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Bauwirtschaft

Droht 2022 ein Auftrags-Einbruch beim Hausbau?

Neubrandenburg / Lesedauer: 3 min

Hohe Preise, knappes Material, fehlender Berufsnachwuchs: Mit Blick nach vorn verlässt die Baubranche der Optimismus. Zudem ist es ungewiss, wie viele Menschen sich noch ein Haus leisten können.
Veröffentlicht:05.01.2022, 06:00

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Noch mag Jörg Schnell nicht die Alarmglocken läuten, wenn er die Auftragseingänge von Januar bis Oktober 2021 für die Bauwirtschaft bewerten soll. „Mit ganz so viel im Minus hätten wir aber nicht gerechnet“, schätzt der langjährige Hauptgeschäftsführer des Bauverbandes Mecklenburg-Vorpommern aber mit Blick auf den vom Statistischen Landesamt veröffentlichten Auftragsrückgang von 22 Prozent beim Wohnungsbau ein. „Dellen gibt es immer wieder“, sagt er. Noch gibt er das Jahr nicht verloren, auch wenn der Gesamtumsatz der Branche bis Oktober insgesamt um 1,2 Prozent gesunken ist.

Wünsche: Mehr Bauland und rasche Genehmigungen

Trotzdem hat Schnell nicht die Absicht, im Blindflug auf Besserung zu hoffen. Er macht Forderungen auf, die er mit dem Zusatz „dringend“ versieht. Seine Ansagen richten sich vor allem an die Behörden: So müssten die Voraussetzungen für eine zügige Auftragsvergabe geschaffen werden. Als Beispiele dafür nennt Schnell die Bereitstellung von Bauland ebenso wie das zügige Erteilen von Baugenehmigungen.

Dass die große Baulust der vergangenen Monate abgeebbt sein könnte, mag er nicht glauben. Schnell schaut aber auf ein zunehmend heikles Umfeld: „Die Kostensteigerungen sind recht heftig.“ Allerdings stagniere die Entwicklung derzeit auf hohem Niveau. Auch die Beschaffung von Material habe sich eingespielt. „Es ist selten geworden, dass wir nichts kriegen“, betont er. Doch der Organisationsaufwand für die Betriebe sei gestiegen. Es könne immer noch Sachen geben, die nicht auf Schlag und in der gewünschte Menge geliefert werden können. „Das kann sich dann durchaus auf die Terminlage auswirken“, so Schnell.

In Brandenburg und den anderen neuen Bundesländern, die im Bauindustrieverband Ost ihre Interessen bündeln, überwiegt beim Blick nach vorn die Zurückhaltung. „Da bisher noch nicht erkennbar ist, wie die ambitionierten Vorhaben der neuen Bundesregierung zeitnah in konkrete Bauinvestitionen umgesetzt werden und inwieweit sich der Preisanstieg der Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe auch 2022 dämpfend auf die Baukonjunktur auswirken wird, starten wir abwartend in das neue Jahr“, sagt Hauptgeschäftsführer Robert Momberg.

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Steigende Materialkosten nur zweitgrößtes Problem

Für die Baufirmen seien die extrem gestiegenen Materialpreise ein großes Problem. Holz sei im Jahresvergleich von Oktober 2021 zu 2020 um 76 Prozent teurer geworden, Kupfer um 40 Prozent und Bitumen um 46 Prozent. Da Bauverträge langfristig geschlossen würden, hätten die Firmen jetzt Mühe nachzuverhandeln, um nicht auf den Kosten sitzen zu bleiben. Zugleich gebe es bei neu geschlossenen Verträgen nicht immer die Bereitschaft der Bauherren, steigende Kosten über sogenannte Stoffpreisgleitklauseln einzupreisen.

Im Osten Mecklenburg-Vorpommerns und Brandenburgs sehen laut einer Umfrage der IHK Neubrandenburg und der IHK Frankfurt (Oder) bis zu drei Viertel der Bauunternehmen die hohen Bau- und Rohstoffpreise als Geschäftsrisiko für 2022 an. Noch größer aber ist die Furcht der Unternehmen in beiden Regionen, nicht genügend fachkundige Mitarbeiter finden zu können, um ihre Aufträge abarbeiten zu können. Immer öfter ist die Rede davon, dass Aufträge abgelehnt werden müssten.

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Zu wenig Lehrlinge, um Abgänge zu ersetzen

„Wir haben zu wenige Lehrlinge“, sagt auch Jörg Schnell. Zwar seien 300 junge Leute in Mecklenburg-Vorpommern in die Ausbildung gestartet. Nötig wären aber mindestens 450, um jeden Ruheständler in der Branche ersetzen zu können. Aus Sicht von Schnell kann es nicht an den Gehältern liegen: Laut neuester Daten der Sozialkasse der Bauwirtschaft beträgt in Mecklenburg-Vorpommern der durchschnittliche Stundenlohn auf dem Bau 15,03 Euro. Für Brandenburg wird ein Betrag von 15,25 Euro ausgewiesen.