Eklat

Bürgermeisterin wirft AfD–Politiker Enrico Schult aus Sitzung

Bentzin / Lesedauer: 4 min

Bentzins Bürgermeisterin hat den AfD–Landtagsabgeordneten Enrico Schult seiner Ansicht nach grundlos aus einer Sitzung geworfen. Möglicherweise mit rechtlichen Folgen.
Veröffentlicht:25.05.2023, 10:16
Aktualisiert:25.05.2023, 10:30

Von:
  • Author ImageStefan Hoeft
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Zwar nur unter verhaltenem Protest, aber sichtlich fassungslos und sein Unverständnis äußernd hat der AfD–Landtagsabgeordnete Enrico Schult die Sitzung der Gemeindevertretung Bentzin am Mittwochabend im Ortsteil Alt Plestlin verlassen.

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Denn letztlich musste er sich erstmal dem Hausrecht von Bürgermeisterin Grit Gawrich beugen. Die dem Mann, der selbst Ratsmitglied in seinem unweit Demmin liegenden Heimatort Nossendorf ist, im Zuge der Abstimmung über die Tagesordnung die weitere Teilnahme verwehrte. Zuvor war es um ein Rederecht des AfD–Landesvorsitzenden gegangen, der bei der Landtagswahl 2021 immerhin das Direktmandat für diese Region errungen hatte.

„Ich war schon bei vielen Gemeindevertretersitzungen. So etwas ist mir noch nie passiert“, äußerte der 44–Jährige nach dem Rausschmiss.

Schuldt sieht Entscheidung als rechtswidrig an

Den die Versammlungsleiterin damit begründete, dass er an diesem Abend nicht zur Tagesordnung passen würde. Dass er trotzdem wie jeder andere Bürger auch als „stummer“ Zuhörer von außerhalb den öffentlichten Teil der Sitzung hätte verfolgen dürfen, schien die Runde nicht anzufechten.

Dabei unterscheidet der Grundsatz der Öffentlichkeit nicht zwischen Einwohnern der Gemeinde und anderen interessierten Personen, dies gilt lediglich für die sogenannte Einwohnerfragestunde. „Eine einseitige Selektion, wer bleiben darf und wer gehen muss, ist daher gegen alle demokratischen Prinzipien und klar rechtswidrig“, kommentierte Enrico Schult hinterher.

Eine einseitige Selektion, wer bleiben darf und wer gehen muss, ist daher gegen alle demokratischen Prinzipien."

Laut Kommunalverfassung könnten unter Berücksichtigung des Demokratieprinzips durch den Ausschluss eines Teils der Öffentlichkeit die in der Sitzung gefassten Beschlüsse sogar unwirksam sein. „Jedermann muss ohne Ansehen seiner Person Zutritt zur Sitzung verlangen können.“

Grund für Besuch war kaputter Weg

Grund für seinen Besuch war ein Wortwechsel im Rahmen eben jener Fragestunde bei der vorangegangenen Zusammenkunft der Bentziner Abgeordneten Ende März — damals in Zemmin.

Dort hatte das ortsansässige AfD–Landtagsmitglied Jens Schulze–Wiehenbrauk den Zustand eines Weges beklagt, der unter anderem an seinem Haus vorbei führt und auch von der Kommune als dringend sanierungsbedürftig eingestuft ist.

Er forderte eine kurzfristige Notreparatur ein. Die Abgeordnetenrunde war sich einig, schnellstmöglich eine Lösung zu finden, gleichzeitig nutzte die Bürgermeisterin das Ganze zu einer Stichelei: Sie erwarte von einem Landtagsmitglied mehr als nur zu meckern, sondern in Schwerin nach Unterstützung für die Belange seiner Gemeinde zu suchen. Woraufhin Schulze–Wiehenbrauk entgegnete, dass dies in der Opposition schwieriger sei, sich sein Wahlkreis überdies im benachbarten Anklam befinde.

Bürgermeisterin fühlte sich "überfallen"

Stattdessen wollte nun sein regional zuständiger Parteikollege den Bentzinern seine Aufwartung machen und ein Gespräch über Probleme anbieten. Allerdings ging die entsprechende Ankündigung wohl erst am Mittwoch kurz vor 14 Uhr aus seinem Büro an die Verwaltung für das Amt Jarmen–Tutow und Grit Gawrich fühlte sich angesichts des plötzlichen Auftauchens von Schult „überfallen“.

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Wie sie stimmte das Gros der Abgeordneten deshalb dafür, dem AfD–Landesvorsitzenden angesichts einer fehlenden Dringlichkeit erst bei einem nächsten Treffen einen Tagesordnungspunkt einzuräumen.

Eine rigorose Ablehnung bekam dieser Vorschlag hingegen von Gemeindevertreter Jürgen Piek, verbunden mit der Ankündigung, während der Debatte dann die Sitzung verlassen zu wollen.

Gemeindevertreter will nicht mit AfD reden

Er nämlich sei nicht gewillt, einem Vertreter einer Partei eine Bühne zu bieten, die notfalls auf Migranten schießen lassen wolle, die Ermordung von sechs Millionen Juden als einen Fliegenschiss der deutschen Geschichte bezeichne und vom Verfassungsschutz beobachtet werde. Den Versuch einer Entgegnung von Enrico Schult unterbrach Grit Gawrich umgehend, verwies ihn nach dieser Abstimmung umgehend des Saales.

„Ich gehe davon aus, dass Sie lediglich falsch beraten wurden und dies nicht als persönlicher Affront gegen meine Person gemeint war“, kommentierte der 44–Jährige hinterher das Agieren der Bürgermeisterin.

Als demokratisch gewähltem Wahlkreisabgeordneten sei es ihm wichtig, in Schwerin für die hiesigen Gemeinden zu wirken, zumal ja in der vorherigen Sitzung öffentlich mehr Unterstützung gewünscht wurde. Gleichwohl seien die örtlichen Volksvertreter auch aufgefordert, ihn von sich aus anzusprechen. „So machen es die anderen Bürgermeister auch und ich kann keinem in den Kopf gucken, wann und wo Hilfe nötig ist.“

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