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So kommen Sie beim Autokauf sicher zum Gebrauchtwagen

München / Lesedauer: 6 min

Dunkle Hinterhöfe, flatternde Fähnchen im Wind oder aber blitzeblank polierte Autos im Showroom: Die Wege zum neuen Gebrauchten sind mannigfaltig – wie kommen Sie da sicher durch?
Veröffentlicht:30.07.2021, 12:30
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Das Angebot klingt verlockend. Fast neuwertig, wenig gelaufen und 6000 Euro unter dem Marktpreis. Nachteil: Das gebrauchte Auto steht weit weg. Lohnt sich die Anfahrt? 11 Tipps, worauf Käufer von Gebrauchtwagen achten sollten:

1. ANREISE: Ob sich eine lange Anreise zu einem Kaufangebot rentiert, hängt ganz vom Fahrzeug und Preis ab, so Marcel Mühlich vom Auto Club Europa (ACE). „Exoten oder spezielle Autos finden sich selten in der Nähe. Auch gibt es häufig regionale Preisunterschiede, daher kann sich eine weite Anreise durchaus lohnen.”

2. KONTAKTAUFNAHME: Wer ein passendes Angebot findet, sollte zuerst mit dem Verkäufer Kontakt aufnehmen, aber nicht unbedingt mitteilen, dass er von weiter weg anreist. „Das verschlechtert die Basis für die Preisverhandlung”, sagt Mühlich. Wer sich nicht direkt auf den Weg machen kann, sollte den Verkäufer fragen, ob er das Auto reserviert, allerdings ohne eine vorherige Anzahlung. „Bei einer weiteren Anfahrt können Interessenten auch den Verkäufer bitten, ein Live-Video mittels eines Messenger-Dienstes zu drehen und das Fahrzeug zu beschreiben”, sagt Produktmanager Jochen Kurz vom Portal Autoscout24.

3. UNTERSCHIED PRIVAT UND HÄNDLER: „Privatverkäufer können die Sachmängelhaftung ausschließen, gewerbliche Verkäufer können das nicht”, sagt Marcel Mühlich. Einige Händler wollen das umgehen, indem sie als Vermittler auftreten und das Auto „nur an Gewerbe”, „für den Export” oder „im Auftrag” verkaufen. „Interessenten sollten davon die Finger lassen und besser weitersuchen”, sagt Mühlich.

Autos von Privat sollten günstiger als Autos von Händlern sein, da sie in der Regel die Sachmängelhaftung ausschließen. „Ob tatsächlich ein Agenturgeschäft vorliegt, ist stets zu prüfen, weil das Händler auch behaupten können, obwohl sie das Fahrzeug tatsächlich selbst verkaufen”, sagt ADAC-Sprecherin Melanie Mikulla.

Vorteil Händler: „Mit den Bewertungssystem auf Portalen wie Autoscout24 sehen Interessenten transparent, wie zuverlässig der Händler ist”, sagt Kurz. Von Fahrzeug-Vermittlungen würde er nicht generell abraten, sondern lediglich genauer hinschauen. „Bei seriösen Händlern können Interessenten das Auto gründlich inspizieren oder zu einem anerkannten Gutachter fahren”, sagt Jochen Kurz.

4. BESICHTIGUNG: Zu einer Besichtigung sollten Autokäufer zu zweit fahren, rät Jochen Kurz. „Vier Augen sehen mehr als zwei, und der Begleiter kann vor Fehlkäufen warnen”, sagt er. Vor Treffen an unbekannten, einsamen und dunklen Orten warnt der Experte, ebenso bei angeblichem Zeitmangel des Verkäufers. „Bei einer Besichtigung bei Tageslicht sollten beide Seiten ausreichend Zeit für Fragen und eine Probefahrt einplanen”, sagt er.

ACE-Vertrauensanwalt Arndt Kempgens rät, darauf zu achten, wer überhaupt der Verhandlungspartner ist: „Wer zeigt mir das Auto? Halter, Fahrer, ein Freund des Halters? Das sollte zu Beginn der Besichtigung geklärt werden”, sagt er. Danach folgen Fragen zum Verkaufsgrund, wie lange das Auto im Besitz war und zum Pflegezustand. „Die Geschichte muss passen, ebenso wie die Einträge im Scheckheft mit der Kilometeranzeige im Cockpit”, sagt er.

Vor Schnäppchenkauf warnt der Rechtsanwalt, vor allem, wenn der Verkäufer dubios wirkt. Beim Gang rund ums Auto kontrollieren Interessenten unter anderem Lackbild, Spaltmaße, Leuchten, Radhäuser, HU-Plakette, Felgen und die Profiltiefe der Reifen. Dafür bieten Autoclubs oder Verkaufsportale auch Checklisten.

Noch vor der Probefahrt sollten Interessenten darauf achten, dass der Motor kalt ist. „Das ist wichtig, um den Kaltstart zu kontrollieren. Dabei auf die Abgasbildung und Motorgeräusche achten, wie auch bei der späteren Probefahrt”, rät Mühlich.

Auch Stand und Konsistenz des Motoröls bei kaltem Motor checken. Es darf weder schaumig noch ganz schwarz sein, denn das deutet entweder auf einen Defekt oder eine schlechte Wartung hin. Bei Brems-, Servo- und Kühlflüssigkeit ist nur eine Sichtprüfung möglich.

Auf etwaigen Aufkleber erkennen auch Laien, wann eine Werkstatt das letzte Mal die Flüssigkeiten gewechselt hat oder vielleicht auch den Zahnriemen erneuerte. „Stellt der Interessent fest, dass der Ölwechsel-Anhänger einen höheren Kilometerstand angibt als der Kilometerzähler im Armaturenbrett, weiß er, dass etwas nicht stimmt”, sagt Melanie Mikulla. Vor Fahrzeugen mit frischer Motorwäsche warnen Experten, denn sie kann Leckagen unsichtbar machen.

5. KONTROLLE DER PAPIERE: Unterlagen wie Fahrzeugschein und Fahrzeugpapiere kontrollieren Interessenten gründlich. „Stimmt die Fahrgestellnummer im Auto mit den Papieren überein? Ist der letzte Halter auch der Verkäufer, gibt es Vorschäden?”, sagt Rechtsanwalt Kempgens. „Je mehr Unterlagen wie Rechnungen von Reparaturen, Wartungen oder HU-Protokolle der Verkäufer zeigen kann, umso besser”, sagt Marcel Mühlich. Damit lässt sich die Historie nachverfolgen und lassen sich eventuelle frisierte Kilometerangaben aufdecken.

6. PROBEFAHRT: Zuerst Führerschein und Ausweis vorzeigen. „Grundsätzlich haftet der Probefahrer für alle verschuldeten Schäden”, sagt Melanie Mikulla. Deshalb müsse vor Beginn der Probefahrt geklärt werden, wie das Auto versichert sei, wer im Schadensfall die Haftung für Schäden übernehmen oder wer die Kosten der Selbstbeteiligung und den Rückstufungsschaden tragen müsse. Eine Probefahrt-Vereinbarung sollte daher vorher unterzeichnet werden.

Los geht's. Bei eingeschalteter Zündung müssen alle Kontrolllämpchen brennen und dürfen erst nach dem Start des Motors erlöschen. Dann checken die Tester alle elektrischen Verbraucher. Bei einer ausgiebigen Probefahrt mit unterschiedlichem Tempo kontrolliert man Bremsen, Lenkung, Beschleunigung, Geräusche, Vibrationen und Abrollverhalten. Nach der Probefahrt folgt ein Rundgang und die Kontrolle der Scheinwerfer, Blinker und Rückleuchten.

7. PREISVERHANDLUNG: „Bei der Preisverhandlung rentiert es sich, wenn sich der Interessent neutral verhält”, sagt Jochen Kurz. Mit einer vorherigen Preisrecherche hat man schon eine marktgerechte und realistische Preisidee. „Wenn Sie noch während der Besichtigung Argumente für eine Preissenkungen finden, wie eventuelle Schäden oder Folgekosten von Reparaturen, sollten Sie die mit in die Verhandlung nehmen, aber dabei immer fair bleiben”, rät Kurz.

Autos bei Händlern können hingegen statt Preisnachlässen mit Updates aufgewertet werden, wie ein etwa ein neuer Satz Reifen, eine Inspektion oder eine frische Hauptuntersuchung.

8. ANZAHLUNG: Ein Auto zahlen Käufer nur, nachdem sie alle Schlüssel und Papiere gesehen haben, dazu zählt auch der Personalausweis des Verkäufers. „Nach einer Probefahrt kann man auch ein Auto zur späteren Abholung anzahlen, das muss aber im Kaufvertrag vermerkt sein”, warnt Marcel Mühlich.

9. VERTRAG: Um die meisten Streitpunkte zu vermeiden, sollten Interessenten eine anerkannte Kaufvertragsvorlage etwa von Autoclubs wie dem ADAC oder den Gebrauchtwagen-Börsen ausdrucken und die zusammengetragenen Punkte beachten. In den Vertrag gehören neben den Adressen von Käufer und Verkäufer die Personalausweisnummern, Übergabezeitpunkt und der Verweis auf die Abmeldung des Autos.

Dabei unbedingt das Foto auf dem Ausweis mit dem Verkäufer abgleichen. „Ein vorläufiger Ausweis reicht nicht, da er leicht zu fälschen ist”, sagt Kempgens. „Alle Zusagen oder Vereinbarungen, die während der Besichtigung genannt werden, sollten schriftlich in den Kaufvertrag aufgenommen werden”, sagt er. Bei Verträgen mit Händler unbedingt darauf achten, dass Gewährleistung gegeben wird.

10. BEZAHLUNG: Gebrauchte Autos zahlen Käufer am sichersten mit Bargeld. Beim Bezahlen schauen beide Seiten genau hin. Die Zahlung wird mit dem genauen Betrag im Kaufvertrag quittiert. Vor Vorabüberweisungen raten die Experten ebenso ab wie von Bezahlungen per Paypal-Konten.

11. ABMELDUNG/UMMELDUNG: Am sichersten ist es, das Auto abgemeldet zu verkaufen. In der Praxis werden gebrauchte Autos von Privat aber meist mit gültigen Kennzeichen verkauft. „Daher unbedingt in den Kaufvertrag reinschreiben, bis wann das Auto umgemeldet werden muss”, rät Kempgens.