Unverpackt-Laden Greifswald
Einkaufen ohne Verpackungsmüll bald auch in Vorpommern?
Greifswald / Lesedauer: 5 min

Philipp Schulz
Auf dem Greifswalder Markt steht vor einem Pavillon ein Tisch. Auf ihm sind viele verschiedene Sachen drapiert – selbst genähte Taschen aus verschiedenen Stoffen, bunte Bienenwachstücher, Gläser ohne Etikett, nur versehen mit einem Klebezettel auf dem Deckel: Kräutertee, Cashewnüsse und andere Sachen. Neben dem Tisch steht eine Holzkonstruktion, die einen gläsernen Spender hält, gefüllt mit Haferflocken. Darunter steht eine kleine Schiefertafel mit einer guten Erklärung für das vielfältige Sortiment: „Unverpackt in Greifswald“. Nicht nur hinter dem Tisch, sondern auch hinter der Idee stehen Philippe Schäfer und Ester Strohmer. Das Paar lebt seit 2018 in Greifswald. Eigentlich sind die beiden zum Studieren hergekommen, doch nun verfolgen sie einen anderen Plan: Das Paar will einen Laden eröffnen, den der Kunde ganz ohne Verpackungsmüll verlassen kann. „Uver – der Unverpackt-Laden am Meer“ soll er heißen.
Leute können mit Beuteln, Dosen, Gläsern kommen
Davon gibt es erst eine Handvoll in MV. In Vorpommern wäre es der erste seiner Art. Doch noch ist es nicht so weit. Erst wollen die beiden die Greifswalder mit dem Konzept vertraut machen, denn vieles soll ihren künftigen kleinen Laden von einem normalen Einkaufserlebnis unterscheiden. Von einem Einkaufserlebnis „wie in einem Tante-Emma-Laden“, spricht Schäfer, der Umweltnaturwissenschaft studiert. Die Eröffnung ist für Ende des Jahres geplant. Aktuell suchen beide nach passenden Räumen.
Das Sortiment wird für den Kunden so zur Verfügung stehen, dass kein weiterer Müll entsteht. Kosmetika und Shampoos etwa kommen gehärtet und nicht in Plastikflaschen. Reis, Nudeln, Hartweizen und Haferflocken sind frei portionierbar. Gleiches gilt für Gewürze oder Öle, die einfach abgefüllt werden können. „Die Leute können mit Beuteln, Tupperdosen oder auch Gläsern zu uns kommen und die Sachen direkt abfüllen“, erklärt Philippe Schäfer. Seine Freundin ergänzt: „Wir werden einfach arbeiten. Statt zehn wird es zum Beispiel nur drei Reissorten geben, die sind dann aber gut.“
In ganz Deutschland rund 100 Unverpackt-Läden
Alte Gläser können Kunden auch zum Laden bringen. Nachdem sie desinfiziert wurden, können sie von anderen Kunden zum Transport genutzt und wieder zurückgebracht werden – die beiden Gründer setzen auf Vertrauen und Gemeinschaft.
„Zero waste“, zu Deutsch etwa „Null Abfall“ oder „keine Verschwendung“, nennt sich das Konzept hinter dieser Art von Einkauf. Gerade mal rund einhundert Unverpackt-Läden in Deutschland listet etwa der Naturschutzbund „NABU auf seiner Internetseite. Sie alle sind in den vergangenen sechs Jahren entstanden. Im selben Zeitraum stagnierte der Verbrauch im Punkt Haushaltsabfälle bei den Deutschen. Laut Statistischem Bundesamt fallen pro Einwohner durchschnittlich zwischen 453 (2013) und 462 (2016 und 2017) Kilogramm Haushaltsabfälle im Jahr an. Dazu zählen neben Hausmüll unter anderem auch Sperrmüll, Bioabfälle und getrennt erfasste Wertstoffe wie Glas, Pappe und Holz.2018, im letzten Erhebungszeitraum, waren es 455 Kilogramm, davon lag der Hausmüll durchschnittlich bei 157 Kilogramm pro Person. Hier in Mecklenburg-Vorpommern hat im Jahr 2018 ein Einwohner 438 Kilogramm Haushaltsabfälle produziert, davon 229 Kilogramm Haus- und Sperrmüll.
Nach neun Tagen steht die Hälfte der Finanzierung
Ester Strohmer erklärt die Vorteile eines Einkaufs im Unverpackt-Laden: „Wer sich unsicher ist, kann erst mal nur eine kleine Portion einkaufen und probieren. Auf der anderen Seite laden wir alle ein, auch ihren Monatsbedarf bei uns zu decken.“ Denn auch die Papiersäcke mit zehn Kilo Nudeln sind verkäuflich – Mengenrabatt inklusive.
Um ihren Traum von der eigenen Gründung zu verfolgen, hängen sich beide richtig rein: Das Paar hat Ende August ein Existenzgründerseminar in Neubrandenburg besucht. Ester Strohmer studiert eigentlich Psychologie an der Fernuni Hagen, will sich aber zunächst auf den Laden konzentrieren und hat deshalb ein Urlaubssemester eingeschoben. Im Internet sammeln die beiden Geld. 20.000 Euro wollen sie über „Crowd-
funding“, also Kleinspenden, sammeln. Im Internet können Menschen Geld für das Konzept der beiden Greifswalder spenden. Erst wenn die Marke von 20.000 Euro erreicht ist, wird das Geld auch ausgezahlt – alles oder nichts. Die Aktion läuft seit dem 21. August. 33 Tage lang können Unterstützer des Konzepts Geld einzahlen. Nach nur neun Tagen war schon mehr als die Hälfte zusammen. Aktuell sind es fast 15 000 Euro, die durch rund 260 Unterstützer gespendet wurden.
Ware möglichst aus der Region
Beide wollen jedoch nicht nur Geld nehmen – für die Spende gibt es auch etwas, beispielsweise einen Gutschein für den ersten Einkauf oder einen Workshop. Denn Letzteres wollen die beiden ebenfalls in dem Laden anbieten. „Zero waste“ und Selbstmach-Projekte, beispielsweise das Herstellen von Bienenwachstüchern, sollen dann Themen sein.
Wie ernst beide es meinen, wird klar, sobald sie über den ökologischen Fußabdruck sprechen. Denn auch wenn das Einkaufen für den Kunden verpackungsfrei sein wird – für einen ganzen Laden funktioniert das nicht immer. Händler verpacken ihre Waren für den Transport, liefernde Laster produzieren Schadstoffe. Deswegen wollen beide möglichst regional bleiben. Gerade, wenn es um Obst und Gemüse im Sortiment geht.
Das ist aber noch Zukunftsmusik. Wenn die Finanzierung steht, wissen beide auch, wie breit das erste Sortiment sein wird, wie die erste Ausstattung des Landes aussehen kann.
Link zum Crowdfunding von "Uver":www.startnext.com/uver