Vierter Broocker Pilgersonntag
Pilger entdecken alte Wassermühle, neue Orgel und Lost Places
Broock / Lesedauer: 5 min

Stefan Hoeft
So früh wie in diesem Jahr gab es noch nie einen „Broocker Pilgersonntag“, entsprechend musste mit etwas kühleren Temperaturen gerechnet werden, insbesondere abseits vom lichten Sonnenschein. Trotzdem ließen es sich mehr als 80 Männer, Frauen und Kinder nicht nehmen, diese vierte Auflage der 2019 vom Pastor aus Hohenmocker und dem Projektleiter der Schlossbesitzer ins Leben gerufenen Veranstaltung buchstäblich anzugehen.
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Pilgern auch mit dem Fahrrad
Mehr als sonst nutzen dafür auch den Drahtsesel, die unterwegs immer wieder zu beobachtenden Pferde hingegen gehörten zu einer anderen Gesellschaft, wie Christian Schmidt von der Schlossgut Broock GmbH im Gespräch mit dem Nordkurier erklärte. Er zeigte sich ebenso mit der Beteiligung zufrieden wie Kirchenmann Christian Bauer. Zumal nach zwei Jahren Pandemie diesmal alles wieder deutlich lockerer wirkte und selbst an den Stationen mit Innenräumen keine Maske nötig war.
Alternative Routen
Beide mussten zwar feststellen, dass es mit Blick auf ein verträgliches Laufpensum und so manchen im Zuge der Feldbereinigung verschwundenen früheren Landweg schwieriger wird, gänzlich neue Routen zu erschließen. Doch dafür bot der Wanderplan gleich mehrere Alternativen und Abkürzungen, um Dopplungen oder eine Überforderung umgehen zu können. Von daher nutzten einige statt des im Vorjahr bereits enthaltenen Pfades am Nordufer der Tollense von Alt Tellin aus hin zur Ostner Brücke lieber den Broocker Wiesenweg auf der anderen Flussseite. Und der eine wie der andere führte letztlich nach Roidin, wo es gleich an zwei Anlaufpunkten Neuigkeiten zu besichtigen gab.
Mühle inzwischen außen saniert
Die alte Wassermühle etwa, die Bauer selbst 2016 gekauft hat, ist kaum noch wiederzuerkennen gegenüber jenem Zustand, in dem er sie beim ersten Pilgersonntag präsentiert hatte. Denn zumindest die Mauern einschließlich des Fachwerks und das Dach des Gebäudes, dessen Ursprünge bis in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts zurückreichen, sind inzwischen saniert beziehungsweise teilweise erneuert. Auch an den beiden Nebengebäuden hat sich einiges getan, aber nun dürfte es vor allem um die noch weitgehend in Ruhe gelassenen Innenräume der Mühle geben. Sie hofft der Pastor, für gemeinnützige Zwecke herrichten zu können.
Klingende Errungenschaft in Roidin
Mit einer klingenden neuen Errungenschaft aus Berlin konnte derweil die unweit gelegene Dorfkirche aufwarten. Der seit seiner Einweihung 1874 weitgehend unverändert gebliebene neugotische Feldsteinbau verfügt nun nämlich erstmals über eine Orgel. Sie war in der Hauptstadt ausgemustert worden und konnte 2021 von den Vorpommern kostengünstig erworben werden. Kirchenmusikerin Herta Lippold wurde nicht müde, den Pilgern immer wieder das volle Orchester „ihrer“ Königin der Instrumente vor Ohren zu führen. Und freute sich besonders, wenn mal jemand neben ihr auf der Bank Platz nahm und sich selbst an den Registern und Tasten versuchte.
Verfallenes Gutshaus
Wenig Grund zur Freude bot hingegen das ebenfalls an der Route liegende Gutshaus des Ortes, 1860 errichtet und nach dem Zweiten Weltkrieg unter anderem Flüchtlingsunterkunft und Heimat der Konsum-Verkaufsstelle. Mit der Wende dann kam der Leerzug, inzwischen scheint es dem Verfall preisgegeben.
Kapelle und Siedlung verschwunden
Schon längst verschwunden sind derweil zwei extra im Wanderplan erwähnte Punkte auf dem Pilgerpfad, die früher große Bedeutung für die Region hatten. Zum einen handelt es sich um jene Kapelle des einstigen Bauerndorfes Buchholz, die mitten auf der heutigen Straße zwischen den „obersten“ ehemaligen Tagelöhnerhäusern stand und über deren Ursprung genaue Angaben fehlen. Nach dem Dreißigjährigen Krieg war aber auch diese Siedlung nahezu ausgestorben. Das Gotteshaus galt 1660 als „verwüstet“, die Schwedenmatrikel zeigen für 1698 eine Ruine an. Als indes 1999 der historische Pflasterdamm durch Asphalt ersetzt wurde, stießen die Bauarbeiter auf die Fundamente der Kapelle und legten sogar Grabstellen frei.
Wassermühle aufgegeben
Lediglich erahnen lassen sich mittlerweile jene Teiche und Dämme, die mal zur unweit gelegenen Broocker Wassermühle gehörten. Im Zug der besagten schwedischen Landesvermessung fanden sie und der Name des Müllers (Hans Surland) zwar noch Erwähnung. Aber es wurde schon von häufigem Wassermangel berichtet, der das Handwerk erschwerte und mit zur Aufgabe des Standortes führte – vermutlich zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Jene Windmühle, die auf der Mühlenberg genannten Anhöhe westlich der Wassermühle stand, war da bereits Geschichte. „Später errichtete man westlich des alten Buchholzer Gutshofs eine neue Windmühle, die 1867 ‚auf Abbruch‘ verkauft und niedergelegt wurde“, heißt es in den Erläuterungen von Christian Schmidt und Christian Bauer.
Problem: Tollense-Querung
Die beiden tragen sich mit der Idee, 2022 eventuell erstmals einen zweiten Pilgersonntag zu veranstalten, allerdings böte der dicht gestrickte neue Terminkalender für die Schlossanlage dafür wohl erst im Herbst wieder Spielraum. Einher geht das Ganze mit Überlegungen, endlich auch mal den Bereich östlich von Broock zu erschließen. „Aber dort haben wir Probleme mit der Tollense-Querung“, erläuterte Schmidt. „Weil ich die Leute nicht offiziell über das Wehr zwischen Wietzow und Tückhude schicken darf.“ Damit aber seien Routen, die normale Fußgänger nicht überforderten und vor allem den Pilgercharakter nicht stören, ziemlich schwer zu finden. „So 14 Kilometer wie jetzt die große Runde, das ist schon das Äußerste.“