Schauspielschüler helfen bei Kontaktnachverfolgung
Anklam / Lesedauer: 5 min

Dajana Richter
Seit Monaten haben die Mitarbeiter der Gesundheitsämter alle Hände voll zu tun. Denn gerade sie spielen bei der Eindämmung der Corona-Pandemie eine wichtige Rolle. Sie sind diejenigen, die die Kontaktlisten von Infizierten einholen, um diese dann nachzuverfolgen und mögliche Infektionsketten zu durchbrechen. Eine Aufgabe, die mit steigenden Infektionszahlen immer schwieriger wird.
Landkreis wird von Mitarbeitern des Landesbühne unterstützt
In der Stabsstelle Kontaktnachverfolgung des Kreises Vorpommern-Greifswald sind Mitarbeiter der Verwaltung, Werksstudenten sowie Mitarbeiter des Jobcenters mit der Ersterfassung von Kontakten beschäftigt. Extern wird der Landkreis zudem von der Bundeswehr und derzeit vier Mitarbeitern der Vorpommerschen Landesbühne unterstützt. Die anschließende Kategorisierung der Kontakte übernehmen Mitarbeiter des Gesundheitsamtes, wie Ärzte und Hygienefachkräfte. Diese Aufgaben werden an allen drei Standorten des Landkreises, also in Greifswald, Anklam und Pasewalk, wahrgenommen.
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Zu den neuen Hilfskräften aus dem Theater zählt auch die Schauspielschülerin Karen Kanke, die dieser Tage eigentlich als kleiner Muck auf der Bühne stehen wollte. Doch derzeit finden weder Aufführungen noch Proben statt. Des Weiteren haben sich Schauspielschüler Ole Riebesell, Anika Laß, die Choreografin des Theaters, sowie Lydia Raatz aus der Verwaltung gemeldet. „Wir wurden vom Theater angefragt. Am Anfang war ich nicht so ganz überzeugt“, gesteht Karen Kanke. „Aber jetzt merke ich, wie wichtig unsere Hilfe ist.“ Und auch Anika Laß ist beeindruckt: „Ich mache diese Arbeit erst wenige Tage und kann nur sagen: Hut ab vor den Kollegen, die dies schon sehr lange tun. Ich bin froh, dass ich helfen kann, und sehe, wie viel Mühe dahintersteckt, um die Fälle nachzuverfolgen.“
Vorab haben die vier Neulinge eine Schulung absolviert, in der sie medizinisches Know-how erhielten und mit dem Computerprogramm vertraut gemacht wurden. Seit März 2020 arbeitet der Landkreis mit der digitalen Plattform des Helmholtz-Instituts namens „Sormas“. Diese Software soll die Gesundheitsämter entlasten, indem sie das Management von Kontaktpersonen und Infektionsketten sowie den digitalen Austausch zwischen den Gesundheitsämtern verbessert. Das System wurde in Deutschland entwickelt und ist seit 2017 zur Bekämpfung der Ebola-Epidemie in Nigeria und Ghana im Einsatz.
Kontakttagebuch hilft, niemanden zu vergessen
Mittlerweile hat die Verstärkung aus dem Theater schon einige Schichten hinter sich. „Wir sind lediglich für die Ersterfassung zuständig. Wir geben zum Beispiel die Laborergebnisse an Getestete weiter und erklären ihnen, was der Befund nun für sie bedeutet“, berichtet Karen Kanke. Laut einer Allgemeinverfügung des Landkreises von Mitte Januar müssen Infizierte sich unverzüglich nach Bekanntgabe eines positiven Testergebnisses in Isolation begeben. Diese wird frühstens zehn Tage nach dem Erstnachweis durch das Gesundheitsamt beendet (der Nordkurier berichtete).
„Auch Kontaktpersonen werden durch uns abgefragt“, erzählt Karen Kanke weiter. Wichtig sind dabei alle direkten Kontakte des Betroffenen bis zu dem Tag, an dem die ersten Symptome aufgetreten sind – und noch zwei Tage weiter zurück. Denn schon vor dem Ausbruch der Erkrankung könnten die Betroffenen das Virus weiterverbreitet haben. Deshalb empfiehlt es sich derzeit, ein Kontakttagebuch zu führen, um im Notfall niemanden zu vergessen. Über die Weihnachtsfeiertage und den Jahreswechsel hätte ein Infizierter im Schnitt acht Kontakte gehabt, heißt es vom Landkreis.
Die Kontaktpersonen ersten Grades (KP1) müssen für 14 Tage in Quarantäne, aber keinen Coronatest machen. Allerdings ist ein solcher Test an Tag zehn der Isolation zur Verkürzung der Quarantäne möglich. Zur Kategorie eins zählen Kontakte, mit denen man weniger als 1,5 Meter Abstand hatte oder über 30 Minuten gemeinsam in einem schlecht belüfteten Raum verbracht hat. Andere Kontaktpersonen (KP 2) müssen zwar nicht in Quarantäne, sollten sich aber aufgrund möglicher auftretender Symptome für die Dauer von 14 Tagen genau beobachten.
Die meisten Menschen sind sehr kooperativ
Die eingeforderten Kontaktlisten werden zur weiteren Bearbeitung an den Landkreis übermittelt. Sie müssen, soweit möglich, den Namen, die Anschrift und eine Telefonnummer enthalten sowie den Hinweis, ob die Kontaktperson durch den Infizierten informiert werden konnte. „Viele kennen ihr Testergebnis bereits, bevor wir anrufen, zum Beispiel vom Hausarzt. Deshalb reagieren die meisten ruhig und gefasst“, beschreibt Karen Kanke ihre ersten Eindrücke. Dennoch werde das Thema Corona durch die Arbeit für sie viel persönlicher. „Vorher waren es für mich nur Zahlen in den Nachrichten, jetzt spricht man mit Menschen, bei denen sich das Virus direkt auf ihr Leben auswirkt, hört von Toten oder anderen Schicksalsschlägen.“
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Die meisten Menschen seien sehr kooperativ, heißt es auch vom Landkreis. Es gäbe zum Glück nur wenige Anfeindungen. Sollte es doch mal zu einem Fall der Verweigerung kommen, zum Beispiel, weil der Infizierte keine Kontaktliste erstellen will oder sich weigert, in Quarantäne zu gehen, wird der Zentrale Ermittlungs- und Vollzugsdienst (ZEV) des Landkreises um Unterstützung gebeten. Seit dem 4. Januar gab es 49 Einsätze des ZEV mit Corona-Bezug. 22-mal betraf es Personen, die positiv auf Corona getestet wurden, 27-mal waren es Kontaktpersonen ersten Grades. Anschließend hätten sich jedoch die meisten Betroffenen mit den Kontaktnachverfolgern der Stabsstelle Corona in Verbindung gesetzt. Nur wenn keine Kontaktaufnahme erfolgt, wird der Sachverhalt zur Prüfung und zur Einleitung eines Ordnungswidrigkeits-Verfahrens an die Bußgeldstelle weitergeleitet. Einmal musste bislang auch eine zwangsweise Unterbringung erfolgen. Dieser wird durch den Richter allerdings nur zugestimmt, wenn mehrere dokumentierte Verstöße vorliegen.