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Bildung

Inklusionszwang in MV - Vorpommern schließt Förderschulen 2027

Anklam / Lesedauer: 4 min

Förderschulen in Vorpommern-Greifswald sollen durch inklusive Beschulungsformen ersetzt werden. Eltern und Schüler fühlen sich benachteiligt und fordern mehr Mitsprache.
Veröffentlicht:16.03.2023, 17:08

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Die vom Land Mecklenburg-Vorpommern beschlossenen inklusiven Beschulungsformen kommen in großen Schritten auch auf den Landkreis Vorpommern-Greifswald zu. Die Sorgen der betroffenen Eltern und Schüler nehmen zu. Im Sommer 2027 werden fünf Förderschulen aufgelöst und die Schüler in den jeweiligen Grundschulklassen aufgenommen.

Angst vor Mobbing

Der am Mittwoch im Kreisbildungsausschuss vorgestellte Entwurf des neuen Schulentwicklungsplans 2023 bis 2027 birgt viel Zündstoff für die Betroffenen. Auf der mehrstündigen Sitzung forderten Vertreter von Eltern und Schülern mehr Mitsprache und Aufklärung darüber, was auf die Kinder zukommen wird.

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Es gebe viele Ängste, dass die angestrebte Inklusion nicht gelingen werde, sagt Mario Riedel vom Kreiselternrat. Die Schulen seien bislang nicht ausreichend darauf vorbereitet. „Viele Eltern befürchten, dass die Kinder von Förderschulen dann ihr soziales Umfeld verlieren, in den neuen Klassen gemobbt und ins Abseits gestellt würden.“

Zudem fehlten entsprechend geschulte Lehrer und Räumlichkeiten. Riedel fordert etwas weniger Tempo, stattdessen erst einmal Pilotprojekte, die den Übergang erleichterten und Lehrern die Möglichkeit für sonderpädagogische Fortbildung bieten würden.

Kreisschülerrat kritisiert Planung

Inklusion sei eine gute und erstrebenswerte Sache, stellt Phil Stegemann, Vorsitzender des Kreisschülerrats klar. „Aber die meisten Schüler wissen derzeit gar nicht, was das eigentlich ist.“ Die vorgelegte Planung sei nicht ausreichend. Details zum Beispiel zu Schulschließungen, -neubau oder -sanierung fehlten, und obendrein habe es an vielen Schulen bislang keine ordnungsgemäßen Schulkonferenzen gegeben.

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Gespräche und Konferenzen habe es durchaus gegeben, widerspricht der stellvertretende Ausschussvorsitzende Ralf Schwarz (CDU), der selbst mehrere Jahre eine Förderschule geleitet hat. Er verstehe die Sorgen und Ängste durchaus. „Aber wir haben jetzt einen gesellschaftlichen Auftrag zu erledigen.“ Der beschlossene Inklusionskurs müsse umgesetzt werden, und der vorliegende Entwurf des Schulentwicklungsplans für den Landkreis zeige dafür sehr konkrete Möglichkeiten.

Ralf Schwarz, stellvertretender Vorsitzender des Kreisbildungsausschusses, erläuterte am Mittwoch den Mitgliedern die Details des neuen Schulentwicklungsplans.
Ralf Schwarz, stellvertretender Vorsitzender des Kreisbildungsausschusses, erläuterte am Mittwoch den Mitgliedern die Details des neuen Schulentwicklungsplans. (Foto: Ralph Sommer)

Inklusive Lerngruppen an Grundschulen

Nach dem über 300 Seiten starken, dem Nordkurier vorliegenden Papier sollen die fünf kreislichen Förderschulen bis zum 31. Juli 2027 aufgelöst werden. Die Schüler würden an kommunale Schulträger übergehen, an denen inklusive Lerngruppen gebildet würden. Demnach sollen die Schüler der Pestalozzischule Greifswald an die Weinert–Grundschule der Hansestadt wechseln. Von dem zu schließenden Sonderpädagogischen Förderzentrum Eggesin gehen die Schüler an die Grundschule Torgelow und von der Schlossbergschule Pasewalk an die Grundschule Ueckertal Pasewalk. Ähnliche Wechsel sind vom Sonderpädagogischen Förderzentrum „Biberburg“ in Anklam zur Grimm–Grundschule Anklam sowie von der Janusz–Korczak–Schule Wolgast zur Grundschule Wolgast geplant.

Kritiker verweisen auf falsche Prognosen zu den Schülerzahlen

„Inklusion endet aber nicht bei der Schließung der Förderschulen“, betont Schwarz. „Wir haben drei wichtige Standbeine — zusätzlich zum jetzigen Abschluss in der allgemeinen Förderschule. Wir schließen die Förderschulen nicht, weil wir sie nicht mehr brauchen. Wir schaffen an 13 Standorten zusätzliche unterschiedliche Angebote für den Schulabschluss.“ Dazu gehörten das Freiwillige 10. Schuljahr, das Produktive Lernen und die Berufsreife Dual.

Kritiker verweisen jedoch auch darauf, dass der vorliegende Planentwurf von falschen Schülerzahl–Prognosen ausgehe und die Kapazitäten an manchen Schulen überschritten werden könnten. Unter anderem seien bei der Erstellung die seinerzeit nicht vorhersehbaren Zugänge infolge des Ukraine–Krieges und der neuen Flüchtlingswelle berücksichtigt worden.

Kreistag soll neuen Schulentwicklungsplan im Mai beschließen

Tatsächlich seien in den Gesprächen mit den Schulträgern Fragen zu den künftigen Schülerzahlen aufgeworfen worden, sagt Enrico Stahlkopf vom Amt für Bildung und Schulentwicklung. Große Differenzen zwischen den Prognosen und tatsächlichen Zahlen sehe er aber nicht. Für das erste Prognoseschuljahr 2022/2023 seien die realen Schülerzahlen sogar um 2,3 Prozent niedriger ausgefallen.

Der neue, noch nicht veröffentlichte Schulentwicklungsplan soll voraussichtlich am 8. Mai vom Kreistag beschlossen werden.