Landwirtschaft

Käse zu ungesund? Molkereien finden das Käse

Neubrandenburg / Lesedauer: 3 min

Bei den Landwirten macht sich Missstimmung breit, weil die Abgabepreise für Milch wieder sinken. Die Verarbeiter machen die Bauern mitverantwortlich für den Rückgang.
Veröffentlicht:18.03.2023, 05:55

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Die Molkereien in Deutschlands sehen sich einer Milchschwemme vonseiten der Landwirte ausgesetzt. Nach Angaben des Chefs des Milchindustrieverbands, Peter Stahl, haben viele Betriebe angesichts der höheren Auszahlungspreise mehr Milch abgeliefert und Kühe teils länger als üblich in der Produktion gelassen. Es gebe derzeit eine „Überversorgung“ bei Milch, weil die Verbraucher zugleich wegen der höheren Preise im Handel zurückhaltender beim Kauf Molkereiprodukten geworden sein. Vor diesem Hintergrund sind die Preise für Butter seit Jahresbeginn bereits deutlich gesunken.

Bewertung vermindert Marktchancen

Laut Stahl wirke sich beim Absatz von Käse nachteilig aus, dass der Eiweißlieferant aus Milch bei der Lebensmittelampel Nutriscore meist mit der zweitschlechtesten Kategorie D bewertet werde. „Das ist nicht gerechtfertigt und schränkt die Vermarktung ein“, sagte Stahl am Freitag auf dem Milchforum in Berlin, auf dem sich einmal im Jahr Erzeuger und Verarbeiter treffen. Beim Nutriscore drücken Fett und Salz die Einstufung von Käse, die teils schlechter als die für Fertigpizza ausfällt. Stahl kündigte ein Gespräch mit Landwirtschaftsminister Cem Özdemir zu den verminderten Vermarktungschancen von Milchprodukten an.

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Aus Sicht der Molkereien können Landwirte zumindest mittel– und langfristig mit höheren Preisen rechnen. Derzeit aber herrscht eher Katerstimmung, auch wenn Karsten Schmal, selbst Milcherzeuger und Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes, noch nicht von einer „Milchkrise“ sprechen mag. Fakt sei aber, dass die Landwirte nach einem „bisher nicht gekannten Höchststand“ zum Jahreswechsel derzeit wieder deutlich weniger Geld erhalten, wenn sie Milch an die Molkereien liefern. Während der Preis von um die 60 Cent je Liter auf inzwischen 40 bis 50 geschmolzen sei, würden die Produktionskosten aber unverändert hoch bleiben.

Frage der Versorgungssicherheit in Deutschland

„Wir hoffen, dass beim Preis der Boden erreicht ist und die Nachfrage wieder anzieht“, erklärte Schmal. Vor dem Hintergrund der im vergangenen Jahr um vier Prozent weiter gesunkenen Zahl von Milcherzeugern in Deutschland stelle sich irgendwann die Frage nach der Versorgungssicherheit. Zumal die Unsicherheit in der Branche derzeit groß sei: Angesichts einer nicht erkennbaren klaren Linie der Ampelkoalition im Bund zögerten die Betriebe bei Investitionen. „Ein neuer Stall wird so finanziert, dass er dann aber auch 20 Jahre laufen muss“, erläuterte Schmal. Eine solche Sicherheit für die Milchviehhalter gebe es angesichts der politischen Rahmenbedingungen derzeit aber nicht.

In Mecklenburg–Vorpommern wirtschaften laut Landesbauernverband derzeit noch 317 Milcherzeuger, die Zahl der gehaltenen Kühe hat sich seit 1990 fast halbiert. Der Rückgang sei Folge der Tatsache, dass der Milchpreis in den zurückliegenden Jahren selten ausreichend für die Betriebe gewesen sei, so Tierreferentin Silvia Ey. „Die aktuellen politischen Entscheidungen forcieren diese Entwicklung. Damit wird die Tierhaltung im Nordosten Deutschlands absichtlich gegen die Wand gefahren“, sagte Hans–Peter Greve, Vorsitzender des Fachausschusses Milch im Bauernverband MV. Als besonders umstritten gilt die geplante Wiedervernässung von Moorflächen, die heute für den Futteranbau genutzt werden.

Appell an die Politik

In Brandenburg haben laut Bauernverband allein zwischen 2020 und 2022 40 Milchviehbetriebe mit mehr als 100 Tieren aufgegeben. Das vergangene Jahr habe erstmals einen Milchpreis gebracht, mit dem die Betriebe wirtschaften konnten, so Lars Schmidt, Vorsitzender des Milchbeirates im Land. Er verwies auf die nach wie vor vorhandene Wertschätzung für Milch bei Verbrauchern. "Wir brauchen eine bekennende Politik für faire wirtschaftliche Rahmenbedingungen und einen fairen Handel, der seinen Kunden regionale Milch schmackhaft macht und somit ihren hohen Wert aufrechterhält“, forderte er.