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Diplomatie

Unter vier Augen: Scholz empfängt Macron in Potsdam

Potsdam / Lesedauer: 4 min

Kanzler Scholz und der französische Präsident Macron hatten keinen guten Start. Seit dem 60. Jubiläum des Élysée–Vertrags versuchen sie die Kurve zu bekommen. Die Differenzen sind aber nicht verschwunden.
Veröffentlicht:06.06.2023, 05:27

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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in freundschaftlicher Atmosphäre in seinem Wohnort Potsdam zum Abendessen getroffen. Es war das erste Mal in seiner Regierungszeit, dass er einen Staats– oder Regierungschef in der Brandenburger Landeshauptstadt empfing.

Beide gingen nicht nur gemeinsam essen. Scholz zeigte Macron bei einem Spaziergang von mehr als einer halben Stunde das Zentrum Potsdams. Sie trafen sich am Alten Markt, setzten sich draußen ins Café des Museums Barberini und gingen auch über die Freundschaftsinsel, einen nahen Park.

Das Treffen war auch deshalb bedeutsam, weil der Kanzler und der Präsident nach dem Regierungswechsel in Berlin im Dezember 2021 zunächst keinen guten Start hatten. Die Beziehungen waren nicht ganz einfach.

Essen nicht ganz unter vier Augen

Das Essen in Potsdam dauerte fast drei Stunden — deutlich länger als geplant. Ganz unter vier Augen war ihr Essen in Potsdam aber nicht: Die Delegationen beider Länder waren auch dabei, Scholz und Macron saßen jedoch an einem separaten Tisch. Als wahrscheinlich galt, dass beide über den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine sprachen, aber auch über europäische Themen wie die Vorschläge der EU–Kommission für eine Reform der Schuldenregeln — ein besonders kontroverses Thema zwischen Deutschland und Frankreich. Macron und Scholz hatten sich erst in der vergangenen Woche beim Europa–Gipfel in Moldau gesehen, bei dem sie einen gemeinsamen Vermittlungsversuch im Konflikt in Nord–Kosovo starteten.

Mehr als 50 Menschen standen am Neuen Markt und beobachteten Scholz und Macron, als sie ins Restaurant „Kochzimmer“ gingen. Evelyn Haupt war extra aus Hannover angereist, um Macron zu sehen — sie ist ein Fan des Präsidenten und machte gleich zwei Selfies: eines mit Macron und eines mit Macron und Scholz.

Im vergangenen Jahr hatte es in den deutsch–französischen Beziehungen mächtig geknirscht. Eine gemeinsame Kabinettssitzung musste im Herbst wegen zu großer Differenzen sogar verschoben werden. Beim 60. Jubiläum des Élysée–Vertrags über die deutsch–französische Freundschaft im Januar in Paris versuchten beide Seiten die Kurve zu bekommen. Der gemeinsame Ministerrat wurde nachgeholt.

Scholz und Macron ließen die Feierlichkeiten damals mit einem Abendessen im Lieblingsrestaurant des französischen Präsidenten, der Brasserie „La Rotonde“ im Stadtteil Montparnasse, ausklingen. Jetzt ist Macron wohl der berühmteste Stammgast, was dem „La Rotonde“ auch Ärger einbringt. Anfang April wurde das Restaurant zum zweiten Mal Ziel eines Brandanschlags. Aufgebrachte Demonstranten legten bei einer Kundgebung gegen Macrons Rentenreform Feuer, eine Markise geriet in Brand, die Feuerwehr löschte die Flammen aber schnell.

Lockerungsübung eines angespannten Verhältnisses

Dass der Kanzler den französischen Präsidenten nach Potsdam — praktisch zu sich nach Hause — einlud, kann als weitere Lockerungsübung im immer noch angespannten Verhältnis der beiden Länder verstanden werden. Das „Kochzimmer“ bietet gehobene Küche in historischer Atmosphäre und ist in der „Gaststätte zur Ratswaage“ beheimatet, seit 1783 eins der traditionsreichsten und ältesten Potsdamer Gasthäuser. Restaurantchef Jörg Frankenhäuser, der auch in diesem Jahr den begehrten Michelin–Stern des Gourmetführers „Guide Michelin“ holte, bietet „Neue preußische Küche“.

Vom 2. bis 4. Juli kommt der französische Staatschef auf Einladung von Bundespräsident Frank–Walter Steinmeier zum Staatsbesuch nach Deutschland. Neben Berlin sind bisher Stationen in Ludwigsburg bei Stuttgart und in Dresden vorgesehen. Mit Scholz wird Macron nach jetzigem Planungsstand nur frühstücken. Bei Steinmeier im Schloss Bellevue ist ein großes Staatsbankett geplant. Es ist der erste Staatsbesuch eines französischen Präsidenten in Deutschland seit 23 Jahren. „Dieses besondere Ereignis markiert den Beginn eines neuen Kapitels in der jahrzehntelangen Freundschaft beider Länder“, hieß es Anfang Mai in einer Mitteilung des Bundespräsidialamts und des Élysée–Palasts. Vielleicht half auch das Treffen in Potsdam dabei.