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Pandemie ‐ Schränkt die WHO deutsche Grundrechte ein?

Berlin / Lesedauer: 3 min

Die Bewältigung der Corona-Pandemie wird noch immer aufgearbeitet. Schon geht die Angst um, Deutschland müsse sich der Weltgesundheitsorganisation bei der nächsten Pandemie beugen.
Veröffentlicht:19.09.2023, 05:56

Von:
  • Andreas Becker
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Es klingt auf den ersten Blick logisch und vernünftig. "Das Ende von Covid-19 als globaler Gesundheitsnotstand ist nicht einfach das Ende eines Alptraums, aus dem wir aufgewacht sind“, sagte Tedros Adhanom Ghebreyesus im Mai diesen Jahres bei der Tagung der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Weiter führte der Generaldirektor der WHO aus: Stattdessen sei es jetzt an der Zeit, die Verhandlungen über einen globalen Pandemievertrag voranzutreiben, der die Welt besser für Krankheitsausbrüche wappnen soll.

Petition gegen WHO-Vertrag von 74.000 Personen unterzeichnet

Der Vertragsentwurf soll 2024 vorliegen. So sollen unter anderem Infektionen schneller eingedämmt und Schutzmaterial sowie Impfstoffe und Medikamente gerechter verteilt werden. Doch gegen diesen Pandemievertrag, den der Deutsche Bundestag ratifizieren müsste, regt sich in der Bundesrepublik Widerstand. Dieser Protest ist mittlerweile im Parlament angekommen - konkret: im Petitionsausschusses des Bundestages.  

Grundlage ist eine von mehr als 74.000 Personen unterzeichnete Petition ‐ 50.000 Unterzeichner sind notwendig, damit eine Eingabe im Petitionsausschuss öffentlich verhandelt wird –, in dem verlangt wird, den Pandemievertrag mit der Weltgesundheitsorganisation nicht zuzustimmen. Ein Abschluss des Vertrages gehe mit erheblichen Einschränkungen und dem Verlust der Grundrechte einher, heißt es in der von Susanne Wilschrey initiierten Petition. Viel nationale Macht würde in die globale Hand der WHO gegeben werden, so die Kritik an dem Vertrag.

„Diese Macht gehört nicht in die Hände einer Institution, die sich über Pharmaindustrie und Privatiers sowie Geschäftsleute finanziert“, schreibt die Petentin. Aus ihrer Sicht besteht ein Interessenkonflikt. „Der WHO die Macht zu geben, weltweit Menschenrechte zu verletzen, widerspricht jeder Verfassung“, sagte Wilschrey am Montag in der Sitzung des Petitionsausschusses.

Ärzte ohne Grenzen: Vertrag soll nicht Industrieinteressen schützen

Hintergrund: Im Mai habe es auf einer Weltgesundheitsversammlung geheißen, dass die Priorisierung von Maßnahmen, die die individuellen Freiheiten einschränken könnten, die Anordnung und der Austausch von Informationen, Wissen und Ressourcen und vor allem die Bereitstellung von Mitteln für Pandemiebekämpfungsmaßnahmen während einer Pandemie notwendig seien.

Mittlerweile hat sich auch die Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ zu Wort gemeldet. „Aus humanitärer Perspektive ist klar: Der Kern des WHO-Vertrags muss globale Gesundheits- und Gerechtigkeitsfragen regeln, nicht Industrieinteressen schützen. Es braucht aber klare Verpflichtungen, um den gerechten Zugang zu medizinischen Gegenmaßnahmen im Pandemiefall zu gewährleisten. Freiwillige Maßnahmen reichen nicht aus ‐ das hat sich in der Covid-19 Pandemie gezeigt“, so die Organisation in einer Pressemitteilung. Es müsste laut „Ärzte ohne Grenzen“ im Pandemiefall eine temporäre Aussetzung geistiger Eigentumsrechte (beispielsweise Patente) ermöglicht und vereinfacht werden, um die künstliche Verknappung durch die Monopolstellung einzelner Konzerne zu unterbinden.

Bundestagsabgeordnete aus MV fordert Enquete-Kommission

Sabine Dittmar, Staatssekretärin im Gesundheitsministerium, wies die von Wilschrey geäußerten Befürchtungen zurück. „Wir werden unsere nationale Souveränität und unsere Grund- und Menschenrechte nicht in die Hände der WHO legen. Dies ist in einem künftigen Vertrag so überhaupt nicht vorgesehen“, betonte Dittmer. Selbst wenn die WHO eine Pandemie ausrufe, bedeute dies nicht, dass sich jedes einzelne Land gleichzeitig an alle dann vorgesehenen Maßnahmen halten müsse. Im Mittelpunkt des Vertrages stünden die Prävention, die gerechte Verteilung von Medikamenten und der Zugang von Daten, so die SPD-Politikerin.

Im übrigen gebe es laut Bundesgesundheitsministerium noch nicht einmal einen ersten Vertragsentwurf, auf den sich die 194 Mitgliedsstaaten der WHO geeinigt hätten. Bisher würden nur einzelne Textbausteine existieren.

Simone Borchardt, CDU-Bundestagsabgeordnete aus Mecklenburg-Vorpommern, forderte im Petitionsausschuss die Einrichtung einer Enquete-Kommission, „um die Maßnahmen der Pandemie aufzuarbeiten. Neue Erkenntnisse sind noch zu langsam in der Politik angekommen und berücksichtigt worden.“ Voraussetzung allen Handelns in einer Pandemie sei, grundlegende Entscheidungen weiterhin bei den Nationalstaaten zu lassen.