidet.

Nach Informationen des Nordkurier sollen die Krankenhäuser in dem Zusammenhang verpflichtet werden, dem Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) künftig folgende ergänzende Angaben zu übermitteln: Zuordnung von Leistungen zu Leistungsgruppen, Standortbezug bei Diagnosen und Prozeduren, Daten zum Pflegepersonal sowie Daten zum ärztlichen Personal.

Zudem werde das InEK verpflichtet, die bei ihm vorhandenen Daten sowie Auswertungen an das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) zu übermitteln, teilte das Gesundheitsministerium mit. „Das IQTIG wertet diese Daten zusammen mit den bei ihm vorhandenen Qualitätsdaten aus und übermittelt die Auswertungen an das Bundesgesundheitsministerium zur Veröffentlichung“, so ein Sprecher aus dem Lauterbach-Haus.

Transparenz, die den Bundesländern nicht gefällt

Das gläserne Krankenhaus, in dem der Patient genau sieht, welche Operation läuft gut oder schlecht, wie ist die medizinische Versorgung und wie viel Personal kümmert sich – Transparenz, die den 16 Länderminister so gar nicht gefällt. Von Veröffentlichungen der Leistungsgruppen und der Versorgungslevel der Kliniken halte man wenig – solche transparenten Angaben könnten rufschädigend und stigmatisierend sein, heißt es aus den Ländern. „Für uns ist wichtig, dass die Krankenhäuser mit dem richtigen Angebot am richtigen Ort mit der richtigen Ausstattung sind. Nicht alle medizinischen Leistungen könnten an einem Ort angeboten werden“, unterstrich Manfred Lucha, Gesundheitsminister in Baden-Württemberg und Vorsitzender der Gesundheitsministerkonferenz.

Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen wiederum wirft den Ländern vor, Transparenz zu blockieren. „Für Patientinnen und Patienten wäre es eine echte Verbesserung, wenn die gleiche Versorgungsqualität in Krankenhäusern von Nord bis Süd schnell und einfach zugänglich und zu erkennen wäre“, so der Tenor bei den Krankenkassen. Es sei verwunderlich, dass sich die Länder gegen die vom Bund geplante Qualitätstransparenz so massiv wehren würden, statt die Versorgung zu verbessern.

70 Prozent der Krankenhäuser in den roten Zahlen

Fakt ist, dass der Handlungsdruck auf die Politik enorm groß ist. 70 Prozent der Kliniken sind nach Aussage der Deutschen Krankenhausgesellschaft in den roten Zahlen. Inflation, Energiepreise, Fachkräftemangel – die Krankenhäuser kämpfen ums Überleben. Lauterbach will grundsätzlich, dass sich Kliniken spezialisieren und damit die Qualität gesteigert werde. 

Was der Bundesgesundheitsminister damit konkret meint: Würden beispielsweise alle Krebspatienten zur Erstbehandlung in zertifizierten Zentren versorgt werden, könnten pro Jahr 20.404 Lebensjahre gerettet werden. Brustkrebspatientinnen hätten einen fast 25 Prozent höheren Überlebensvorteil bei Erstbehandlung in einem zertifizierten Zentrum, heißt es in einer Studie, die Lauterbach im Frühsommer vorgestellt hatte.

Auch Schlaganfallpatienten könnten laut des SPD-Politikers profitieren. Würden alle Patienten nach einem Schlaganfall in einem Krankenhaus mit Stroke-Unit behandelt werden, könnten zusätzlich rund 5000 Menschen den Schlaganfall im ersten Jahr überleben.