Tierschutz

Landrat soll sich um wilde Katzen kümmern

Vorpommern / Lesedauer: 5 min

Freilaufende Hauskatzen sind ein Problem. Das behauptet zumindest die Tierschutzpartei und will die Kreisverwaltung in die Verantwortung nehmen. Die Landespolitik gibt ihnen dabei Rückendeckung.
Veröffentlicht:16.08.2020, 16:10

Von:
  • Philipp Schulz
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Noch gibt es in Vorpommern keine Zustände wie etwa in Spanien oder Griechenland, wo neben den freilebenden Hauskatzen auch wilde Hunde für das richtige Touristengefühl sorgen. Aber nur, weil man die Tiere nicht sieht, bedeutet es nicht, dass sie nicht auch da sind – und dass sie nicht leiden. Tierschützer schlagen deswegen nun wieder Alarm. Zwei von ihnen sind in der Tierschutzpartei und Mitglieder des Kreistages: Anja Hübner und Robert Gabel. Beide haben mit der Fraktion der Grünen einen Antrag erdacht, in dem sie gemeinsam ein Einstehen für die Tiere fordern und den Landrat selbst in die Pflicht nehmen wollen – der soll sich künftig also nicht nur um die Probleme menschlicher Einwohner des Kreises kümmern.

In einem entsprechenden Antrag, der aktuell in den Ausschüssen und am 24. August im Kreistag debattiert werden soll, werden gleich mehrere Dinge gefordert: Zum einen soll der Kreistag feststellen, dass „durch große Populationen freilebender Katzen im Landkreis ein vermeidbares Tierleid entsteht.“ Das mag banal klingen, aber so läuft es manchmal in der Politik. Bevor man ein Problem angeht, muss erst mal debattiert werden, ob es überhaupt eines ist. Damit würden die Politiker also das Eingeständnis machen, dass die große Katzenpopulation ein Problem im Kreis darstellt, das es zu lösen gilt.

Eine Lösung wissen die Tierschützer auch nicht

Der zweite Punkt ist eine direkte Arbeitsanforderung an Landrat Michael Sack (CDU). Er soll zum einen eine Möglichkeit finden, wie der Kreis die Populationsgrößen im Blick behalten kann. Dafür geben ihm die Antragsteller eine Frist bis zum März 2021 vor. Des Weiteren solle der Landrat eine „Verordnung zum Schutz freilebender Katzen für den gesamten Landkreis Vorpommern-Greifswald entwerfen und ihre finanziellen Auswirkungen prüfen.“

Tatsächlich bestätigt auch der Amtsleiter für Veterinär- und Lebensmittelüberwachung, Dr. Holger Vogel, dass es bestimmte Problembereiche in der Region gebe. Eine Häufung von frei lebenden Katzen würde jedoch vor allem da auffallen, wo Tierschützer ehrenamtlich unterwegs sind. Das ist eher in den Mittelzentren und Städten der Fall. Wie viele Katzen also wirklich frei durch den Kreis streunen, ist schlicht nicht bekannt. Der Antrag soll also nicht bloß ein Thema für Tierliebhaber sein, auch aufseiten des Amtes sieht man das Problem.

Laut Verordnung liegt Verantwortung bei Landkreisen

Doch was hat es mit dieser Verordnung auf sich? Tatsächlich gibt es in Mecklenburg-Vorpommern eine sogenannte „Landesverordnung über die Übertragung der Ermächtigung zur Festlegung von Gebieten zum Schutz freilebender Katzen“ oder kurz: die Katzenschutzgebiet-Ermächtigungslandesverordnung. In dieser ist geregelt, dass Landkreise selbst die Verantwortung haben. Sie können sich selbst eine Verordnung geben. In dieser wäre dann etwa geregelt, dass Besitzer ihre Katzen kastrieren müssen und dass die Kennzeichnung und Registrierung von Katzen vorgeschrieben ist. Eine solche Verordnung kann für den ganzen Kreis oder nur bestimmte Gemeinden oder Ämter gelten. So würde die Verwaltung die Besitzer von Katzen anweisen, diese unfruchtbar zu machen. Wenn sie dann, aus welchem Grund auch immer, freikommen, können sie sich nicht mehr ungehindert vermehren. Das hat laut Anja Hübner viele Vorteile. Nach und nach würde es so weniger der freilaufenden Raubtiere geben.

Alles Punkte, die laut Hübner der Kreis übernehmen müsste und die bis jetzt – organisatorisch und finanziell – auf anderen Schultern ruhen. „Aktuell werden die Kosten ausschließlich ehrenamtlich getragen. Von den Vereinen, über Privatpersonen und Spenden. Aber genau das soll sich ja ändern, der Kreis muss in die Verantwortung genommen werden“, so die Kreistagspolitikerin. Die Kastration eines Katers kann schnell 100 Euro kosten, bei weiblichen Tieren wird es noch teurer. Abhilfe könnten groß angelegt Projekte, wie sie etwa die Kreisverwaltung mit dem Veterinäramt stemmen könnte, schaffen.

Wer muss für die teure Kastration aufkommen?

Beispiel Kastrationen. Die teuren, aber hilfreichen Eingriffe werden zwar von einzelnen Vereinen im Kreis übernommen, das jedoch nicht zielgerichtet, sondern nur bei akuten Fällen und auch nicht in der Fläche. Mit Stand Mai dieses Jahres sollen in Vorpommern-Greifswald bereits rund 180 freilebende Katzen kastriert worden sein.

Doch wozu der ganze Aufwand – wenn die Katzen doch jetzt schon kaum auffallen, sollten sie ja auch nicht stören? Falsch, meinen die Antragsteller. Freilebende Hauskatzen tun das nicht aus freien Stücken. Oft sind sie ausgesetzt und als gezüchtetes Haustier auch gar nicht an das Leben in der freien Wildbahn gewöhnt. Hier leiden sie entweder selbst oder führen anderen Tieren Schaden zu. Stichwörter seien hier die Übertragung von Krankheiten, die Verunreinigung von öffentlichen Plätzen, die auch der Mensch nutzt, und auch ein Eingriff in die Tierwelt als Jäger. „Das derzeitige Vogelsterben ist neben der Agrarwirtschaft zum großen Teil auch auf den Riss durch freilebende Katzen zurückzuführen,“ so Hübner.

Antrag sorgte für lebhafte Diskussion

Der Antrag ist in mehreren Ausschüssen des Kreistags besprochen worden. Eine besonders lebhafte Debatte gab es im Umweltausschuss, bei dem auch Dr. Vogel anwesend war. Er vertritt die Position des Kreises, die auch der stellvertretende Landrat Jörg Hasselmann bestätigte: Der Landkreis ist hier nur bedingt bis gar nicht zuständig. Auch wenn man das Problem mit den Katzen durchaus anerkenne: Die Zuständigkeit würde an anderer Stelle liegen. Beide sehen die Gemeinden, nicht den Kreis, in der Verantwortung. Seit wenigen Monaten gilt laut Vogel der neue Fundtiererlass. Fundtiere, also aufgegriffene freilebende Katzen, müssen von den Gemeinden mindestens ein halbes Jahr betreut und in dieser Zeit auch kastriert werden. Laut Vogel soll dem Erlass und der entsprechenden Umsetzung etwas Zeit gewährt werden, bevor der Kreis mit weiteren Regeln gegen Katzenbesitzer vorgeht. Am 24. August kommt der Kreistag nach der Sommerpause wieder zusammen und wird über den Antrag befinden.