Finanzen

Gemeinden in Vorpommern sollen Geld zurückbekommen

Anklam / Lesedauer: 5 min

25 Millionen Euro Überschuss hat der Kreis Vorpommern–Greifswald 2022 erwirtschaftet. Das könnte eine gute Nachricht für Bürger und Gemeinden sein. Doch so einfach ist es nicht.
Veröffentlicht:31.03.2023, 08:23

Von:
  • Author ImageCarsten Schönebeck
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Flüchtlinge, Pandemie, Gasmangel — wenn es ernst wird in der Politik, bleiben die Probleme häufig an den Landkreisen hängen. Kein Wunder also, dass im Kreis Vorpommern-Greifswald die Ausgaben seit Jahren steigen – zuletzt drastisch.

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So viel sparen die Kommunen. (Foto: Grafik NK)

Knapp 520 Millionen Euro wurden alleine im Jahr 2022 von der Riesen-Behörde ausgegeben. Zum Vergleich: 2016 waren es noch etwa 370 Millionen Euro. Und dennoch hatten Landrat Michael Sack und sein für Finanzen zuständiger Vize Dietger Wille (beide CDU) in dieser Woche gute Nachrichten zu verkünden. Ein sattes Plus im Jahresabschluss und, vielleicht noch wichtiger: Die Altschulden sind getilgt. 

Ansage aus Schwerin: Sparen, bis es quietscht!

Damit könnte einem Großteil der Gemeinden in wenigen Monaten eine Art Geldregen ins Haus stehen. Geld, das zum Beispiel für marode Kitas und Schulen, für die Feuerwehren und Gemeindehäuser dringend gebraucht würde. Wenn es denn tatsächlich so kommt. Denn die Spitze der Kreisverwaltung machte in dem Zusammenhang auch deutlich: Ganz so leicht werde das alles nicht.

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Beim Landkreis wird über die Geldverteilung diskutiert. (Foto: Archiv)

Als der Landkreis Vorpommern-Greifswald vor mehr als elf Jahren in einer häufig kritisierten Gebietsreform am Reißbrett in Schwerin entstanden war, startete das Verwaltungskonstrukt nicht nur mit vielen strukturellen Problemen, sondern auch noch mit einer echten Hypothek. Die Vorgänger-Kreise Ostvorpommern und Uecker-Randow brachten etwas mehr als 100 Millionen Euro an Schulden in die politische Zwangsehe ein.

Sondersteuer für die Altschulden

Die Folge: Eine wirtschafts- und strukturschwache Region musste jahrelang drastisch sparen. Oft dort, wo es den Bürgern besonders weh tut. Bei Straßensanierungen, im Radwegebau, bei Sozialberatung und Bürgernähe der Ämter. Und auch die Gemeinden wurden in Haftung genommen. Mit generell hohen Umlagen, die aus den Gemeindekassen ans Greifswalder Landratsamt flossen.

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Finanzdezernent Dietger Wille (Foto: Philipp Schulz)

Und mit einer Art Sondersteuer für die Begleichung der Altschulden: der sogenannten Altfehlbetragsumlage. Die mussten alle Kommunen zahlen, die einst zu den verschuldeten Vorgänger-Kreisen gehörten. Ausgerechnet das reiche Greifswald war also beispielsweise fein raus. Und die meisten der betroffenen Gemeinden waren selbst verschuldet und finanziell jahrelang handlungsunfähig.

Ein paar Tausend Euro pro Jahr

Diese Umlage, das kündigte Landrat Sack nun an, solle möglichst bald wegfallen. „Eine entsprechende Vorlage soll beim nächsten Kreistag im Mai behandelt werden.“ Mehr noch: Was bis dahin zu viel an Geld eingenommen wurde, soll zurück an die Gemeinden fließen.


Die genaue Höhe der Summen für die einzelnen Gemeinden hängt von Einwohnerzahlen und wirtschaftlichen Eckdaten ab. In kleineren Orten sind es aufs Jahr gerechnet meist ein paar Tausend Euro, für die Mittelzentren deutlich mehr.

Wie gewonnen, so zerronnen …

Doch die Freude könnte von kurzer Dauer sein: Trotz der guten Eckwerte im Landkreis denkt man dort schon über andere Wege nach, zusätzliche Einnahmen zu generieren. Er erwarte in den nächsten Monaten schwierige Verhandlungen über die Finanzen im Kreistag und mit den Gemeinden, erklärte jedenfalls Finanzdezernent Wille: „Die Liste der Wünsche ist immer länger als das, was tatsächlich bezahlt werden kann. So ist das in der Politik.“ Dass am Ende zwar die Sonderumlage wegfällt, die normale Kreisumlage aber im Gegenzug steigen könnte, schloss man in dieser Woche jedenfalls nicht ganz aus.

Wie passt das mit den jüngsten Zahlen zusammen, nach denen der Kreis 2022 rund 25 Millionen Euro Überschuss erwirtschaftet hat? Wille verweist auf einige Sondereffekte. Bestimmte Zahlungen des Landes etwa, die noch vor Jahresende kamen, aber mit denen man eigentlich erst dieses Jahr gerechnet hatte. Tatsächlich hatte Landrat Sack noch im Herbst vor einer Art Zahlungsunfähigkeit des Kreises gewarnt und sich zusätzliche Ausgaben in Millionenhöhe genehmigen lassen. Das drastische Signal kam in Schwerin offenbar an.

Noch rund 50 Millionen Euro Schulden

Hinzu kommt, dass der Kreis zwar seine Altschulden getilgt hat, aber bereits auf einem Haufen neuer sitzt. Denn auch in den ersten Jahren nach der Kreisgebietsreform arbeitete die Verwaltung alles andere als kostendeckend. Auch wenn das durch strenge Sparpläne inzwischen anders aussieht: Rund 50 Millionen Euro an Schulden aus diesen Jahren sind noch zu bezahlen. 

„In der Summe glaube ich nicht, dass die damalige Reform den wirtschaftlichen Erfolg gebracht hat, den man sich erhofft hatte“, so Wille. Die Verwaltung arbeite inzwischen gut, aber bei rund 1200 Vollzeitstellen an drei Standorten im drittgrößten Landkreis der Republik gebe es eben „einen hohen Steuerungsbedarf und lange Wege innerhalb der Verwaltung.“ 

Zudem hatte sich das Land in den vergangenen Jahren immer wieder Schuldenhilfen abtrotzen lassen. Rund zwei Drittel der Altschulden seien über die Jahre damit bezahlt worden. Mit solchen Sonderzahlungen aus Schwerin rechnet man vorerst nicht mehr in Landratsamt. Dafür aber mit weiter steigenden Ausgaben — unter anderem für die Unterbringung von Flüchtlingen und zusätzliche Aufgaben, die Bund und Land an die Kreise delegieren.