Inklusion

Darum demonstrieren Anklamer in Berlin

Anklam/ Heringsdorf / Lesedauer: 3 min

Unter dem Motto „Gute Arbeit für gutes Geld!“ haben Ende Mai mehr als 1500 Menschen vor dem Berliner Reichstag für eine gerechtere Bezahlung von Menschen mit Behinderung demonstriert. Auch fünf Anklamer waren mit dabei.
Veröffentlicht:04.06.2023, 18:38

Von:
  • Mareike Klinkenberg
Artikel teilen:

Nicole Nosko, Sebastian Witt und Andre Lembcke vom Werkstatt–Rat der Bugenhagen–Werkstatt in Anklam waren Ende Mai in Berlin mit dabei, als auf der Wiese vor dem Reichstag für die Interessen von Menschen mit Behinderung demonstriert wurde. Genauer gesagt ging es um eine gerechtere Bezahlung der Werkstatt–Beschäftigten und den generellen Erhalt der Behindertenwerkstätten. 

1500 Leute waren auf Demo

"Gute Arbeit für gutes Geld!“ lautete das Motto. Neben den Anklamern waren weitere Teilnehmer aus Mecklenburg–Vorpommern, beispielsweise aus Rostock, Grevesmühlen und Güstrow sowie aus dem ganzen Bundesgebiet angereist, erzählt Nicole Nosko. „Mit unseren gelben Warnwesten und den Trillerpfeifen sind wir besonders aufgefallen“, ist sie immer noch begeistert. Insgesamt waren auf der Zusammenkunft laut Medienberichten schlussendlich rund 1500 Beteiligte, die sich bei der großen Politik in Berlin Gehör verschaffen wollten.

In der Bugenhagen-Werkstatt in Heringsdorf werden in Handarbeit pro Jahr rund 250 Strandkörbe hergestellt und etwa ebenso viele wieder in Stand gesetzt. (Foto: Mareike Klinkenberg)

„Menschen mit Behinderung haben keine Lobby“, stellt Pastor Kai Becker fest. Dem Vorsteher des Diakoniewerks Bethanien Ducherow, zu dem auch die hiesigen Bugenhagen–Werkstätten gehören, wird der aktuellen Diskussion um eine bessere Bezahlung der Werkstatt–Beschäftigten immer noch viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Auch aus diesem Grund hat er das Engagement des Werkstatt–Rates und die Fahrt nach Berlin ausdrücklich unterstützt. Ihm geht es dabei längst nicht nur um die Bezahlung der Mitarbeitenden, sondern auch generell um mehr finanzielle Mittel, die in das System für Menschen mit Behinderung fließen müssten.

Auch interessant: Inklusion in Vorpommern — Eltern fürchten Mobbing ihrer Kinder

„Die Politik will momentan weg von Behindertenwerkstätten und andere Wege der Inklusion finden. Aber fragt man die Menschen mit Behinderung finden die ihre Werkstätten gut“, weiß Kai Becker. Es bestehe seiner Meinung nach eine Diskrepanz zwischen dem, was gut gewollt ist, aber nicht richtig umgesetzt werden kann. Vor allem in wirtschaftlichen schwachen Regionen wie Vorpommern sei eine Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt für Behinderte kaum möglich. Und deshalb ist der Erhalt der Werkstätten umso wichtiger. Dabei gehe es nicht darum große Erlöse einzufahren, sondern einfach um eine schwarze Null am Ende des Jahres. 

Strandkörbe für Usedom

Eines der Erfolgsprodukte auf dem Weg zur Wirtschaftlichkeit und auch ein Alleinstellungsmerkmal der Buggenhagen–Werkstätten ist beispielsweise die Strandkorbproduktion am Standort in Heringsdorf auf Usedom. Die Werkstatt ist dabei eine von nur drei Strandkorb–Manufakturen auf der Insel. Pro Jahr werden etwa 250 Strandkörbe hergestellt. „Nochmal so viele werden über das Jahr verteilt repariert“, weiß Bereichsleiter Olaf Wenzel.

Die Kunden können vorab zwischen verschiedenen Flechtmaterialien und Farben wählen. Danach wird ihr Wunsch-Strandkorb gefertigt. (Foto: Klinkenberg)

Das Team in der Tischlerei sägt dabei die verschiedenen Einzelteile für jeden Strandkorb zu, in der Flechtwerkstatt kommen die fingerfertigen Kollegen beim Flechten der Körbe und Außenteile zum Zuge, die Montagemannschaft kümmert sich um die Textilbezüge und setzt am Ende alle Teile zu einem Ganzen zusammen. Viele Strandkorb–Vermieter, die in regelmäßigen Abständen ihre Flotten verjüngen würden, zählen zu den Kunden der Buggenhagen–Werkstatt, berichtet Olaf Wenzel. Mittlerweile erfüllen sich aber auch viele Privatkunden ihren Traum vom eigenen Strandkorb zu Hause. Für weitgereiste Strandkorbfans läuft die Bestellung mittlerweile auch online unter www.edbd.de.