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Artenschutz

Dieser Landwirt sorgt für blühendes Leben 

Zinzow / Lesedauer: 4 min

Seit 2017 testet ein Landwirt in Vorpommern ungewöhnliche Bewirtschaftungsformen zum Schutz von Insekten und Feldvögeln — mit überraschenden Erfolgen. Doch wie es nach Auslauf des Modellprojektes weitergeht, ist ungewiss.
Veröffentlicht:19.07.2023, 05:22

Von:
  • Ralph Sommer
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Auch in diesem Sommer scheint es der Wettergott nicht besonders gut zu meinen mit Marco Gemballa. „Von den Niederschlägen der vergangenen Wochen haben wir wieder nur wenig abbekommen“, sagt der Landwirt. Während vor einigen Tagen zehn Kilometer entfernt 25 Millimeter Regen fielen gab, bekam seine Agrargesellschaft am Landgraben in Zinzow südwestlich von Anklam gerade mal 9 Millimeter ab. Vor allem die Trockenheit im Mai habe gewirkt, sagt der Betriebsleiter. „Die Wintergerste hatte nicht die Qualität, die man zum Bierbrauen braucht. Trotzdem: Als Futtergerste war sie besser als befürchtet.“

F.R.A.N.Z.-Projekt mit bundesweit zehn Firmen

Die Gegebenheiten in den Ausläufern der Friedländer Wiese sind nicht einfach. Wenig Niederschlag und leichte Böden mit durchschnittlich 29 Bodenpunkten setzen der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung Grenzen. Auf etwa 600 Hektar werden hier Mais, Winterweizen, Zuckerrüben, Winterraps, Wintergerste, Winterroggen, Winterdinkel, Lupine, Erbsen und weitere Kulturen angebaut.

Für Aufsehen in der Branche sorgt der vorpommersche Betrieb inzwischen vor allem mit seiner nachhaltigen Bewirtschaftung. Denn seit 2017 gehört Zinzow zu bundesweit zehn Modellunternehmen, die neue Methoden zum Artenschutz in der Landwirtschaft testen. Im Rahmen des sogenannten F.R.A.N.Z.-Modells (Für Ressourcen, Agrarwirtschaft & Naturschutz mit Zukunft), ein Gemeinschaftsprojekt der Michael Otto Stiftung für Umweltschutz und des Deutschen Bauernverbandes (BDV), demonstrieren die beteiligten Agrarfirmen, wie man naturverträglich und nachhaltig wirtschaften kann.

Nicht alle Maßnahmen haben funktioniert

Auf etwa einem Zehntel der Anbaufläche werden seit sechs Jahren unterschiedliche Methoden zum Schutz von Insekten und Feldvögeln erprobt. Die Tests reichen vom Anlegen von strukturreichen Blühstreifen, Kiebitzinseln und Feldlerchenfenstern, Feldvogelstreifen im Mais bis zum Erhalt von Altgrasstreifen.

Die Feldlerche profitierte von den Artenschutz-Maßnahmen. (Foto: Andreas Neuthe)

Zwar hätten nicht alle Maßnahmen genauso funktioniert, wie man sich das vorgestellt habe, etwa bei dem Kiebitzprojekt, räumt Gemballa ein. Insgesamt aber falle die Zwischenbilanz durchaus positiv aus, wie projektbegleitende Untersuchungen durch Biologen inzwischen bestätigten. So hätten die Maßnahmen dazu geführt, dass zum Beispiel wieder häufiger Agrarvogelarten wie Braunkehlchen, Grauammer, Schafstelzen und Feldlerche zu beobachten seien, sagt der Landwirt. Regelmäßige Feld–Untersuchungen hätten gezeigt, dass sich mehrere Laufkäferarten, aber auch Schwebfliegen, viele Schmetterlingsarten, Hummeln und Wildbienen wieder ansiedelten.

In den Blühstreifen wimmelt es von Insekten

Gemballa sagt, mit dem Verzicht auf Pflanzenschutzmitteln allein sei es nicht getan. Im Grund könnte jeder Agrarbetrieb etwas für den Artenschutz tun und überlegen, welche Art von Maßnahmen für seine Flächen am besten geeignet seien. „Ich würde empfehlen, erst einmal mit kleinen Schritten anzufangen, die wirtschaftlich nicht besonders weh tun, zum Beispiel mit dem Anlegen von Insektenwällen.“

Die sogenannten „Beetle banks“, die Gemballa auf einer vergleichsmäßig kleinen Fläche von 1,8 Hektar mit dem Pflug zu etwa 50 Zentimeter hohen Erdwällen aufrichten ließ, bewähren sich seit zwei Jahren. In den Blühstreifen wimmele es regelrecht von Insekten, die dann in Wällen ihre Eier ablegten. Die daraus schlüpfenden Larven dienten vielen Tieren als Nahrung, etwa dem Rebhuhn. Zugleich böten die Dämme Deckung für Eidechsen und Feldhasen.

Was sind Erbsenfenster?

Gute Erfahrungen machten die Mitarbeiter der Agrargesellschaft auch mit sogenannten Erbsenfenstern. „Das sind mindestens 40 mal 40 Meter große Flächen mitten in Getreideschlägen, auf denen im Frühjahr Erbsen ausgesät werden.“ Sie entwickelten gute Wirkung zum Beispiel auf Feldlerchen, Kiebitze und Feldhasen. Zudem sei auf diesen Flächen die Ernte möglich, wenngleich die Bewirtschaftung aufgrund der Lage mitten im Schlag schwierig sei, sagt Gemballa.

Doch das F.R.A.N.Z.-Projekt, das jeden Naturschutz–Hektar jährlich mit bis zu 1000 Euro fördert, läuft voraussichtlich 2026 aus. Wie es danach weitergeht, geschweige denn inwiefern weitere Agrarfirmen eingebunden werden könnten, ist derzeit offen. „Wir hoffen, dass es danach eine privatrechtliche Lösung geben wird, mit der das Projekt weiter finanziert wird“, sagt der Landwirt.

Doch es stehe angesichts der angespannten finanziellen Situation auf Bundesebene zu befürchten, dass derartige Initiativen nicht weitergeführt werden. „Das wäre im Sinne des Artenschutzes, sehr schade, aber letztendlich hängt das vom politischen Willen ab.“