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Ausflug

Neue Chance für das Gutshaus Dargibell

Vorpommern / Lesedauer: 4 min

Vom einstigen Prunkbau ist nicht viel übrig, erst recht nach den Plünderungen in den 90er-Jahren. Die neuen Besitzer wollen dem einstigen Adelssitz wieder zu Schönheit verhelfen.
Veröffentlicht:16.10.2022, 13:53

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Noch immer liegen Gutshäuser im Süden Vorpommerns brach, verlassen und verfallen. Ein Besuch lehrt nicht nur regionale Geschichte, sondern bietet auch Einblicke in die Natur.

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Natur-Spektakel auf Strom-Leitungen

Die traditionelle heimatkundliche Bustour des „Historischen Verein Anklam und Umgebung“ unter der Leitung von Dr. Neidhardt Krauß stand in dieser Saison unter dem Motto: „Von der Lilienthalstadt bis in die Ueckermünder Heide“. Das Wetter zeigte sich von ihrer besten Seite und so kamen die 52 Teilnehmer bei Sonnenschein am Dargibeller Gutshaus an.

Das kleine Dorf nahe Ducherow zählte deutlich mehr Schwalben als Einwohner, denn auf Leitungen und Dächern saßen mehr als 600 dieser gefiederten Insektenfresser. Die meisten waren Rauchschwalben, die sich von den schwarz-weißen Mehlschwalben deutlich durch ihren langen, tief gegabelten Schwalbenschwanz und die rotbraune Kehle unterscheiden.

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(K)ein feiner Unterschied

Solch große Ansammlungen ziehen auch den Erzfeind an, denn als die Anklamer sich an den Glücksvögeln begeisterten, schoss wie ein Blitz in die riesige Schar ein Sperber. Der kleine Greif, etwa nur so groß wie ein Eichelhäher, hatte aber keinen Jagderfolg, denn die zierlichen Schwarmflieger verwirrten beim Massenabflug den Angreifer.

Doch nun zum Gutshaus, welches in der Literatur auch immer wieder als Schloss oder Herrenhaus bezeichnet wird. Wo aber liegt der Unterschied zwischen diesen historisch wertvollen Bauten, fragt sich so mancher. Als Herrenhaus oder Gutshaus wird ein vom Gutsherren bewohntes Gebäude mit Gutshof bezeichnet. Je nach Region oder Größe wird es oft auch als Schloss bezeichnet. Es gibt auch weitere regionale Bezeichnungen. Sie waren typischerweise Sitz einer Grundherrschaft. Sie war vom Mittelalter bis in das 19. Jahrhunderts die geltende Form der Herrschaft des Adels und der Kirche über Land und abhängige Bauern, die den Landbesitz bewirtschaften.

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Saufhäuser und alter Adel

Hier fällt genau vor dem Gutshaus jetzt eine imposante Linde auf, die mit ihrer prächtigen Auslage zu den schönsten Solitärbäumen im ländlichen Dorfbild im Ducherower Land zählt. Das Gut Dargibell war seit 1651 im Besitz der Familie von Eickstedt, die sich gleich danach dieses Prunkhaus erbauen ließ. In der Mitte des 18. Jh. wurde aufgerüstet und umfangreich um- und ausgebaut. Bernhard von Schwerin-Busow (1831-1906) erweiterte das Gutshaus mit einer tief greifenden Umgestaltung in historischen Formen zwischen 1880 und 1890.

Der Rechtsritter des Johanniter-Ordens war mit Klara Gräfin von Kanitz (1870-1932), Tochter des Generals Rudolf von Kanitz, verheiratet. Von diesem Paar zeugt das Allianzwappen am Giebel. Im angrenzenden Saufhaus gab es auch so manches Trinkgelage mit dem Kommandeur des Kürassier-Regimentes des Oberst von Schwerin, der in Pasewalk einen Kavallerieverband der Preußischen Armee befehligte. Später wurde das Gutshaus, wie weitere Herrensitze der Familie von Schwerin vermietet, sodass 1934 hier die Kreisschule der NSDAP einzog. 1945 wurde die Familie enteignet. Flüchtlinge und Vertriebene wurden im Gutshaus untergebracht. Die örtliche LPG und die Gemeinde nutzten ab 1958 das Gebäude als Verwaltungssitz. Neben einem Speiseraum wurden der Kindergarten und eine Konsum-Verkaufsstelle eingerichtet.

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Große Pläne der neuen Besitzer

Nach der Wende wurde das Gutshaus leergezogen und Plünderungen begannen. Wandverkleidungen, Fußbodenfliesen und andere teilweise wertvolle Gegenstände wurden entwendet. Von besonderem Wert sind die Neorokoko-Stuckreliefs im Gartensaal sowie Wandschränke und die Treppe im englischen Landhausstil in der Eingangshalle. Es folgten mehrere Eigentümerwechsel, jedoch keine wesentlichen Bauunterhaltungsmaßnahmen.

Dies soll sich jetzt aber ändern, denn die neuen Besitzer aus der Schweiz haben Großes vor. Es soll wieder ein intakter Prunkbau entstehen. Der Anfang ist gemacht, denn neben den Aufräumarbeiten gibt es erst einmal wieder intakte Sanitäranlagen, Strom, sowie einige Fenster, die restauriert wurden. Die Eingangshalle, sowie Speise- und Spiegelsaal, werden zurzeit restauriert. Viel zu tun ist noch am barocken Speicherhaus im Feldsteinbau.

Sehr wohl fühlte sich hier noch auf dem Dach ein ständig singender Hausrotschwanz, der vom einstigen Felsenbrüter zum Gebäudevogel wurde. Eindrucksvoll auch eine 200 Jahre alte Mauer, gefertigt aus Stampfbeton, also aus gutem Kalk hergestellt ohne Zementzusatz, also mit Materialen aus der Umgebung.