Frank-Walter Steinmeier auf Tour
Der Vorpommern-Tag des Bundespräsidenten
Vorpommern / Lesedauer: 3 min

„Mehr als 50 Prozent der Deutschen wohnen im ländlichen Raum.“ Diesen Satz betonte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Donnerstag bei seiner Reise durch den Landkreis besonders – und er sagte ihn nicht nur einmal. „Wenn man die Titelseiten der deutschen Tageszeitungen oder die Abendnachrichten einschaltet, dann stellt man fest, dass die Themen der Städte und der Ballungsräume die Nachrichten bestimmen“, sagte Steinmeier und übte damit Kritik an den bundesweit bekannten Medien. Und sagte: „Die Menschen in den ländlichen Regionen haben andere Erwartungen und Hoffnungen an die Politik als die Menschen in der Stadt.“
Dass das Leben im Landkreis Vorpommern-Greifswald tatsächlich auch lebenswert und berichtenswert ist, erfuhr Frank-Walter Steinmeier bei seiner Rundreise. In Ducherow wurde das Staatsoberhaupt von engagierten Mitgliedern verschiedener Vereine in der Gemeinde empfangen. Besonders herzlich begrüßten Steinmeier zwei Alpakas namens „Alf“ und „Herrmann“.
Gespräch mit Vereinen in Ducherow
Im Anschluss ging es für Steinmeier, Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD), Vorpommern-Staatssekretär Patrick Dahlemmann (SPD) und Ducherows Bürgermeister Bernd Schubert (CDU) ins sanierte „Haus der Vereine“ in Ducherow. Die Idee, das Haus zu sanieren, entstand durch das Projekt „Uni-Dorf“, an dem die Hochschule Neubrandenburg, die Universität in Greifswald und der Landkreis zusammengearbeitet haben. „Dieses Haus ist das Vorhaben gewesen, welches wir unbedingt umsetzen wollten“, sagte die ehemalige Ducherower Schülerin Laura Hollunder, die damals am Projekt mitbeteiligt war.
Nachdem sich Steinmeier unter Ausschluss der Öffentlichkeit das Continental-Werk in Anklam angeschaut hat, machte der 63-jährige Station im Regionalzentrum für demokratische Kultur. Das Regionalzentrum unterstützt kostenlos und auf Anfrage zum Beispiel Bildungsträger, Vereine, Gemeinden im Landkreis und berät vor allem auch Multiplikatoren wie Lehrer und Erzieher.
Kleiner Joshua begegnet dem großen Frank-Walter
Dass die Region und insbesondere Anklam deutschlandweit einen schlechten Ruf hat, was die Rechtsextremismus-Szene angeht, ist auch dem Bundespräsidenten nicht entgangen. „Wir machen keine Arbeit gegen die Nazis, wir wollen etwas tun, um die Demokratie zu fördern“, sagte die Leiterin des Regionalzentrums, Delphine Wollenberg.
Die politischen Tendenzen in der Region waren zwar auch Thema bei der Gesprächsrunde in der Anklamer Nordkurier-Redaktion, aber vor allem ging es um die Entwicklungen der vergangenen Jahre. Anfang der 90er Jahre sei zum ersten Mal in Anklam gewesen, erzählte Steinmeier, wobei ihm vor allem Plattenbauten in Erinnerung geblieben waren. Kein Vergleich zu heute: „Der Markt sah anders aus“, meinte der Bundespräsident anerkennend.
In Rothenklempenow gibt es sogar ein hippes Startup
Seine Rothenklempenower Station nutze der Bundespräsident für eine Zwischenbilanz: Seine Tour „Land in Sicht“ habe ihm bestätigt, dass gute Ideen für die Zukunft auch außerhalb der Ballungsräume möglich sind. Es gebe keine abgehängten Regionen, wenn durch Engagement und Ehrgeiz Zukunftsfähiges entsteht. In Rothenklempenow besuchte Steinmeier die Food-Start-ups „Lunch Vegaz“ und Tlaxcalli, die biovegane Fertigprodukte und Bio-Tortilleria herstellen.
Bei den Rothenklempenowern kam Steinmeier gut an. So warf er bei Stefanie und Olaf Zimmermann einen Blick in den Kinderwagen, wo Joshua, acht Monate alt, den Bundespräsidenten erstaunt ins Visier nahm. „Ich bin hier groß geworden und wohne heute in Krugsdorf. Es ist schon eine große Ehre, dass er Dörfer am Rande Deutschlands besucht“, meinte Olaf Zimmermann. Großartig fand auch eine weitere Besucherin den Bundespräsidenten. Aber sie konnte sich eine Spitze nicht verkneifen: Der sei nur in der falschen Partei …