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Gedankenspiel

Könnte Vorpommern die Unabhängigkeit ausrufen?

Anklam / Lesedauer: 4 min

Katalonien lässt Grüßen: Europaweit streben Regionen nach mehr Unabhängigkeit. Die Bayern überlegen schon lange, aber was wäre, wenn sich auch Vorpommern von Deutschland löste?
Veröffentlicht:18.10.2017, 06:30

Von:
  • Gabriel Kords
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Im September 2014 fand in Schottland ein vielbeachtetes Referendum über die Unabhängigkeit des Landes statt. Das Ergebnis war denkbar knapp: Rund 55 Prozent der Schotten wollten damals im Königreich bleiben. Die Idee ist damit aber noch lange nicht vom Tisch und wird spätestens seit dem Brexit wieder diskutiert.

Der Nordkurier veranstaltete damals ein kleines Gedankenspiel: Was wäre, wenn Vorpommern ein eigenständiger Staat wird? Einige Bürgermeister dachten zumindest einen kurzen Moment lang darüber nach. Ganz ernst gemeint war die Geschichte natürlich trotzdem nicht. Achtung: Einige Fakten im folgenden Text sind inzwischen überholt.

Michael Sack (CDU), Kreistagspräsident von Vorpommern-Greifswald und Bürgermeister von Loitz, bleibt erstmal für einen Moment still, bevor er die Frage nach einer möglichen Abspaltung Vorpommerns vom Rest der Republik beantwortet: „Sie ahnen ja gar nicht, was in den Hinterzimmern manchmal alles diskutiert wird...”, meint er dann und beginnt dann aber doch zu grinsen: „Natürlich wäre eine richtige staatliche Abspaltung keine Option.”

Man müsse aber auch sagen: „Vorpommern und Mecklenburg sind keine historische Einheit.” Es gebe durchaus Szenarien, bei denen man die Verbindung der beiden Landesteile in Frage stellen könnte: „Wenn es etwa ein Nord-Bundesland aus M-V, Hamburg und Schleswig-Holstein gibt: Dann müssten wir überlegen, ob wir nicht besser zu Brandenburg passen.” Ein Blick in die Geschichte zeige, dass Grenzen nicht in Stein gemeißelt seien.

Brückenzoll könnte Einnahmen sichern

Sein Parteifreund Ralf Drescher (CDU), Landrat des Nachbar-Landkreises Vorpommern-Rügen, sieht die Sache zurückhaltender: „Eine Abspaltung wäre Unsinn, aber was wir brauchen, ist ein stärkeres vorpommersches Wir-Gefühl.” Die Vorpommern müssten gemeinsam gegenüber Schwerin auftreten, und zwar „aus einer Position der Stärke heraus”. Und diese Zusammenarbeit sei noch ausbaufähig.

Dreschers Amtskollegin in Vorpommern-Greifswald, Landrätin Barbara Syrbe (Linke), sieht die Idee dann doch lieber als Luftschloss: „Das ist ja mal ein interessanter Vorschlag”, meint sie lachend. Das ganze dürfte schon an der Finanzierung des neuen Staates scheitern: „Wie sollte das funktionieren? Ich bin für Brückenzoll!”, meint sie im Scherz.

Wo sollte Vorpommerns neue Hauptstadt sein?

Und doch hat die Idee irgendwie Charme, findet beispielsweise Wolgasts Bürgermeister Stefan Weigler, der die Anfrage auch nicht ganz ernst nimmt. Er sieht es so: „Wolgast ist historischer Mittelpunkt Vorpommerns und müsste es dann als neue Hauptstadt auch wieder werden. Wir bauen dann das Herzogsschloss wieder auf. Und ich würde auch als erster Herzog zur Verfügung stehen.” Daran könne auch Anklams Bürgermeister Michael Galander nichts ändern: „Wenn er den Hauptstadt-Titel für Anklam fordert, kann ich nur lachen”, meint Weigler. Um dann sogar noch nachzusetzen: „Galander kann aber gerne als Hofnarr bei mir anfangen.”

Und was sagt der so geschmähte Galander? Der bleibt ausnahmsweise lieber ernst: „Ich finde das Szenario wenig realistisch”, meint er. Wenn man sehr langfristig denke, sei aber nicht alles in Stein gemeißelt. „Wenn man sich unsere Region geographisch anschaut, muss man feststellen: Das Zentrum ist Stettin.” Und wenn das europäische Zusammenwachsen in dem Tempo weiterginge wie in den letzten Jahrzehnten: „Wer weiß, ob dann nicht eine der folgenden Generationen über alle Sprach- und Kulturbarrieren hinweg wieder zu einer ganz neuen Einheit kommt.”

Metropolregion Stettin hat viel mehr zu bieten

Die Metropol-Region Stettin, auch deren deutscher Teil, sei jedenfalls viel mehr als das, was die Politik bisher daraus mache: „Es gibt allenfalls Lippenbekenntnisse zu diesem hochspannenden wirtschaftlichen Raum.”

Und dann kommt Galander doch noch mal auf die Frage nach Vorpommerns Unabhängigkeit zurück. Die sei zwar, wie gesagt, kein Thema für ihn.

Trotzdem könne allein schon das Nachdenken darüber eine Warnung an die Landespolitik in Schwerin sein: „Ministerpräsident Erwin Sellering sollte sich vorsehen, wie er künftig mit den Vorpommern umgeht. Bei der derzeit an den Tag gelegten Ignoranz in Sachen Gerichtsreform sollte er sich nicht wundern, wenn die Idee mit der Abspaltung irgendwann vielleicht doch Realität wird.”

Dieser Artikel erschien zuerst im Nordkurier am 14. September 2014. In der Zwischenzeit tat sich plötzlich ein großes Loch zwischen Vorpommern und Mecklenburg auf. Ist das ein Zeichen?