Altenpflege
Jarmener Annastift steht vor dem Aus
Jarmen / Lesedauer: 4 min

Stefan Hoeft
Kaum ein Gebäude in Jarmen gilt auch über die Stadtgrenzen hinaus als so bekannt und mit so vielen Geschichten verbunden wie das „Annastift“ – abgesehen vielleicht von der die Hafensilhouette dominierenden ehemaligen Getreidemühle. Doch genau wie dem Industriebetrieb an der Peene vor drei Jahren steht nun auch dem Alten- und Pflegeheim an der Lindenstraße die Schließung ins Haus.
Man findet einfach keine Pfleger mehr
Zum Oktober 2023 will der Pommersche Diakonieverein die Einrichtung mit seinem „Nikolaiheim“ in Gützkow zusammenlegen – am Standort in der Nachbarstadt. Dafür gibt es mehrere Gründe, ganz obenan steht allerdings nach Aussagen des Trägers die schwierige Suche nach neuen Mitarbeitern.
„Beide Standorte sahen sich seit geraumer Zeit mit einem nicht unerheblichen Personalmangel konfrontiert, wodurch theoretisch zur Verfügung stehende Pflegeplätze in den Einrichtungen nicht belegt werden konnten“, erklärt Manuela Röthke. Sie zeichnet für die Öffentlichkeitsarbeit des in Züssow ansässigen Vereins verantwortlich, der nach eigenen Angaben an 13 Standorten im Nordosten Deutschlands verschiedene Angebote parat hält – von Sozial- und Tagespflegestationen über Werkstätten, Hotel und Gastronomie bis hin zum betreuten Wohnen und eben den Alten- und Pflegeheimen. Doch trotz dieses breiten Repertoires und intensiver Bemühungen in der Personalakquise sei es nicht gelungen, vakante Stellen zu besetzen, so die Pressesprecherin.
Gebäude ist nicht mehr zeitgemäß
„Der Mangel an notwendigem Pflegepersonal, um eine lückenlose pflegerische Versorgung zu gewährleisten, hat uns dazu gezwungen, uns mit unserem Pflegeangebot neu aufzustellen“, begründete ihr Chef Michael Bartels das Aus für das „Annastift“. Doch auch an den betriebswirtschaftlichen Realitäten kommt er wohl nicht mehr länger vorbei.
Denn zusätzlich zu den Problemen auf dem Arbeitsmarkt kämpft der Verein mit dem baulichen Erbe der vor rund einem Jahrhundert als Sitz des „Jarmener landwirtschaftlichen Ein- und Verkaufsverein“ errichteten Immobilie. Die in ihrer einstigen Funktion als Aushängeschild innen sehr großzügig zugeschnitten wurde und mit ihrer äußeren Erscheinung fast schon majestätisch wirkt, insbesondere durch den Eingangsbereich mit seinem Säulen-Portikus.
Für die neuen Anforderungen hingegen lässt der Zuschnitt wenig Spielraum, selbst wenn der Diakonieverein bei der Übernahme des damals als Landambulatorium genutzten Hauses nach der Wende umfangreiche Umbauten realisierte. Seither verfügt die Einrichtung über insgesamt 29 Zimmer für die Bewohner und Bewohnerinnen, von denen 15 aber für die eine Doppelbelegung vorgesehen ist.
Und dieses Angebot sei im stationären Pflegesetting weder zeitgemäß noch von den Kunden besonders nachgefragt, wie die Pressesprecherin erläutert. Was sich ebenfalls auf die Belegungssituation ausgewirkt habe. Eine räumliche Anpassung im Altbestand erscheint kaum möglich, und der anfangs zugunsten einer Einzelzimmerstruktur ins Auge gefasste Erweiterungsbau auf dem Hof sei als nicht wirtschaftlich tragfähig eingeschätzt worden, ergänzt Manuela Röthke.

Umzug für September geplant
Andererseits gibt es in anderen Einrichtungen ebenfalls Doppelzimmer, die nach Nordkurier–Informationen gerade von Paaren durchaus gewollt sind. Stattdessen machen Kenner der Szene auch die im Vergleich zu anderen Häusern teureren Heimkosten mit dafür verantwortlich, dass das „Annastift“ zuletzt ins Hintertreffen geriet. Wobei die Pressesprecherin die bei einem alten Gebäude in der Regel höheren Betriebskosten, zuletzt gerade bei Strom und Heizung, im Gespräch mit dem Nordkurier als eher nebensächlich für die Entscheidung einstufte.
In der Konsequenz geht es in der strategischen Neuausrichtung zuungunsten des „Annastifts“ neben der Sicherung der pflegerischen Versorgung vor allem um die Sicherung der Arbeitsplätze der für den Diakonieverein tätigen Mitarbeitenden, heißt es. Weshalb Michael Bartels auch betont, dass mit der Zusammenlegung der Einrichtungen allen Mitarbeitenden ein gesicherter Arbeitsplatz angeboten werden kann. Gegenwärtig sind am Standort Jarmen noch 39 Beschäftigte in den Bereichen Pflege, Hauswirtschaft und Verwaltung tätig, so die Auskunft.
Im „Nikolaiheim“, das erst Ende der 1990er–Jahre errichtet wurde, können Dank jüngster Umbauten künftig mit 102 pflegebedürftigen Menschen ein paar mehr als bislang versorgt werden. Der Umzug dorthin werde sich auf Ende September konzentrieren, sagt Pressesprecherin Röthke. Sie gehe davon aus, dass das Gros der Jarmener Heimbewohner den Wechsel nach Gützkow mitmachen wolle, ebenso wie es nach gegenwärtigem Stand beim Personal–Team aus der Autobahnstadt passiere. So dass von Anfang an eine gewisse Vertrautheit erhalten bleibe und die Eingewöhnung leichter falle.