Interview

Komponistin will mit Anklamern einen Hit schreiben

Anklam / Lesedauer: 6 min

Susanne Geisler ist Komponistin und Songwriterin. Am Freitag will sie Anklamer Jugendlichen zeigen, wie man einen Hit schreibt. Ob das wirklich so einfach ist, wollte unser Reporter Matthias Diekhoff von ihr wissen.
Veröffentlicht:11.10.2022, 05:47
Aktualisiert:

Von:
  • Author ImageMatthias Diekhoff
Artikel teilen:

Was ist eigentlich ein Hit?

Das ist eine gute Frage. Darüber werden selbst im Musikbusiness immer wieder Debatten geführt. Auch unter Musikliebhabern ist das ja immer Thema. Ein Fan elektronischer Musik wird einen Hitsong anders wahrnehmen als ein Schlagerfan. Was ein Hitsong ist, ist zum einen subjektiv und läßt sich gar nicht klar sagen. Oft spürt man eine Art Energie, eine Art Verbindung mit dem Song, die bestimmt wird durch Struktur, Melodie und auch Text.

Im Musikbusiness geht man gerne davon aus, dass ein Hitsong ein Lied ist, was es in die Rotation der großen Radiostationen schafft, kommerziell am meisten einspielt und von einem großen Publikum gehört wird. Nicht selten gehen auch viele jüngere Musiker noch davon aus, dass es für diesen einen Song eine Art Rezept gibt. Aber das ist immer noch ein Klischeebild.

Lesen Sie auch: Bandprojekt bereitet sich im "Mühlentreff" auf Saison vor

Die Frage, die hinter unserer Workshopüberschrift steckt und die wir auch im Workshop aufgreifen, ist aber eine andere: Was macht einen Song zu deinem persönlichen Hitsong? Wie muss er aufgebaut sein, wovon handelt er, welches Instrument fasziniert dich so, dass es unbedingt drin vorkommen muss?

Ob der Song irgendwann im Radio läuft, vermag ich nicht immer zu kontrollieren, aber ich kann lernen, Songs zu schreiben, die mir und anderen Menschen ein gutes Gefühl geben, die Verbindung schaffen. Und vielleicht ist dann ja eben auch mal der eine oder andere kommerziell erfolgreiche Song darunter.

Ist es tatsächlich möglich, innerhalb eines Tages zu lernen, wie man einen Hit schreibt?

Im Workshop möchten mein Kollege Moritz Limmer und ich den Teilnehmern zeigen, wie sie es schaffen, mit einfachen Mitteln einen Song zu schreiben, der Ihnen ein gutes Gefühl gibt. Das Songschreiben ist wie viele andere künstlerischen Aktivitäten eine wunderbare Art, um zu lernen, sich auszudrücken. Zudem vereint es viele kreative Komponenten wie Musizieren, Texten, Singen.

In unserem Workshop vermitteln wir die Grundstrukturen des Songwritings, so dass jeder Teilnehmer danach in der Lage und inspiriert ist, weitere Songs zu schreiben. Wir wollen in erster Linie die Kreativität anregen und Bewertungen außen vor lassen, denn die sind es, die dazu führen, dass wir uns oft nicht trauen, Songs zu schreiben oder Songs abbrechen.

Aber wir wollen natürlich auch einen realistischen Einblick in das professionelle Songwriting geben und da geht es darum, dass am Ende des Tages ein Werk steht, das alle gesammelten Ideen vereint.

Letztes Jahr hatten wir mit dem Mühlentreff in Anklam bereits zwei Workshops rund um die Themen Musikbusiness und Veröffentlichung von Songs gegeben. Jetzt freuen wir uns umso mehr, dieses Jahr mit dem Jugendclub die kreative Seite unter die Lupe zu nehmen und gemeinsam Songs zu schreiben. Vielen Dank an dieser Stelle auch nochmal an Sirko Schülke, der den Workshop mit ermöglicht hat und sich vor Ort um das Studio und die technischen Voraussetzungen kümmert.

Muss man dafür Noten lesen und schreiben können?

Nein. Die Notation ist eher im klassischen Bereich gebräuchlich und wenn man mit Orchester arbeiten möchte. Um Songs zu schreiben, braucht es eigentlich nur eine gute Arbeitsgrundlage; zum Beispiel Wege zu finden, Ideen schnell aufzuschreiben und aufnehmen zu können. Das geht heute schon mit einfachsten Mitteln wie Apps auf dem Handy.

Braucht man dafür ein besonders Talent?

Nein! Wir wollen mit dem Workshop die Teilnehmer anregen, selbst Songs zu schreiben und zu lernen, sich musikalisch auszudrücken. Es sind daher alle musikbegeisterten und interessierten Menschen willkommen.

Was sollte man zum Workshop wenigstens mitbringen?

Freude an der Musik und Offenheit für neue Dinge.

Und was kann man vom Workshop mindestens mit nach Hause nehmen?

Die Teilnehmer lernen, wie ein Song aufgebaut ist und welche Funktionen Formteile wie Strophe oder Refrain haben. Sie lernen mit Hilfe von Apps Klänge aus der Umgebung aufzunehmen und zu bearbeiten und als einzigartiges Detail in das Werk mit einfließen zu lassen, zum Beispiel als Beats.

Am Ende des Workshops entsteht ein gemeinsamer Beispielsong, den die TeilnehmerInnen mit nach Hause nehmen können und der sie inspirieren soll, weiter zu schreiben.

Im Internet gibt es einen Artikel, in dem Sie über Ihre Fähigkeit schreiben, Klänge auch als Farben wahrnehmen zu können – die sogenannte Synästhesie. Wie muss man sich das Leben mit Synästhesie vorstellen: Sie schalten das Radion ein und ein entsprechender Song sorgt dafür, dass Sie ihre Umgebung wie durch eine rosarote Brille betrachten?

Die Synästhesie ist ein Persönlichkeitsmerkmal, bei dem anstelle eines bestimmten Gehirnareals gleichzeitig ein zweites mit angesprochen wird. Wenn ich einen Klang höre, dann höre ich ihn nicht nur, sondern sehe dazu auch Farben.

Alles was Geräusche macht, löst bei mir diese Farben aus. Ich kann das nicht steuern, kann mich aber entscheiden, dass ich meinen Fokus woanders setzten möchte. Und ich schütze meine Ohren im Alltag zum Beispiel im Verkehr mit Ohrstöpsel. Aber ja, in etwa ist das vergleichbar mit einer Art rosaroten Brille, nur dass sie bei mir eben sehr bunt ist. Viele KünstlerInnen sind SynästhetInnen, zum Beispiel Billie Eilish, Lady Gaga oder auch Pharrell Williams.

Was löst diesen Effekt stärker aus? Eher die Stimme der Sängerin oder des Sängers oder eher die Melodie?

Prinzipiell alle Klänge und Töne. Was dominiert, kommt auf das Lied drauf an.

Welche Farben haben für Sie zum Bespiel Songs von Pink?

Pinks Stimme ist sehr prägnant, eine Art Braunton mit vielen weißen Kratzern. Oft variiert ihre Stimme in den höheren Lagen ins silber und türkis.

Und welche Farbe hat überhaupt ein Hitsong?

Das kommt auf das Lied drauf an. Da hat wahrscheinlich jeder eine andere Vorstellung. Bei mir kann die Stimme des Sängers oder der Sängerin, manchmal ein Soloinstrument oder der Bass ausschlaggebend sein.

Ich kann mich auf alle Instrumente reinzoomen und entscheiden, welcher Farbe ich folgen möchte. Oft bekommt das Stück eine farbige Aura, je nachdem wo ich den Schwerpunkt höre und sehe. Adeles Song „Easy on me“ zum Beispiel erklingt in einem weißen Schimmer für mich. Das liegt an der Art, wie sie ihre Stimme in dem Lied melodisch bewegt.

Für den Workshop „Wir schreiben einen Hitsong” am 14. Oktober gibt es noch einige wenige freie Plätze. Weitere Informationen gibt es unter der E-Mail-Adresse: [email protected]