DFB-Verbot

Fußball-Rebellin aus Anklam will unbedingt im Männerteam spielen

Anklam / Lesedauer: 7 min

Frauen und Männer in einem Team – im Deutschen Amateur-Fußball undenkbar. Warum eigentlich? Das fragt sich Fußball-Talent Lea Krüger und streitet für eine Sondergenehmigung.
Veröffentlicht:11.06.2022, 16:28

Von:
  • Dennis Bacher
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Frauen haben im Männerfußball nichts auf dem Platz verloren – das schreibt der DFB vor. Die Anklamerin Lea Krüger vom frischgebackenen Landesklasse-Aufsteiger SV Murchin/Rubkow ist anderer Meinung und kämpft dafür, an der Seite ihrer männlichen Mitspieler auflaufen zu dürfen. Reporter Dennis Bacher sprach mit der 22-Jährigen über ihre Zeit beim VfL Wolfsburg, unangenehme Situationen in der Kabine, veraltete Strukturen in den Verbänden, Vorurteile auf dem Platz, Geschlechterrollen, Birgit Prinz und ihren großen Traum, am 1. Spieltag der kommenden Saison auf dem Platz zu stehen.

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Frau Krüger, weil Sie eine Frau sind, dürfen Sie in Deutschland nicht am Männerfußball partizipieren. Was stört Sie an dieser Regel?

Meiner Meinung nach sollte lediglich der Trainer einer Mannschaft darüber entscheiden dürfen, welche Person seinem Team weiterhelfen kann – und welche eben nicht. Und wenn der Trainer davon überzeugt ist, dass es sich dabei um eine Frau handelt, dann verstehe ich nicht, wo genau das Problem liegen soll.

Im Herbst 2020 stellten Sie einen Antrag beim Fußballverband-Vorpommern-Greifswald. Worum ging es?

Ich beantragte eine Sondergenehmigung, um als Frau am Spielbetrieb der Männer teilzunehmen. Ich bin der Meinung, dass dies im Einzelfall möglich sein sollte. In den Niederlanden ist es Männern und Frauen seit dieser Saison erlaubt, Seite an Seite zu spielen, wenn sie denn möchten. In Dänemark geht das auch. Nur hier in Deutschland scheint es sich dabei offenbar um ein Ding der Unmöglichkeit zu handeln. Das finde ich schade.

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Was reizt Sie persönlich am Männerfußball?

Es macht mir einfach mehr Spaß. Ich habe festgestellt, dass ich an der Seite von Männern sehr viel motivierter auftrete.

Bis vor zwei Jahren waren Sie noch für den VfL Wolfsburg in der 2. Frauen-Bundesliga aktiv. Was fehlte Ihnen dort?

Zwischenmenschlichkeit. Dort, in Wolfsburg, waren wir eine zusammengewürfelte Truppe, mit Spielerinnen aus allen Teilen Deutschland, und hatten nicht viel gemeinsam. Sicherlich kann es im Frauenfußball auch familiär zugehen – in Wolfsburg passte es für mich aber überhaupt nicht.

Stattdessen wechselten Sie zu den Männern des SV Murchin/Rubkow zurück in Ihre Heimat. Warum?

Ich halte den gesamten Verein für sehr sympathisch – das würde ich auch sagen, wenn ich hier nicht spielen würde (lacht). Hier treffe ich auf Menschen, mit denen ich auch nach dem Fußball gerne noch Zeit verbringe. Mein Bruder, mein Cousin und sogar mein Freund spielen hier. An den Wochenenden nimmt sich die gesamte Familie Zeit für unsere Spiele. Ich bin ein absoluter Familienmensch und fühle mich hier wie zuhause. Ehrlich gesagt habe ich keine Lust, mir dieses Gefühl nehmen zu lassen oder es nicht weiter ausbauen zu können.

Ein Einsatz bei Meisterschaftsspielen Ihrer Mannschaft ist Ihnen nicht gestattet. Testspiele und Trainingseinheiten sind erlaubt. Gab es dabei jemals Probleme im Bezug auf Ihr Geschlecht?

In der Regel findet im Vorfeld ein kurzer Austausch zwischen beiden Teams und dem Schiedsrichter statt. Bislang hatte noch niemand ein Problem mit meinem Einsatz. Die einzigen Personen, die etwas dagegen haben, sind diejenigen, die darüber entscheiden können. Dabei handelt es sich leider oft um ältere Menschen, die am liebsten gar nichts ändern wollen.

Ist Ihnen der Name Birgit Prinz ein Begriff?

Ich habe sie sogar schon einmal persönlich getroffen. Das war 2018 bei einem Sichtungsturnier in Duisburg. Damals wollte sie sich wohl einen Eindruck vom weiblichen Nachwuchs in Deutschland verschaffen.

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2003 schlug die damals 26-jährige deutsche Nationalspielerin eine Offerte des italienischen Erstligisten AC Perugia aus, der sie verpflichten wollte – wohlgemerkt für sein Männerteam. Wünschten Sie sich, dieser Wechsel wäre damals zustande gekommen?

Ich glaube nicht, dass dieser Wechsel etwas an meiner Situation geändert hätte. Ich bin der Meinung, dass die körperlichen Unterschiede zwischen Männern und Frauen im Profifußball viel zu groß sind. Generell halte ich es daher für sinnvoll, wenn Mannschaften im Sport nach Geschlechtern getrennt werden.

Ist das im Amateurbereich anders?

Bis zu einem gewissen Punkt bin ich als Frau durchaus in der Lage, mit den Männern mitzuhalten. Das kann ich aus eigener Erfahrung sagen. Noch mal: Es geht mir lediglich um ein Sonderspielrecht für den Einzelfall. Keiner verlangt, dass plötzlich alle Frauen bei den Männern spielen müssen. Wir sprechen doch längst über Gleichberechtigung in allen Bereichen – da sollte mein Wunsch doch eine Kleinigkeit sein.

Auf welche Vorbehalte stoßen Sie als Frau auf dem Fußballplatz?

Viele Leute sind der Meinung, dass es für mich in der Kabine wohl zu unangenehmen Situationen kommen muss. Das ist aber kompletter Schwachsinn. Im Nachwuchsbereich ziehen sich pubertierende Mädchen und Jungen regelmäßig nebeneinander um – ohne Probleme. Aber erwachsene Personen sollen dazu nicht in der Lage sein? Das will mir nicht in den Kopf gehen.

Mussten Sie persönlich unangenehme Situationen in der Kabine oder auf dem Platz ertragen?

Nein, blöde Sprüche gibt es eigentlich nur im Internet. In der Kabine habe ich keine Probleme. Tatsächlich verfügen die meisten Vereine sogar über mehrere Umkleiden. Zur Not warte ich aber auch gerne, bis eine Kabine frei ist.

Wie reagierte der Fußballverband im Herbst 2020 auf Ihren Antrag?

Nur mit einem kurzen Fünfzeiler und dem Verweis auf das Verbot. Dabei gaben sich Philipp (Wegner, d. Red.) und Dirk (Reishaus) aus unserem Vorstand sehr viel Mühe. Ehrlich gesagt bin ich mir gar nicht sicher, ob es überhaupt gelesen wurde.

Der Landesfußballverband gibt Ihnen bei seinem nächsten Verbandstag im September die Möglichkeit, Ihr Anliegen vorzubringen. Erhoffen Sie sich davon Erfolg?

Ich werde gemeinsam mit Leuten aus meinem Verein hinfahren und dann gucken wir mal, was passiert. Es wäre schön, wenn sich endlich jemand ernsthaft mit meinem Anliegen beschäftigen würde. Seit einiger Zeit stehe ich in Kontakt mit Ulrike (Balzer, Vorsitzende Frauen- und Mädchenfußball beim LFV). In diesen Gesprächen fühle ich mich verstanden – das macht Hoffnung. Es wären ja eigentlich auch nur drei Zeilen in der Satzung, die geändert werden müssten.

Frau Krüger, der SV Murchin/Rubkow steigt zur neuen Saison in die Fußball-Landesklasse auf. Hat die Mannschaft Ihrer Meinung nach das Zeug für diese Spielklasse?

Definitiv! Im Vergleich zu den vergangenen Saisons ist die Mannschaft in diesem Jahr sehr stark unterwegs. Den Aufstieg haben sich alle im Verein mehr als verdient.

Trauen Sie sich persönlich einen Einsatz in dieser Spielklasse zu?

Ich war für meinen Verein bereits bei Testspielen gegen Teams aus der Landesklasse im Einsatz. Das hat funktioniert. Klar, ab der Landesliga dürfte es für mich etwas schwierig werden, aber so weit sind wir ja auch noch nicht (lacht).

Ihr Wunsch für die nächste Saison?

Am ersten Spieltag auf dem Platz zu stehen – das wäre geil.

Angenommen, Ihr nächster Antrag auf Spielerlaubnis wird erneut abgelehnt ...

... dann stelle ich noch einen – so lange, bis es funktioniert. Sicher liegt noch ein bisschen Arbeit vor mir. Ich bin aber erst 22. Ein bisschen Zeit habe ich ja noch.