Kritik
Verdächtig viel Wirbel um die Reichsbürger-Razzien
Karlsruhe / Lesedauer: 3 min

Gabriel Kords
Die Razzien am Mittwochmorgen hatten gerade erst begonnen, da berichteten nicht nur zahlreiche große deutsche Rundfunk- und Online-Medien darüber. Viele Journalisten hatten auch sogleich Hintergrund-Artikel parat, die wohl schon zuvor vorbereitet worden waren. Denn die Behörden hatten die als streng geheim eingestufte Aktion vorher offenbar gezielt an zahlreiche Medien weitergegeben.
Warum waren im Vorfeld so viele Leute eingeweiht?
Dass einzelne Pressevertreter vorab Tipps bekommen, ist nicht unüblich. Aber in diesem Fall fiel kundigen Beobachtern ein gewisser Widerspruch zwischen den vielen vorher eingeweihten Journalisten und den Beteuerungen auf, die Aktion sei einer der größten und geheimsten Einsätze der Nachkriegsgeschichte gewesen.
So schrieb etwa der Medienjournalist Stefan Niggemeier schon wenige Stunden später: „Okay, also ungefähr jede größere Redaktion wusste vorab von dieser extrem gefährlichen Razzia und hat eigene Hintergrundstücke, Einordnungen, Exklusivrecherchen vorbereitet?” Niggemeier fragte, ob das „für den Fahndungserfolg vielleicht doch problematisch“ sei.
Namen, Adressen, Zeitpunkt – alles bekannt?
Auch die Linken-Bundestags-Abgeordnete Martina Renner sagte in einem Interview: „Ich selbst wusste seit Mitte letzter Woche bereits davon und weiß außerdem von mehreren Medien, die schon seit zwei Wochen Kenntnis hatten. Es waren die Namen der Beschuldigten bekannt, ihre Adresse und der geplante Zeitpunkt des Zugriffs.“
Renner kritisierte, die ganze Aktion scheine ihr eher wie eine PR-Aktion der Regierung. Das Ganze habe die Einsatzkräfte in Gefahr gebracht, weil es das Risiko erhöht habe, dass die Beschuldigten von den Razzien erfahren und sich dagegen hätten verteidigen können, womöglich sogar mit Waffengewalt. „Terrorabwehr müssen staatliche Stellen mit höchster Sensibilität betreiben, auf keinen Fall darf sie zur Show werden“, sagte Renner.
Schaukelten sich die Medien gegenseitig hoch?
Auf „Cicero“ schrieb Alexander Marguier: „Ich habe heute mit etlichen Kollegen aus anderen Medien gesprochen – auch solcher Medien, die bei der überschäumenden Umsturzplan-Berichterstattung ganz vorne mit dabei waren. Unisono (und natürlich nur im Vertrauen) hieß es: Uns kommt das alles auch völlig übertrieben vor, aber wenn die Konkurrenz so dramatisch reagiert, können wir die Sache nicht auf kleiner Flamme kochen.“
Am Donnerstag legte auch der frühere Innenminister Otto Schily (SPD) nach: Sein subjektiver Eindruck sei, „dass diese eher skurrile Spinner-Truppe keine reale Bedrohung für Staat und Gesellschaft darstellt“, sagte er der „Welt“.
Wohl nur sehr wenige Schusswaffen gefunden
Niemand kritisierte, dass der Staat eine Gruppierung ausgehoben habe, die offensichtlich terroristische Aktionen plante. Doch ob es gerechtfertigt war, von einem „Staatsstreich“ zu sprechen, der „vereitelt“ worden sei, wie es einige der größten Nachrichtenanbieter taten, oder gar von einem „Putsch“, fragten die Kritiker. Womöglich hätte „Terror“ auch gereicht, was ja schließlich auch schon schlimm genug sei.
Zumal sich die „echten” Waffenfunde bislang in engen Grenzen hielten: Lediglich eine Kurz- und zwei Langwaffen seien gefunden worden, hieß es gestern eher kleinlaut seitens der Generalbundesanwaltschaft – und das auch nur hinter verschlossenen Türen. Das Bundeskriminalamt hatte zuvor behauptet, bei etwa der Hälfte der 50 durchsuchten Objekte „Waffen” gefunden zu haben, damit aber offenbar auch Werkzeuge wie Messer und Wurfsterne gemeint. Der von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) als „Abgrund terroristischer Bedrohung” bezeichnete Ermittlungserfolg wirkte angesichts dieser Entwicklung doch nicht mehr ganz so abgrundtief.
Prepper-Vorräte und Bargeld deuten nicht gleich auf Terror hin
Zur Aufzählung der Funde gehörten übrigens auch noch: Prepper-Vorräte und Tausende Euro Bargeld. Wobei die Bevorratung mit Lebensmitteln und Bargeld für Krisen bekanntlich schon seit einigen Jahren vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe ausdrücklich empfohlen wird, mithin nicht von vornherein eine Straftat darstellt – schon gar keine staatsgefährdende.