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Auf Schusters Rappen

Wie man dem Gepäck hinterher wandert

Saalfelden / Lesedauer: 10 min

Wandern ohne Gepäck ist eine feine Sache. Man geht quasi dem Gepäck hinterher, das, nach der Nächtigung in einem Quartier abgegeben, schon an der nächsten Unterkunft wartet. Möglich ist dies auch im Salzburger Land auf dem Saalachtaler Höhenweg. Dirk Schroeder hat`s probiert.
Veröffentlicht:15.07.2019, 11:08

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Prolog

Das war Glück. Gerade im Quartier in der Pension Kröll in Saalfelden eingecheckt, geht ein mächtiges Gewitter nieder. Das schafft Zeit, sich ausgiebig den auf dem Zimmer hinterlegten Unterlagen für die Wanderung auf dem Saalachtaler Höhenweg zu widmen, die das Tourismusbüro Saalfelden/Leogang zusammengestellt hat. Routenbuch für die Tour, Stadtpläne, Bergbahninfos und Hüttenbetriebszeiten, Busfahrpläne und Wanderkarten. Letztere lässt die Augen aufatmen: in Großdruck, also unterwegs auch gut lesbar.

Erster Tag – Kapellenweg

(Strecke A: 16,8 Kilometer, Aufstieg 554 Höhenmeter, Abstieg 446 Höhenmeter, Gehzeit 5 Stunden, Strecke B: 21 Kilometer, Aufstieg 923 Höhenmeter, Abstieg 816 Höhenmeter, Gehzeit 7 Stunden)

Es geht raus aus Saalfelden, rein in die Idylle der Berge. Flach ist zunächst die Strecke entlang des Urslau-Baches Richtung Westen. Orientierung sollen unter anderem Kapellen am Wegesrand geben. Wobei ich indes die Kreuze neben Wegen auch als solche einordne, denn bei manchem Gebäude bin ich mir unsicher, ob es ein Kirchlein ist. Die Beschreibung im Routenbuch ist dennoch so detailliert, dass man nicht fehlgeht. Nach rund fünf Kilometern wird es steiler. Jetzt heißt es, sich zu entscheiden, ob man sich gleich am ersten Tag die längere Variante zutraut und so zwei Stunden und 5 Kilometer mehr einplant. Das Wetter ist stabil, Zeit nach hinten raus üppig. Also Mut zur großen Runde. Zumal hier noch die Lettlkaserhütte am Rande der Leoganger Steinberge mit dem Versprechen eines tollen Panoramablicks auf das Steinerne Meer lockt. Den wollen auch andere Wanderer genießen, doch findet sich immer ein Plätzchen in der kleinen Gastlichkeit. Nach einem Käsebrot und einem Bier wartet der Abstieg nach Leogang. Abstieg bedeutet, durch einen kleinen Graben, einen Hang queren, einen Forstweg bewältigen. Die Wege sind gut zu gehen, nicht zu steil. Dennoch soll sich später erweisen, dass sie Muskelgruppen beansprucht haben, die sonst weniger gefordert sind. Dann kurz Ratlosigkeit. Die Ausschilderung ist etwas verwirrend. Rechts lang, links lang auch? Wie nun? Kleiner Tipp: Priesteregg ist auf jeden Fall richtig. Die haben im Gasthof zwar zu der Tageszeit noch keinen Gastgartenbetrieb, die Rezeptionistin bringt einem dennoch ein Getränk. In der Zeit braut sich was zusammen, und es ist kein Bier, sondern – ein Gewitter. Und es wächst die Sorge, es nicht mehr trockenen Fußes bis zum Quartier zu schaffen, zumal sich der Weg dorthin in die Länge zieht. Ein Sprint ist konditionell nicht mehr möglich an dem Tag. Denn auch wenn Anstieg und Abstieg „human“ waren, für den ersten Tag haben sie einem letztlich doch recht viel abverlangt, was sich jetzt rächt. Ein paar Regentropfen ereilen mich doch noch, ich gelange indes dank eines Regenumhangs weitgehend trocken ins Quartier im Leoganger Ortsteil Hütten, wo es ein freundliches Bier gibt bei den betagten Gastgebern. Und: Gleich gegenüber der Hüttwirt, sodass der abendliche Regen kaum stört auf dem Weg dorthin.

Zweiter Tag – Bergbauweg

(Strecke A: 16,9 Kilometer, Aufstieg 1075 Höhenmeter, Abstieg 941 Höhenmeter, Gehzeit 6,5 Stunden; Strecke B: 19,1 Kilometer, Aufstieg 1295 Höhenmeter, Abstieg 1092 Höhenmeter, Gehzeit 7 Stunden)

Der längere Weg gestern zum Quartier erweist sich bei der zweiten Etappe als Vorteil. Hatte man doch schon am Vortag einige hundert Meter der beschriebenen Strecke absolviert. Geruhsam also der Start entlang des Flüsschens Schwarzleo. Gesäumt wird der Weg mit Informationen zum Bergbau in früherer Zeit, der die Region einst prägte. Spuren finden sich allenthalben, vor allem mit Infotafeln, unter anderem auch eine Sage über ausschweifend lebende übermütige Knappen, die Tieren bei lebendigem Leib das Fell über die Ohren zogen. Ein alter Knappe warnte immer wieder. Und am Ende, man kann es sich denken, kamen alle bösen Buben um, nur der erfahrene Mann überlebte. Märchenhaft, sagenhaft. Endpunkt des „Anlaufs“ ist ein Schaubergwerk mit Knappenstube. Eine Führung dauert allerdings mehr als zwei Stunden, sodass man sich mit den im Außenbereich ausgestellten Aufbauten begnügen sollte. Von nun an geht es steiler bergan. Ziel ist die Lindlalm. Dort gibt es eine Wirtschaft zur Einkehr. Nach dieser heißt es dann immer wieder den Schildern Richtung Spielbergtörl folgend gehen, gehen, gehen und die Aussicht genießen. Vorbei an Kühen, Pferden, Ziegen – und immer wieder auch überholt von Mountainbikern. Schließlich ist die Region auch ein gut ausgebautes Paradies für die Liebhaber der Fahrräder. Über die Wirtsalm geht’s dem Ziel Saalbach entgegen. Und pünktlich zum Ende der Wanderung fallen die ersten Regentropfen. Was Gelegenheit gibt, in einem der zahlreichen Gasthäuser, Restaurants und Bars eine Pause einzulegen und den Regenguss abzuwarten. Von Saalbach nach Hinterglemm wird der Postbus empfohlen. Den sollte man auch nutzen.

Dritter Tag – Im Regen

(Strecke A: 18 Kilometer, Aufstieg 2099 Höhenmeter, Abstieg 2167 Höhenmeter (beides jeweils mit Seilbahn), Gehzeit rund 10 Stunden; Strecke B: 12 Kilometer, Gehzeit rund 6 Stunden)

Nach einem guten Frühstück im Braunauerhof geht es munter auf die Strecke der Variante entlang des Schwarzachergrabens. Banger Blick zum trüben Himmel. Abgleichen mit der Wetter-App des Smartphones. In zwei Stunden ist die Sonne da, verheißt die. Doch weit gefehlt: es nieselt sich ein. Scheint die Wetter-App falsch zu gehen. Also im Regen weiter bis zur Hacklbergalm. Dort gibt es einen Tee zum Aufwärmen. Obwohl es nicht kalt ist, heizt man mir in der guten Stube schnell den Kanonenofen an. Nach der Pause kann man also ob des Regens die Aussicht vergessen und sich darauf konzentrieren, den besten Weg zu finden in Richtung Ostgipfel des Schattbergs. Denn es führen derer viele Wege dorthin. Es geht über zuweilen mooriges Gebiet, das durch den Regen mit „Nahrung“ versorgt wird. Panorama ist an diesem Tage nicht zu erleben. Das letzte Stück nimmt mich ein Mann von der Bergbahn in seinem Pick-up mit zur Bergstation der Schattbergbahn. Dem hatte ich bei seiner Fahrt bergab zuvor reichlich Platz gemacht mit einem großen Schritt an den Wegesrand. Bisweilen zahlt sich Freundlichkeit eben doch aus.

Mit dem Schattberg-Express geht es per Seilbahn abwärts nach Saalbach. Diesmal ist es indes so, dass der Regen aufhört und der Himmel aufreißt, als ich mich dem Thurnerhof nähere, der etwas außerhalb des Zentrums liegt. Die Aussicht auf ein gutes Abendessen gibt es hier dann ebenso wie die auf die Berge, denn der Himmel ist aufgerissen und gibt den Blick frei auf eben diese.

Beim Wandern im Regen hat man übrigens jede Menge Zeit, über die Vorteile und Nachteile der Situation, die man ohnehin nicht ändern kann, nachzudenken. Und auf der Suche nach den Vorteilen des Wanderns im Regen wurde ich sogar fündig. Keine Gefahr, dass man auf eine Schlange tritt, die sich auf dem Weg sonnt, wenig dampfplaudernde Wanderer unterwegs. Man lernt, was man doch aushalten kann und es kommt einem die Idee, ein Buch zu schreiben. Wandern im Regen. Aber die hatte auch schon ein anderer, denn das gibt es schon.

Vierter Tag – Die Tiere

(Strecke 20 Kilometer, Aufstieg 1288 Höhenmeter, Abstieg 1312 Höhenmeter, Gehzeit 7,5 Stunden)

Kohlmaisbahn ist die Verheißung. Die muss man nach etwa 25 Minuten vom Übernachtungsquartier aus erreichen. Mit der Gondel geht es dann ganz fix nach oben, wo man schon auf dem Kamm des Berges ist. Der liegt vor einem wie ein Band und es ist einfach eindrucksvoll: beim Blick nach links die Leoganger Steinberge, wendet man den Kopf nach rechts die Hohen Tauern, und vor einem liegt in der Ferne der Hochkönig. Am heutigen Tag geht es hoch bis zu 1900 Meter Höhe bei den Sausteigen. Dennoch ist es eine recht entspannte Wanderung. Und plötzlich läuft einem ein Salamander über den Weg, türmen sich Ameisenhaufen am Wegrand, huschen Vögel durchs Unterholz. Nur Kühe, die gab es nur anfangs des Weges zur Kohlmaisbahn und am Ende des Weges kurz vor der Unterkunft zu sehen. Seltsam. Und beruhigend, hatte eine Gruppe von sieben oder acht Tieren mir doch am Vortag Sorge bereitet, als die Tiere sicht gedrängt an einem Gatter standen, durch das ich hindurch musste. Besonders die Aussicht vom Sausteigen ist wunderbar. Das scheint auch ein Gleitschirmflieger zu meinen, der den Blick ins Tal genießt, bevor er sich seinem Flug widmet. Die letzte bewirtschaftete Hütte allerdings befindet sich auch schon am Beginn des Weges. Hier kann man der Beschreibung der Touristiker ruhig glauben, wenn dort versichert wird, man solle sich genügend zu trinken und zu essen mitnehmen. Es gibt bis zum heutigen Ziel keine weitere Hütte, in die man einkehren kann. Die Ankunft im Gasthof Stiegernigg am Rande von Viehhofen ist dann umso herzlicher. Der Hausherr, der auf der Alm noch gemähtes Gras harkt, weist einem schon den Weg mit dem Hinweis, dass es in wenigen Metern schon ein Erfischungsgetränk gibt. Nun ja, er sagt nicht wirklich Erfrischungsgetränk … Und am Abend ist es sehr familiär und ich sitze mit Gastgebern und Stammgästen zusammen und philosopiere über Gott und die Welt…

Fünfter Tag – Rasanter Abstieg

(Strecke 17,6 Kilometer, Aufstieg 731 Höhenmeter, Abstieg 991 Höhenmeter, Gehzeit 6 Stunden)

Nach dem Frühstück nehme ich gern das Angebot des Hausherrn an, mich ein Stück des Wegs raufzunehmen mit seinem Auto. Er wolle ohnehin nach den Jungtieren sehen – sagt er. Vielleicht hatte er auch nur Mitleid mit mir. Dennoch zieht sich der Weg hinauf in die Länge bis zum Almrosenweg. Ab da geht’s relativ eben quer einen Hang entlang. Nur die Spuren des vergangenen Winters liegen in Form zum Teil noch nicht beräumter Bäume bisweilen auf dem Weg. Viel zu tun für die Forstarbeiter in diesem Jahr. Die versperren mir später auch noch den Weg mit einem Schild: Durchgang verboten. Ich gehe vorsichtig voran und mache eine fragende Geste Richtung Forstmann. Der winkt mich durch. Er weiß ja jetzt, dass da jemand ist und passt mit seinem Rückefahrzeug auf.

Indes ist es heute so, dass ich die ganze Zeit niemandem außer dem Forstmann begegne. Erst vor dem Zwischenziel am Biberg mit Gastwirtschaft überholen mich zwei Mountainbiker. Kein Wunder, nähert man sich doch wieder dem Zentrum der Region, Saalfelden. Noch ein kurzer Zwischenstopp am Huggenberg. Und dann geht’s auf den letzten Abstieg. Der ist allerdings alles andere als schwer, denn es geht mit der Sommerrodelbahn bergab. Meinen Tagesrucksack gebe ich in die Obhut der Bergbahn-Leute und dann überhole ich ihn, der mit dem Sessellift runter fährt, bei einer rasanten Abfahrt mit dem Rodel. Noch ein Stück Weg durch Saalfelden und schon ist man wieder in seinem Quartier am Ritzensee angekommen.

Epilog

Fünf Tage Wandern nur mit dem Tagesgepäck und Nächtigung jeden Abend woanders macht einfach Spaß. Auch wenn es mal regnet. Schließlich sind trockene Sachen ja bei der Ankunft im nächsten Hotel. Zu buchen ist so ein Paket ab 369 Euro bei Saalfelden Leogang Touristik GmbH.