Gesundheit

Jede vierte Frau leidet darunter und die Gesellschaft sieht weg

Anklam / Lesedauer: 4 min

Die Beschwerden sind unangenehm, doch oftmals gehen Frauen mit dem Problem zu spät zur Frauenärztin. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Schmerzen in den Griff zu bekommen.
Veröffentlicht:18.09.2023, 17:45

Von:
  • Nordkurier
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Sie werden am 20. September im Ameos Klinikum Anklam einen Vortrag halten. Worum geht es?

Ich will einen Überblick über die gynäkologischen Notfälle geben, mit denen Frauen zu uns kommen. Diese ordne ich symptombezogen oder beschwerdebezogen ein. Die häufigsten drei sind starke und akut auftretende Schmerzen im Unterbauch, verstärkte Regelblutungen und vaginale Blutungen insgesamt sowie die entzündlichen Erkrankungen der weiblichen Genitalien.

Sie sind seit knapp zwei Monaten Chefärztin in Anklam. Welches Thema liegt Ihnen besonders am Herzen?

Das ist das sehr unterschätzte Problem der verstärkten Regelblutungen. Fast 25 Prozent der Frauen, gerade der jüngeren, leiden unter diesen Beschwerden. Doch leider kommen viele mit dem Problem nicht zum Arzt, weil sie es — genau wie die Gesellschaft — unterschätzen.

Chefärztin der Anklamer Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Lilit Aznavuryan (Foto: Merle_Prepernau)

Warum?

Es ist eine sehr intime Sache, eine Frauenkrankheit. Klar, eine Regelblutung ist eine Normalität, es tritt periodisch auf, aber wenn der monatliche Blutverlust gewisse Grenzen überschreitet, dann treten Folgen auf. Es kann mit der Zeit zu Blutarmut kommen, dann sind diese Frauen chronisch müde, haben Kopfschmerzen, sind antriebslos. Sie fallen aus dem normalen Alltag heraus. Diese Beschwerden werden oft nicht in Zusammenhang mit der Blutung gebracht.

Was sind die Ursachen?

Was wir herausfinden können, sind die organischen Ursachen. Das heißt, es gibt ein Myom oder Polyp in der Gebärmutter, der die Blutung verstärkt. Das sind gutartige Wucherungen innerhalb der Muskelschicht des Uterus, also der Gebärmutter. Manchmal liegt eine Endometriose vor. Dabei wuchert die Gebärmutterschleimhaut außerhalb der Gebärmutterhöhle, oft im gesamten Bauchraum. Manchmal auch im Darm oder sogar der Lunge. Aber bei 40 Prozent der Patientinnen lässt sich keine Ursache finden. Das sind die sogenannten funktionellen Blutungsstörungen.

Und können Sie diesen Frauen helfen?

Selbstverständlich! Die krankhaften Neubildungen können wir operativ entfernen. Bei den funktionellen Blutungsstörungen kommen zunächst die hormonellen Pillen infrage, welche manchmal von den Patientinnen nicht gut vertragen werden. Wenn alle Methoden versagen, lassen sich die leidenden Frauen die Gebärmutter entfernen. In Deutschland werden jährlich ungefähr 125.000 Hysterektomien (Gebärmutterentfernungen) wegen gutartigen Erkrankungen durchgeführt und davon über 20 Prozent wegen Blutungsstörungen. 

Das klingt nicht nur sehr endgültig, sondern auch nach einem großen Eingriff.

Da haben Sie recht. Ich erkläre meinen Patientinnen immer, dass hier dem Organismus ein ganzes Organ genommen wird. Das kann gewisse Konsequenzen haben. Deshalb werben wir, wenn möglich, für eine organerhaltende Operation. 

Erklären Sie das bitte.

Wir veröden die Gebärmutterschleimhaut mit Strom. Der Eingriff heißt Endometriumablation mit NovaSure–Goldnetz, dauert nur wenige Minuten und hat eine Erfolgsrate von über 87 Prozent, die starken Blutungen für immer zu beenden. Es ist ein faszinierendes Verfahren, bei dem wir ein von der Firma Hologic hergestelltes Goldnetz in die Gebärmutterhöhle einführen. Das wird entfaltet und legt sich auf die gesamte Schleimhaut im Uterus. Dann geben wir auf dieses Netz einen bipolaren Hochfrequenzstrom — so für ungefähr 90 Sekunden — und veröden das Gewebe in einer Tiefe von zwei bis fünf Millimetern. Wir machen diesen Eingriff seit 2016 und helfen jährlich 20 bis 50 Patientinnen damit.  

Statt die Gebärmutter zu entfernen, empfiehlt die Anklamer Chefärztin dieses Goldnetz der Firma Hologic. (Foto: Hologic Deutschland GmbH)

Kommt dieser Eingriff für alle Frauen infrage, die unter den besprochenen Beschwerden leiden?

Nein. Das müssen wir im Vorfeld mit einer Gebärmutter–Spiegelung herausfinden. Wir gucken uns an, ob es irgendwelche Deformitäten gibt, ob da vielleicht ein Myom ist. Selbstverständlich kommen die Frauen mit Kinderwunsch ebenfalls infrage. Außerdem testen wir die Schleimhaut, um bösartige Erkrankungen auszuschließen. Das wären Ausschlusskriterien. 

Bezahlen das die Krankenkassen?

Die Kosten für die Operation übernehmen alle Krankenkassen und wir hoffen, dass ab dem nächsten Jahr dieser Eingriff auch ambulant durchgeführt werden kann.