StartseiteRegionalAnklamHunger — junge Hündin nagt sich durch Garagentür

Vernachlässigt

Hunger — junge Hündin nagt sich durch Garagentür

Alt Tellin, Tutow / Lesedauer: 4 min

Großes Hunde-Elend: Erst als sich in Alt Tellin ein Mischling aus seinem Gefängnis befreite, wurde sichtbar, dass er fast verhungert wäre. Ein Artgenosse musste eingeschläfert werden.
Veröffentlicht:03.06.2023, 06:27

Artikel teilen:

Wie lange genau, können auch die Nachbarn nicht sagen, die Rede aber ist von einigen Wochen. Über diese Spanne soll ein junger Herdenschutzhund–Mischling in einer kleinen Autogarage gehalten worden sein — unter widrigsten Bedingungen. Der noch aus DDR–Zeiten stammende Komplex mit den massiven Fahrzeug–Unterstellmöglichkeiten befindet sich neben dem 24–WE–Block in Alt Tellin, in dem die mutmaßlichen Besitzer des Tieres wohnen. Sie hatten die Garage offensichtlich zum Zwinger umfunktioniert und ihren vierbeinigen Zögling dort weitgehend sich selbst überlassen.

Kein Futter? Kein Auslauf? 

Tagsüber jedenfalls scheint nicht zu beobachten gewesen zu sein, dass er Auslauf oder Futter erhielt, schilderten Anwohner dem Nordkurier. Verbunden mit der Aussage, dass dort vermutlich auch eine Bulldogge eingesperrt war, zumindest zeitweise.

Mit Pfoten und Zähnen in die Freiheit gekämpft: Es ist kaum zu glauben, dass es der Herdenschutzhund-Mischling durch dieses kleine Loch im Garagentor nach draußen geschafft hat. 
Mit Pfoten und Zähnen in die Freiheit gekämpft: Es ist kaum zu glauben, dass es der Herdenschutzhund-Mischling durch dieses kleine Loch im Garagentor nach draußen geschafft hat.  (Foto: Stefan Hoeft)

Zwar bemerkten die Leute, dass der Herdenschutz–Mix ein Loch in die Unterkante der dicken Holztür kratzte und nagte, dort seine Schnauze und eine Pfote heraussteckte. Doch dass ihn offenbar die Not dazu getrieben hatte, stellten sie erst fest, als die Öffnung so breit war, dass sich die Hündin diese Woche mit vermutlich letzter Kraft hindurchzwängen konnte und so plötzlich im Freien stand.

Tierhof–Mitarbeiter: „Da kann man die Rippen zählen“

Im Normalfall hätte ein Exemplar dieser Rasse selbst in seinem geschätzten Alter von erst neun bis zwölf Monaten nicht durch so einen engen Spalt gepasst. Der Tierhof Wolgast, bei dem die Hündin untergekommen ist, geht davon aus, dass sie schon lange nur noch wenig bis gar kein Futter erhalten hat. „Die ist so abgemagert, da kann man ja die Rippen zählen. Die Hüftknochen stehen weit raus“, berichtete Kerstin Nowitzki von dem Verein, der für die Aufnahme von Fundtieren aus dem Amtsbereich Jarmen–Tutow verantwortlich zeichnet. Um den Organismus nicht zu überfordern, könnten erst mal nur kleine Portionen verfüttert werden.

In dem Garagenkomplex neben dem Alt Telliner 24-WE-Block hat sich ein tierisches Drama abgespielt, das auch das kreisliche Veterinäramt auf den Plan rief.
In dem Garagenkomplex neben dem Alt Telliner 24-WE-Block hat sich ein tierisches Drama abgespielt, das auch das kreisliche Veterinäramt auf den Plan rief. (Foto: Hoeft)

 Hundehaltungsverbot wird geprüft

Auch das kommunale Ordnungsamt und Amtstierarzt Dr. Gunter Pannwitz vom Veterinäramt des Landkreises Vorpommern–Greifswald waren in Alt Tellin vor Ort, um den Hund und sein vorheriges Gefängnis in Augenschein zu nehmen. Die besagte Bulldogge indes konnten sie nicht entdecken, ihr Verbleib scheint momentan unklar.

Zwar läuft das Verfahren um die offenbar nicht artgerechte Haltung noch, aber Bürgermeister Frank Karstädt geht davon aus, dass den Haltern der Hundebesitz bald untersagt wird, wie er am Donnerstagabend in der Gemeindevertretersitzung erklärte. Den Herdenschutz–Mischling zumindest bekommen sie nicht wieder, er soll durch den Tierhof in bessere Hände vermittelt werden, hieß es aus Wolgast. Landkreis–Pressesprecher Florian Stahlkopf bestätigte auf Nordkurier–Anfrage: „Derzeit wird ein Hundehaltungsverbot geprüft." 

Abgemagerten Weimaraner eingefangen

Angefangen hatte die Geschichte allerdings schon weit früher, wie das Dorfoberhaupt berichtete. Denn die Personen, die nun im Blickpunkt der Ermittlungen stehen, wollten eine zweite Wohnung in dem 24–WE–Block mieten. Doch nach Informationen der lokalen Verwaltung seien dort damals nur die zwei großen Hunde untergebracht gewesen. Was umgehend untersagt wurde, so Karstädt. Daraufhin hätten die Besitzer dann vermutlich auf die Garage als Ausweich–Quartier zurückgegriffen — mit den nun bekannt gewordenen Folgen. 

Im übrigen war dies längst nicht der einzige Fall vernachlässigter Hunde im Jarmener Amtsbereich, der die Behörden und ehrenamtlichen Helfer in dieser Woche beschäftigte. Denn der Tierrettung Vorpommern–Greifswald wurde nahe der Peenestadt in Richtung Autobahnauffahrt vormittags ein großer freilaufender Weimaraner gemeldet, der sich ziemlich abgemagert zeigte. Der Rüde konnte eingefangen werden und wartet nun ebenfalls beim Wolgaster Tierhof auf bessere Zeiten.

Dackel–Mischling ist  nicht zu retten

Leider nicht bis dorthin geschafft hat es hingegen ein kleiner Dackel–Mischling, den Leute am gleichen Tag im nahen Tutow aufgriffen. „Der war in so einem schlechten Zustand, so einen Hund habe ich selten gesehen. Nach unserer Auffassung hat der schon lange kein Futter mehr bekommen“, schilderte Tierrettung–Vorstandschef Klaus Kraft.

Statt des Standardgewichts von elf bis zwölf Kilogramm habe dieses Exemplar rund fünf Kilo weniger gewogen. Darüber hinaus war er blind, völlig verfloht und mit kahlen Stellen versehen. „Der muss Schmerzen gehabt haben ohne Ende.“ Zwar gab die Tierrettung ihn an eine erfahrene Frau vom Verein „Zweite Chance für Hunde“, um ihn möglichst wieder aufpäppeln zu lassen, doch das kam zu spät: Der kleine Mischling musste tags darauf eingeschläfert werden, um ihn von seinen Leiden zu erlösen. Die Halterin aus Tutow sei bekannt, so Kraft, und es werde vermutet, dass auch der Weimaraner aus ihrem Zwinger stammt.