Teures Vergnügen

Nachbarn signalisieren finanzielle Hilfe für Zarrenthiner Badeanstalt

Zarrenthin / Lesedauer: 5 min

Die Bürgermeister des Amtsbereiches Jarmen-Tutow haben sich offen dafür gezeigt, in ihren Kommunen über eine Unterstützung zu diskutieren.
Veröffentlicht:18.08.2020, 08:54
Aktualisiert:06.01.2022, 21:10

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„Wir halten die Badeanstalt für eine wichtige Einrichtung, weil es unserer Meinung nach die Lebensqualität der Leute aus dem Amtsbereich Jarmen-Tutow erhöht.“ Das erklärte Grit Gawrich, Bürgermeisterin der Betreiber-Gemeinde Bentzin, jetzt im Amtsausschuss. „Aber im Moment ist es so, dass uns die Luft ausgeht.“ Deshalb wollte sie dieses Thema auf Bitten ihrer eigenen Abgeordneten auf der Tagesordnung sehen, verbunden mit einem Hilferuf an die Nachbardörfer. „Uns würde jegliche Unterstützung helfen.“ Wobei es ihr nicht um die Schaffung einer Art Amtsbadeanstalt geht, auch wenn diesmal in den Raum gestellt war und vermutlich die einfachste öffentlich-rechtliche Lösung wäre. „Wir möchten gar nicht unsere Verantwortung abgeben.“

Als Notnagel zu Badzwecken genutzt

Die tragen die Bentziner seit drei Jahrzehnten. Schon lange zuvor war der Kiestagebau sozusagen als Notnagel offiziell zu Badezwecken umfunktioniert worden. Zwar nutzten Einheimische sein Ufer schon immer. Doch seit in den 1970er-Jahren die Jarmener Flussbadeanstalt aus baulichen und vor allem hygienischen Gründen aufgegeben werden musste – damals entwässerten die Zuckerfabrik und vor allem ein Teil der städtischen Kloake in die Peene – konzentrierte sich das Planschvergnügen zunehmend an dem zu dieser Zeit noch von einem Straßendamm nach Zarrenthin durchzogenen Baggersee. Mit der Wende stieß das Rathaus diese öffentliche Einrichtung angesichts der Kostenstruktur liebend gerne ab, als sich die Nachbargemeinde Bentzin anbot, den Laden zu übernehmen.

Zwar stellte sie schnell fest, dass das Ganze ein mächtiges Zuschussgeschäft ist, doch angesichts hoher Gewerbesteuern auch aus der Baustoffgewinnung und damit verbundener sechsstelliger Haushaltsüberschüsse störte das erst mal kaum. Mit dem Rückgang der Einnahmen und dem Abschrumpfen der Reserven veränderte sich das; nach der Jahrtausendwende wurde das Defizit immer häufiger Gegenstand von Diskussionen in der Gemeindevertretung. Die etliche Sparmaßnahmen beschloss, sich aber gleichzeitig stets zum Erhalt bekannte.

Mehrfunktionsgebäude für 300 000 Euro errichtet

Zumal über all die Jahrzehnte Hunderttausende Mark beziehungsweise Euro in Ausbau, Erschließung und Unterhaltung gesteckt wurden. Zu den Investitionen zählte neben der großen Rutsche, Strandkörben und einem Schwimmponton so mächtige Brocken wie die Asphaltierung der Zufahrt über den großteils Jarmen gehörenden Zarrenthiner Weg und zuletzt 2018/19 der Bau eines über das LEADER-Programm geförderten Multifunktionsgebäudes. Alleine dafür waren rund 300 000 Euro notwendig, ein Fünftel blieb als Eigenanteil an Bentzin hängen.

„Alles zusammen ist uns über den Kopf gewachsen“, erklärte Grit Gawrich im Amtsausschuss und listete eine Reihe Probleme auf. Das reicht vom eigentlich benötigten Nachtwächter für die Saison, der aus Kostengründen (mindestens 6000 Euro) seit dem vergangenen Jahr gestrichen wurde, über die durch die Absage des Musikfestivals „Wasted in Jarmen“ ausgebliebenen 4000 Euro Extra-Einnahmen bis hin zum durch die Corona-Pandemie bedingten Mehraufwand. Zwar hätten sie und ihre Mitstreiter so einige Ideen, um den Betrieb zu optimieren und Verbesserungen für die Nutzer zu schaffen. „Aber unsere Haushaltslage sagt, eigentlich dürften wir da gar nichts mehr machen.“ Da nutzen auch die mehr als 300 Euro wenig, die in einer eigens 2019 erstmals aufgestellten Spendenbox zusammenkamen. Unterm Strich verbleibt nämlich allein für diese Saison ein Minus von mindestens 10 000 Euro. Und ein Eintritt wie früher gilt als wenig probates Gegenmittel, weil selbst in besten Jahren damit gerade mal die Kassierer bezahlt werden konnten.

„Man sollte darüber in den Gemeinden reden”

Eine Verpachtung der Badeanstalt erscheint der Bürgermeisterin nur mit Blick auf die eigene rechtliche Verantwortung verlockend, wäre sie dabei dann aus dem Schneider. „Aber der Punkt ist ja der, dass das privat keiner ohne erheblichen Eintritt machen kann.“ Was mit Sicherheit neue illegale Badestellen ringsherum provozieren würde. Inklusive der Gefahren ohne Rettungsschwimmer vor Ort und der drohenden Vermüllung der Ufer.

Ähnlich sehen es ihre Amtskollegen, sodass selbst diejenigen Unterstützungswillen signalisierten, die mit der Tollense ein eigenes Badegewässer vor der Haustür haben. „Man sollte darüber in den Gemeinden reden. Ich denke, diese Badeanstalt ist von allen Gemeinden gewollt“, äußerte Daberkows Vizebürgermeister Thomas Kröchert. Tutows Dorfoberhaupt Roland Heiden erklärte sich umgehend offen für Überlegungen, eine nach Einwohnerzahl gerichtete Pauschale beizusteuern. Egal, wie viele der eigenen Leute nun tatsächlich an den Kiessee fahren.

Parkplatz-Regelung noch unzureichend

Der Amtsvorsteher, Alt Tellins Bürgermeister Frank Karstädt, schlug vor, bereits dieses Jahr zu helfen. Indem die Gemeinden Geld aus ihrem Kulturtopf dafür verwenden, der ja wegen Corona viel weniger als geplant beansprucht werde. „Die Badeanstalt ist ja im Moment das einzige Kulturelle, was im Amtsbereich stattfindet.“ Für nächstes Jahr sollte dann eine generelle Lösung gefunden werden.

Gleichzeitig machte die Runde dringenden Handlungsbedarf beim Parkplatz-Management vor der Badeanstalt aus. Zum einen dürfe es dort nicht weiter so ein zeitweises Verkehrschaos geben, bei dem selbst die Zufahrten regelmäßig zugeparkt würden. Zum anderen sei es überlegenswert, wenigstens das Abstellen von Fahrzeugen mit einem Obolus zu belegen. Damit etwas mehr Geld in die Kasse kommt, wenn schon niemand Eintritt zahlen muss. „Wir können doch nicht alles umsonst machen, wir sind ja nicht die Wohlfahrt“, äußerte Völschows Bürgermeister Thomas Breitsprecher. Wohl wissend, dass aus seiner Gemeinde ebenfalls so einige dorthin fahren. Auf lange Sicht werde sich ein Parkautomat wahrscheinlich rechnen, so seine Einschätzung.