Brandschützer ziehen Bilanz
Eine Feuerwehr zwischen Festival–Stimmung und Horror–Szenario
Tutow / Lesedauer: 5 min

Stefan Hoeft
Das Corona–Virus hat zwar für mehrere Lockdowns und damit zwischendurch auch mal für etwas Entspannung an der Brandschutz–Front gesorgt. Doch insgesamt betrachtet war von Ruhe für die Tutower Feuerwehr in den vergangenen drei Jahren nicht all zu viel zu spüren. Das verdeutlichte die jüngste Hauptversammlung der Löschtruppe, die eben wegen der Pandemie die erste seit 2020 war. „Es ist vieles leider den Bach runter gegangen, die Kameradschaft ist fast zum Erliegen gekommen“, erinnerte Wehrführer Mathias Kunicke an die Zeit der Kontaktverbote und anderer Sicherheitsauflagen. Aber der Neustart im vergangenen Frühling und Sommer wecke die Hoffnungen, dass die alte Normalität wieder zurückkehre.

Einsatzbereitschaft ist auch tagsüber gegeben
Momentan zähle die aktive Gruppe 24 Mitglieder, was fünf weniger als vor drei Jahren sind. Hinzu kommen zwei Feuerwehrleute mit sogenannten Doppelmitgliedschaften. „Besonders wichtig ist es, eine Einsatzgruppe tagsüber unter der Woche zu gewährleisten. Wir kriegen es immer gerade noch hin.“ Zwei Kameraden agieren in der Reserveabteilung und sieben in der Ehrenabteilung, während die Nachwuchs–Truppe ein Dutzend Kinder und Jugendliche zählt. Von letzteren würden schon 2023 zwei in den regulären Dienst aufrücken, so die freudige Botschaft.
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Dass es dort langweilig werden könnte, diese Gefahr besteht mit Blick auf die Ausrückebilanz der Tutower, die seit Jahrzehnten auch die Sicherstellung des Brandschutzes in der Nachbarkommune Bentzin gewährleisten, wohl nicht. Wobei es gerade auswärts verhältnismäßig viel zu tun gibt, wie Kunicke vorrechnete, lediglich zwischen 10 und 15 Prozent der Einsätze entfielen auf das eigene Gemeindegebiet.

Orkantiefs führen mit zu neuem Rekord
Zwar kam 2020 mit 7 Feuern und 15 Hilfeleistungen nur eine unterdurchschnittliche Zahl an Alarmierungen zusammen. Doch das lag wohl insbesondere am ersten Corona–Lockdown. Im Folgejahr jedenfalls rückten die Männer und Frauen in den roten Blaulicht–Wagen bereits wieder zu 19 Hilfeleistungen und 13 Bränden aus, 2022 wies die Statistik mit 38 Hilfeleistungen und 14 Feuern sogar einen neuen Höchstwert in der Historie auf. Der alte lag bei insgesamt 43 Alarmierungen innerhalb von zwölf Monaten, stammte von 2015 und war ebenfalls ein klarer Ausreißer. Mit mehr als zwei Dutzend einen gewichtigen Anteil am neuen Rekord machten die zahlreichen Einsätze während und in Folge der beiden Orkantiefs im Januar/Februar aus.

Sicherheit bei Veranstaltungen
Hinzu kamen gleich fünf Aufpasser–Jobs bei großen Veranstaltungen auf dem Flugplatzgelände am Ortsrand. Die Besucherscharen zwischen 750 und über 4000 Personen bedeuteten und den Tutowern schon mal die Bezeichnung Festival–Feuerwehr einbrachten. Dabei gab es außerhalb dieser Dienste so einige Ereignisse in den vergangenen drei Jahren, die alles andere als spaßig waren und teils bis heute nachhallen. Ganz vorne der verheerende Brand in der Schweinezucht Alt Tellin im Frühjahr 2021 und der kurz darauf beim Reiterhof in Neu Plestlin. Ebenfalls zu Hilfe gerufen wurden die Tutower, als das Sägewerk in Loitz in Flammen stand und ein Kesselwagen in Demmin entgleiste. Psychisch keine einfache Aufgabe stellte zudem die Bergung von zwei Toten aus der Peene und einem Teich dar.
Einsatz in Vollschutzanzügen
Szenen wie aus einer anderen Welt, die den meisten anderen Kollegen in Vorpommern so erspart blieben, erlebte die ehrenamtliche Löschtruppe hingegen gleich zu Beginn der Corona–Pandemie 2020: Im April kam es im Friedrich–Onnasch–Haus, mit 130 Plätzen eines der größten Alten– und Pflegeheime des Nordostens, zu einem massiven Covid–19–Ausbruch — mit am Ende über 30 Infizierten und mutmaßlich daraus resultierenden mehreren Todesfällen. Plötzlich stand die Siedlung an der B 110 als Epizentrum der Seuche da, rückten zusammen mit den Behörden und der örtlichen Feuerwehr auch das THW und Berufsfeuerwehrkräfte aus Greifswald an, um unter Vollschutzanzügen eine Kohorten–Selektierung vorzunehmen. „Die Bilder ähnelten einem Science–Fiction–Roman“, beschrieb Mathias Kunicke die Situation, die Bilder und Geräusche von damals hätten sich ihm stark eingeprägt.
Bürgermeister danken
Einiges zu erwähnen gab es auch abseits des Einsatzgeschehens, wie etwa zum Gerätehaus. Da war zum einen ein Einbruchsdiebstahl mit beträchtlichem Sachschaden, vor allem aber ein ein Renovierungsprojekt mehrerer Mitglieder. Sie verpassten dem Versammlungsraum ein völlig neues und modernes Antlitz, sparten der Kommune mit ihrem handwerklichen Geschick dabei erhebliche Ausgaben. Den Dank für all das ehrenamtliche Engagement der Löschtruppe überbrachten sowohl der amtierende (Holger Schultz) als auch der designierte (Henry Fennert) Bürgermeister, ebenso wie ihre Kollegin aus Bentzin, Grit Gawrich.
Personelle Veränderungen
Neben der Beförderung von Kevin Heiden, Robert Jamm und Lukas Knop zum Oberfeuerwehrmann galt es bei der Hauptversammlung allerdings auch Abschied zu nehmen. Der stellvertretende Wehrführer Sebastian Dietze nämlich, seit 2014 in dieser Funktion, streicht der Liebe und des damit verbundenen Wohnortwechsels ins Mecklenburgische wegen die Segel. Er galt gerade in der jüngeren Vergangenheit als Garant für die Einsatzfähigkeit der Tutower Löschtruppe und wichtiger Ansprechpartner für die Bürgermeister. Zum Nachfolger bestimmten die Kameraden nun ohne Gegenstimme Gunnar Franck, einen altgedienten Hasen und bisherigen Chef der Nachwuchsausbildung. Statt seiner übernimmt Anne–Sophie Scharf das Zepter bei der Jugendwehr, als Stellvertreter zur Seite steht ihr dabei Robert Jamm.