Zwillinge
Rudi und Ruth – so halten es Zwillinge 91 Jahre miteinander aus
Japenzin / Lesedauer: 4 min

- Maxi Koglin
Wenn heute in Japenzin die Traktoren über die Felder rattern und Tag und Nacht die Äcker bearbeiten, dann horcht Rudi Bäther manchmal immer noch auf. Am liebsten würde er sich dann selbst auf den Traktorsitz setzen und schon in den frühen Morgenstunden den Trecker über die Felder manövrieren. Vor einigen Jahrzehnten, als Rudi Bäther noch jünger war, da war er Traktorist. Gelernt hatte er den Beruf noch in Polen, bevor er mit seinen Eltern und neun seiner zehn Geschwister 1957 nach Deutschland kam.
Schweden begleiten Pflegealltag
„Er ist unruhig, will immer etwas tun“, sagt seine Frau Ingelore Bäther. Auch die Altenpflegerin, die Rudi Bäther betreut, stimmt dem zu. „Manchmal erzählt er, dass er nachts wach liegt und grübelt, wie er den Baum im Garten fällen kann“. Sie kommt jeden Morgen nach Japenzin, um ihn zu waschen. An diesem Morgen ist es aber besonders aufregend für Rudi Bäther, denn im Schlepptau hatte seine Pflegerin noch drei Personen. Sie gehören dem medizinischen Personal der schwedischen Delegation aus Burlöv an, die mit dem Pflegediesnt Baltz aus Anklam sich über Pflege der Länder austauschen.

Nur 300 Meter entfernt in einem alten Bauernhaus, mit niedrigen Decken und vielen kleinen Räumen, die liebevoll mit alten Möbeln, Bilder und bestrickten Puppen eingerichtet sind, lebt Ruth Pacholke. Auch sie wird von dem Pflegedienst betreut und bekommt an diesem Tag Besuch von den schwedischen Pflegekräften. Genau wie Rudi Bäther kam sie 1957 nach Anklam. Damals hieß sie noch Ruth Bäther – sie ist die Zwillingsschwester von Rudi. Ebenso wie ihr Bruder arbeitete sie in der Landwirtschaft. Womöglich lag ihnen das auch im Blut. Mehrfach betont Ruth Pacholke, dass schon ihre Mutter in Polen auf dem Feld arbeitete. Sie war Schnitterin.
Gemeinsamer Lebensweg seit 91 Jahren
Als die Zwillinge im Oktober 1932 zur Welt kamen, hatten ihre Eltern bereits fünf Kinder. Nach ihnen kamen dann nochmal vier weitere. Sodass Familie Bäther aus Mutter, Vater und elf Kindern bestand. Mittlerweile haben Rudi und Ruth alle ihre Geschwister zu Grabe getragen. Von der großen Familie sind nur noch sie übrig. Seit nun schon 91 Jahren teilen sich einen gemeinsamen Lebensweg. „Wir waren immer zusammen“, sagt Ruth Pacholke während sie in ihrem Lieblingssessel mit der roten Decke sitzt und lächelt.
Höhen und Schicksalsschläge
Sie erinnert sich gern daran, dass Rudi und sie alle Höhepunkte und Schicksalsschläge ihres Lebens gemeinsam gemeistert haben. Nicht nur den Mutterleib teilten sie sich, auch jede Krankheit. Ihre Mutter habe sie nämlich immer zusammen in ein Bett gesteckt, sobald einer von beiden krank war. „Wir mussten immer zusammen in ein Bett, damit der andere den Husten auch gleich bekommt“, erzählt Ruth Pacholke.

Neben Rudi Bäther war Harald Pacholke der wichtigste Mann in Ruth Pacholkes Leben. Mit ihm hatte sie drei Töchter, wobei die eine Tochter noch als Säugling mit drei Monaten verstarb. Eine weitere ihrer Töchter starb im Erwachsenenalter an Magenkrebs, genau wie später ihr Mann Harald Pacholke. Ihre letzte verbliebene Tochter besucht ihre Mutter regelmäßig. Aber auch ihre Enkeltochter schaut mit den beiden Urenkeln ab und an nach Ruth Pacholke.
Liebe auf den ersten Blick
Auch als Rudi Bäther seine spätere Frau Ingelore traf, war seine Zwillingsschwester an seiner Seite. Ingelore Bäther weiß es noch, als wäre es gerade erst passiert. Sie fuhr mit dem Bus nach Anklam. Dort standen dann Rudi und Ruth. Als er Ingelore sah, sagte er zu seiner Schwester „Die heirate ich mal“, erzählt Ingelore Bäther. Das tat er dann 1959 in Spantekow auch. „Wir lernten uns beim Tanz richtig kennen“, schwärmt sie. Tanzen haben die Bäthers geliebt. Voller Freude erzählt die 82-jährige von Rudi und Ruths 90. Geburtstag. „Wir haben beide nochmal getanzt. So richtig Walzer, wie früher. Ich dachte, es wird nur ein Geschuckel, aber er hat nochmal richtig ausgeholt.“
Aus ihrer Ehe gingen eine Tochter und ein Sohn hervor. Die Kinder der Bäthers sind mit ihren Familien in der Nähe geblieben. Mittlerweile erfreuen sich Rudi und Ingelore Bäther auch an vier Enkel- und vier Urenkelkindern.
Als Rudi Bäther an dem Morgen von der Pflegekraft und einer schwedischen Altenpflegerin aus dem Bad begleitet wird, wo er geduscht wurde, fragt ihn seine Frau, „Tanzt du jetzt nochmal Walzer mit mir?“ Rudi Bäther antwortet darauf nur mit einem breiten Lächeln.