Bilanz
Jarmens Feuerwehr springt bei immer mehr „Auswärtsspielen“ ein
Jarmen / Lesedauer: 7 min

Stefan Hoeft
Mit aktuell um die 55 Männern und Frauen in der aktiven Einheit zählt die Jarmener Feuerwehr samt ihrer Löschgruppen Plötz und Daberkow wohl zu den schlagkräftigsten Vorpommerns abseits der größeren urbanen Zentren. Hinzu kommt eine technische Ausstattung, die von der Vielfalt her ungewöhnlich für so eine Kleinstadt erscheint und häufiger zu Einsätzen weit über die eigenen Amtsgrenzen hinaus beiträgt, insbesondere im Rahmen des erweiterten Löschzuges des Kreises und des Katastrophenschutzes. Dies alles spiegelte sich auch im Bericht von Wehrführer Gerhard Vockelmann zur jüngsten Hauptversammlung wider, der erstmals für gleich drei Jahre Bilanz zog, bedingt durch die Kontaktverbote während der Corona–Pandemie.
Unfallserie fast schon unheimlich
Gerade das zeitweise völlige Einfrieren des öffentlichen Lebens machte der Kommandant für die im Vergleich zu den Vorjahren eher geringe Zahl von 38 Alarmierungen in 2020 verantwortlich. Er erinnerte an die fast schon unheimliche damalige Unfallserie — zu gleichen Tageszeit am selben Ort — auf der A 20 kurz hinter der Anschlussstelle Jarmen in Richtung Peenebrücke und den Crash an der Kreuzung der innerstädtischen Hauptstraße mit der L 35. Bei dem unter anderem eine Hochschwangere betroffen und im eigenen Krankentransportwagen (KTW) erstversorgt worden war.

Notfall in der Kita
Im Vergleich dazu eher kurios klingt einer jener 53 Einsätze, die 2021 in der Statistik stehen, übrigens genau so viele wie im Jahr vor Corona. Mittels Handsäge und Schraubendreher wurde im Februar in der Kita ein Kind befreit, das sich mit dem Kopf in einem Stuhl verkeilt hatte.
Spektakulärer Brand
Gleichzeitig steht dieses Jahr aber für den bisher wohl spektakulärsten und vom Medien–Echo her am weitesten wirksamen Notfall in unserer Region: Am 30. März brannte der Stallkomplex der Schweinezucht Alt Tellin nieder, einst Europas größte Ferkelfabrik. Die Jarmener waren da beim Koordinieren und Löschen mittendrin. „Bedingt durch die Bauart der Anlage gab es für die Feuerwehr keine Möglichkeit, das Feuer in der Anlage zu stoppen“, stellte Vockelmann noch einmal klar. Bei einem Brand auf einem Reiterhof in Neu Plestlin zweieinhalb Wochen später mussten die Kameraden ebenfalls mit ansehen, wie der betroffene Stall ein Raub der Flammen wurde.
Kollaps bei Löscharbeiten
Auch 2022 startete mit einem Einsatz, der den Beteiligten bis heute in den Knochen steckt: Als in den ersten Stunden des Neujahrstages die Löscharbeiten an einem leer stehenden Gebäude in Neu Plötz liefen, geriet ein altgedienter Kamerad plötzlich in gesundheitliche Schwierigkeiten. Und konnte wohl nur durch die bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes geleistete rasche Hilfe der eigenen Leute im besagten KTW, verbunden mit viel Glück, vor Schlimmerem bewahrt werden.
Stürme und Irrtümer
Dass im vergangenen Jahr mit 83 Alarmierungen ein neuer Rekord zusammen kam, liegt insbesondere an den zwei Orkantiefs namens Nadia und Zeynep, die Ende Januar beziehungsweise Mitte Februar übers Land zogen und dabei unter anderem die Jarmener Grünanlagen verwüsteten. Alleine ersteres führte zu 18 Einsätzen, das andere zu weiteren neun.

In die Kategorie Schmunzeln fiel hingegen ein Hilferuf vom Schützenplatz, der im Rahmen eines Unterstützungsersuchens der Tierrettung Ende August einging. Dabei sollte eine Katze aus einem Kleidercontainer befreit werden. Wie sich dann aber herausstellte, kam das sehr echt klingende klägliche Miauen von einem Plüschexemplar.
Auch auf Usedom als Helfer gefragt
Doch längst nicht immer kamen die Ausrücke–Anforderungen in den vergangenen drei Jahren aus solcher Nähe, im Gegenteil. Jarmens Technikpark einschließlich Drehleiter, Aufklärungsdrohne und Melderkrad sowie die Engpässe bei anderen Feuerwehren sorgten für so einige lange Anfahrten, meist um die Wasserversorgung und ausreichend Atemschutzträger zu gewährleisten. Sei es bei den Bränden eines Wohngebäudes im rund 30 Kilometer entfernten Wegezin südöstlich von Anklam, eines Getreideschlages bei Krusenfelde oder des Recyclinghofs in Helmshagen. Mit dabei waren die Peenestädter ebenso, als es Großfeuer in der Putenmast Klein Zastrow und einer Ferienhausanlage in Karlshagen zu bekämpfen galt.
Testzentrum im Gerätehaus
Immer wieder wurde und wird die Löschtruppe zu Türöffnungen für den Rettungsdienst herangezogen, nicht jedes Mal kam die Hilfe für die Mieter rechtzeitig. Um diese „Dienstleistung“ im Ehrenamt gibt es seit jeher Diskussionen, die insbesondere von einem Fall im April noch befeuert werden dürfte. Da nämlich agierten die Kameraden als „Schlüsseldienst“ für die Polizei, damit die eine Wohnung durchsuchen konnte. „Als Zugabe durfte der Einsatzleiter Zeuge der Durchsuchung sein und das ganze Procedere beobachten und anschließend dokumentieren“, schilderte Vockelmann mit spürbar sarkastischem Unterton.
Der Standort seiner Truppe an der Fabrikstraße geriet in Sachen Corona besonders in den Blick, selbst für Leute von außerhalb, darunter eine Menge Touristen mit dem Ziel Ostseeurlaub. Schließlich fungierte der Kulturraum neben dem Gerätehaus in Absprache mit der Kommune für viele Monate als privat betriebenes Testzentrum für das gesamte mittlere Peene– und Tollensetal. Für die Feuerwehrleute insofern lange wenig störend, weil durch die Pandemie das Beisammensein ohnehin stark eingeschränkt blieb.
„Gut durchgekommen“
Was auch auf die Ausbildung Einfluss hatte, die zu den Hoch–Zeiten der Covid–19–Gefahr entweder gar nicht, nur in sehr kleinen Gruppen oder per Internet stattfand. Stark betroffen war ebenso die Nachwuchsarbeit, weshalb sich die Führung besonders freut, dass die Kinder– und Jugendabteilung aktuell immerhin 28 Mitglieder zählt und baldige Neuzugänge für die Erwachsenen–Einheit verspricht. „Insgesamt sind wir auch dank der Vorsichtsmaßnahmen gut durch die Corona–Pandemie gekommen, die Feuerwehr Jarmen war jederzeit voll einsatzbereit“, erklärte Gerhard Vockelmann.
Bürgermeister dankt Ehrenamtlichen und ihren Familien
Dies wusste auch Bürgermeister André Werner zu würdigen, der mitten in dieser Corona–Zeit seinen Vorgänger Arno Karp ablöste und damit neuer oberster Dienstherr wurde. Er bezeichnete die Truppe als elementaren Baustein unserer Gesellschaft. „Denn alle Einsatzkräfte erledigen ihren Dienst für die Bürgerinnen und Bürger neben Familie, Beruf und Freizeit.“ Wobei die Männer und Frauen in den roten Blaulichtwagen keineswegs nur den eigentlichen Aufgaben dieses Ehrenamtes nachgingen, sondern an vielen weiteren Stellen mit anpackten. Sei es nun als Verpflegungsbrigade, Begleitschutz oder Absicherung für diverse Veranstaltungen oder eben in der Kinder– und Jugendbetreuung. „Ich bedanke mich bei Euch allen, aber auch bei Euren Familien recht herzlich im Namen der Stadt Jarmen“, äußerte der Rathauschef bei seinem Grußwort zur Jahreshauptversammlung im Kulturzentrum. Später nahm er zusammen mit dem ebenfalls anwesenden Vorsitzenden des Kreisfeuerwehrverbandes, Marko Stange, einige Beförderungen und Auszeichnungen vor.

Infokasten unter dem Schlagwort „Neue Orden und Schulterstücke“:
Anlässlich der Jahreshauptversammlung wurden auch wieder neue Ehrenzeichen und Schulterstücke an einige Kameraden und Kameradinnen der Feuerwehr Jarmen verliehen.
Ehrungen
Auszeichnung des Landesfeuerwehrverbands für 70–jährige Mitgliedschaft:
Reinhard Breuhahn, Hermann Hein
Auszeichnung des Landesfeuerwehrverbands für 60–jährige Mitgliedschaft: Klaus–Peter Böttcher, Dieter Sager, Siegfried Liskow
Ehrenzeichen des Landesfeuerwehrverbandes am Bande für 50 Jahre Mitgliedschaft bei der Löschtruppe:
Gerhard Zilgitt, Friedhelm Roloff, Rolf–Peter–Schammra, Margit Kell, Bernd Felgenhauer
Brandschutz–Ehrenspange in Bronze für 10–jährige Mitgliedschaft: Paul Hoppe, Klaus–Dieter Hoppe, Philip Thormann, Paul Schläger

Beförderungen
Feuerwehrmann: Heiko Pecyna
Oberfeuerwehrmann/-frau: David Bergmann, Toby Felgenhauer, Volker Schramm, Dustin Witt, Lucia Zentner
Löschmeister: Robert Batz, René Felgenhauer
Oberlöschmeister: Paul Hoppe
Quelle: FFW Jarmen