Corona–Pandemie
Lauterbach will Long Covid mit nicht zugelassenen Medikamenten bekämpfen
Berlin / Lesedauer: 3 min

Andreas Becker
Karl Lauterbach fordert Flexibilität, Entschlossenheit und Pragmatismus – „die Therapie von Long–Covid–Erkrankten soll nicht an Formalien scheitern“, kündigte der Bundesgesundheitsminister am Dienstag in Berlin an.
Liste mit Medikamenten — auch außerhalb der Zulassung
Was das konkret bedeutet, stellte der SPD–Politiker im Anschluss an einen von ihm initiierten Runden Tisch mit Experten und Betroffenen klar: Long–Covid–Patienten sollen einen erleichterten Zugang zu Arzneimitteln erhalten. Eine Kommission beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) soll schnellstmöglich eine Liste mit Medikamenten erarbeiten, die für Long–Covid–Patienten auch außerhalb der Zulassung verordnet und bezahlt werden können.
„Die Therapie von Long–Covid–Erkrankten ist schwierig. Es hat sich gezeigt, dass Spontanheilungen seltener sind, als erhofft wurde. Ursachen und Verläufe der Erkrankung sind aber leider immer noch nicht ausreichend klar, obwohl es sehr wichtige wissenschaftliche neue Erkenntnisse in den letzten Monaten gab.
Manche Medikamente können demnach Leiden lindern, obwohl sie nicht speziell für diese Erkrankung entwickelt wurden“, sagte Lauterbach – und nannte Beispiele: So könnten spezielle Schlafmittel eingesetzt werden, um Schlaflosigkeit als Symptom für eine Long–Covid–Erkrankung zu bekämpfen. Oder ein bisher lediglich für die Therapie von Herzrhythmusstörungen verwandtes Mittel könnte die bei Long–Covid–Patienten häufig auftretenden Herz–Kreislaufprobleme lindern. Derzeit gibt es keine spezifisch für die Behandlung von Long Covid zugelassenen Arzneimittel.
Lauterbach: „Will weitere 60 Millionen“
Doch Long–Covid–Patienten sollen nicht nur einen leichteren Zugang zu Medikamenten erhalten, der Bundesgesundheitsminister setzt auch auf mehr Geld und Forschung. In Deutschland stünden derzeit nur 40 Millionen Euro zur Long–Covid–Bekämpfung zur Verfügung. "Ich werde versuchen, in den Haushaltsverhandlungen, die jetzt anstehen, weitere 60 Millionen zu gewinnen“, gab sich Lauterbach kämpferisch. Zur Erinnerung: Bereits Anfang des Jahres hatte der Minister öffentlich insgesamt 100 Millionen Euro für Long Covid versprochen, musste aber in den bisherigen Haushaltsrunden mit dem Finanzministerium von Christian Lindner (FDP) mächtig zurückstecken.
Zudem will sich Lauterbach dafür stark machen, dass Long Covid international auf der Ebene von G7 und G20 Forschungsthema bleibe. Lauterbach kündigte weiter ein Medizinforschungsgesetz für die kommenden Wochen an. Unter anderem sollten damit Voraussetzungen für eine bessere Zusammenarbeit zwischen Unikliniken bei der Forschung geschaffen werden.
Derzeit wird davon ausgegangen, dass bis zu rund zehn Prozent der an Corona–Erkrankten Long Covid bekommen. „Long Covid ist eine schwere Erkrankung mit Kurzatmigkeit, Erschöpfung, Müdigkeit und Konzentrationsproblemen — die Patienten können bis zu einem Jahr bettlägrig und nicht berufsfähig sein, mahnte Lauterbach. Der Minister appellierte deshalb, dass sich gerade Risikogruppen impfen lassen sollten. Die Impfung schütze zwar nicht perfekt gegen Long Covid, aber sie reduziere die Wahrscheinlichkeit, an Long Covid zu erkranken.
Hilfe bei "Long Covid"
In Deutschland gehen Fachleute von mehr als einer Million Long-Covid-Erkrankten aus. Mindestens sechs Prozent, möglicherweise bis zu 15 Prozent der Covid-Patienten erkranken Schätzungen zufolge an Long Covid. Häufige Symptome sind große Erschöpfung, Organ- und Gefäßschäden sowie Konzentrationsstörungen. Auch Geimpfte können längerfristig erkranken. Besonders häufig trifft es den Beobachtungen zufolge junge Frauen.