1. Mai

▶ Sitzblockaden und Übergriffe - NPD beendet Demo in Greifswald

Greifswald / Lesedauer: 7 min

Die geplante Groß-Demo der NPD zum 1. Mai In Greifswald geriet bereits nach wenigen Hundert Metern ins Stocken. Sitzblockaden zwangen den Aufzug der Rechtsextremen zum Umdrehen. Nach ersten Informationen kam es am Rande der Demo zu einzelnen Übergriffen.
Veröffentlicht:01.05.2021, 13:04
Aktualisiert:06.01.2022, 21:52

Von:
Artikel teilen:

Dieser Artikel wurde im Laufe des Tages stetig aktualisiert.

Die Polizei ist in Greifswald am Sonnabend mit einem Großaufgebot im Einsatz. Anlass ist eine von der NPD angemeldete Demonstration unter dem Motto „Tag der deutschen Arbeit – Unser Land braucht Zukunft!”, die am Hauptbahnhof der Stadt beginnen soll. Auch Frank Franz, Bundesvorsitzender der NPD und Spitzenkandidat seiner Partei bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern, ist vor Ort. Am Vormittag hatten sich zudem bereits zahlreiche Gegendemonstranten am Bahnhof und in der Stadt versammelt.

Obwohl die Demonstration eigentlich gegen 13 Uhr beginnen sollte, schätze ein Reporter vor Ort, dass sich am Bahnhof gegen 13.20 Uhr erst maximal 30 Anhänger der NPD versammelt hatten. Sie trugen zwei Flaggen bei sich. Im Vorfeld wurde mit einem viel größeren Aufgebot gerechnet. Auf dem Carl-Paepke-Platz gegenüber des Bahnhofs riefen hunderte Gegendemonstranten "Haut ab!" und schlugen vor, dass die NPD-Anhänger doch gleich mit dem nächsten Zug wieder nach Hause fahren könnten.

Nach Angaben der Polizei auf Twitter hielten sich die Gegendemonstranten bislang an die Abstandsregeln und trugen einen Mundschutz. Die Teilnehmer des NPD-Aufzugs wurden immer wieder aufgefordert, diesem Beispiel zu folgen, wie ein Demobeobachter schrieb. 

Auf dem Bahnhofsvorplatz versammelten sich nun mehr NPD-Anhänger, die mit einem Regionalzug eintrafen. Rund 120 Personen nehmen hinter Fahnen der NPD, deren Jugendorganisation und Flaggen von Mecklenburg und Vorpommern sowie getragenen Transparenten Aufstellung. Die Polizei hat den Bahnhof mit vielen Einsatzkräften und Absperrgittern umstellt. Der Demo-Zug der NPD dürfte in den nächsten Minuten los gehen.

14:30 Uhr - Sitzblockaden behindern NPD-Aufzug - Teilnehmer attackiert

Gegen 14:30 hatte sich der Demonstrationszug der NPD in Bewegung versetzt und zog über die Bahnhofstraße unter anderem am Veranstaltungszentrum "Ikuwo" vorbei und weiter über die Goethestraße in Richtung der sogenannten Europakreuzung – einem Verkehrsknotenpunkt am Rande der Greifswalder Altstadt. Die Polizei begleitete den Zug mit zahlreichen Einsatzkräften und schwerem Gerät, darunter auch einem Wasserwerfer. Inzwischen berichtet die Einsatzleitung von rund 750 Gegendemonstranten entlang der Strecke. Sitzbockaden im Bereich Mühlentor/Europakreuzung haben die NPD-Demo zwischenzeitlich kurz vor der Europakreuzung zum Stillstand gebracht. Auf der Bahnhofstraße hatte die Polizei eine Blockade bereits aufgelöst und die Beteiligten von der Straße getragen. Laut Polizei wurden vier Teilnehmer auf Seiten der NPD nahe des Hanserings attackiert. Nähere Umstände seien noch nicht klar.

15:20 Uhr - Demonstration wird umgeleitet

Der NPD-Demozug steht von behelmten Polizisten, einem Wasserwerfer und  auch teils von Polizeihunden abgeschirmt in einer Art Sackgasse am Ende der Goethestraße. Die geplante Route über die Europakreuzung in die Innenstadt ist durch Polizeiabsperrungen und hunderte Gegendemonstranten versperrt. Die Polizei sichert alle Zufahrtsstraße zur Goethestraße sowie den Greifswalder Stadtgraben, der an den jeweiligen Fußgänger-Brücken von Polizei-Hundeführern abgesperrt wird. Rufe der Gegendemonstranten und vereinzelt auch der NPD-Anhänger erschallen über den Graben. Teils werden Eier von Gegendemonstranten auf den vorderen NPD-Zug geworfen. 

Polizei und Demo-Organisatoren hatten sich nach der Blockade der Demonstration über längere Zeit beraten. Gegen 15.15 Uhr wendete der NPD-Demonstrationszug und setzte sich wieder in Richtung Bahnhof in Marsch. Ob von dort aus eine veränderte Route versucht werden soll, ist aktuell unklar. Die Rede ist von rund 150 Teilnehmern auf Seiten der NPD. Mehr als 200 Menschen hatten sich an Sitzblockaden beteiligt. Die Polizei berichtete von einzelnen Versuchen Barrikaden zu errichten.

Ein Teil der NPD-Anhänger ist derweil wieder auf dem Weg, das Land zu verlassen. Die Bundespolizei teilte via Twitter mit, dass rund 80 angereiste Personen wieder auf dem Rückweg nach Berlin seien – unter Aufsicht.  Die Versammlungsbehörde hatte die 80 Personen von der NPD-Demonstration ausgeschlossen, weil sie nicht aus Mecklenburg-Vorpommern kommen. „Diese Personen werden nun von uns im Bereich des Bahnhofes festgehalten”, schrieb die Polizei gegen 14 Uhr auf Twitter.

An der Autobahn 20 hat die Polizei heute verstärkt kontrolliert. Die Maßnahme dürfte im Zusammenhang mit den erwarteten auswärtigen Teilnehmern der Demonstration in Greifswald gestanden haben.

15:55 Uhr - Chef der Landes-NPD ruft zum "Widerstand" auf

Im Bereich Kreuzung Bahnhofstraße/Goethestraße stoppte die NPD ihren Demonstrationszug erneut – diesmal aber freiwillig. Die Polizei sprach von einer Zwischenkundgebung. Stefan Köster, Chef des NPD-Landesverbands und veruteilter Schläger, rief dabei zum Widerstand gegen die Politik in Deutschland auf. 

16:30 Uhr - Demo beendet

Mit einer abschließenden Kundgebung am Greifswalder Bahnhof endete die NPD-Demo in Greifswald gegen 16.30 Uhr. Dort sprach unter anderem der mehrfach verurteilte Straftäter und frühere NPD-Vorsitzende Udo Pastörs. Die geplante Strecke durch die Innenstadt konnten die Anhänger der Rechtsextremen nicht nehmen und mussten frühzeitig umkehren. Hunderte Gegendemonstranten hatten sich hinter den polizeilichen Absperrungen am Bahnhof versammelt und feierten demonstrativ mit Tänzen, Musik und Sprechchören den Rückzug der NPD-Anhänger. Die Polizei berichtet auf Twitter unterdessen, dass es aus den Reihen der Demonstranten zu Eier-Würfen kam und ermahnte die Teilnehmer der Gegendemo, auf die Einhaltung der Corona-Regeln zu achten.

Die Gegendemonstration kündigte nach dem Ende der NPD-Demonstration und teilweisen Abreise der Anhänger der Rechtsextremen eine eigenen Demo-Zug durch die Greifswalder Innenstadt an. 

Was NPD und Gegen-Demonstranten geplant hatten

Insgesamt 16 Versammlungen sollen in der Stadt stattfinden, die beim Landkreis Vorpommern-Greifswald als zwei Aufzüge und 14 Mahnwachen angemeldet wurden, so der Kreis und die zuständige Polizeiinspektion Anklam vorab in einer Mitteilung. Das Bündnis „Greifswald für alle” rief als Reaktion auf den NPD-Aufzug den Mahnwachen und Gegendemos auf. Lesen Sie hier dazu mehr.

Zahlreiche Straßensperren angekündigt

Auf den Tag genau vor zehn Jahren hatte es schon einmal eine große Demonstration der NPD in Greifswald gegeben, den die Polizei mit 1.000 Einsatzkräften begleitet hatte. Etwa 400 Anhänger der NPD liefen damals durch das südliche Greifswald, mehr als 3.000 Teilnehmer beteiligten sich an den Gegendemonstrationen, darunter auch der damalige Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD). So groß soll der Einsatz nun auch wieder werden, wie eine Sprecherin am Sonnabendmorgen ankündigte.

Für die Polizei stelle dieser Einsatz eine besondere Herausforderung dar, hieß es in einer Mitteilung. Darin weiter: „Der Schutz der Verfassung und die Gewährleistung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit bilden den Kernpunkt der polizeilichen Maßnahmen. Die grundrechtlich geschützte Versammlungsfreiheit unterscheidet nicht, welche Auffassungen und Meinungen vorgetragen werden, soweit sie sich friedlich im Rahmen der freiheitliche-demokratischen Grundordnung bewegen. Die Polizei ist zur Neutralität verpflichtet.”

Zudem kündigte die Polizei temporäre Straßensperren im Stadtgebiet an. Als neuralgische Punkte würden etwa die Goethestraße, die Bahnhofstraße und die Europa-Kreuzung sein, die etwa ab Mittag temporär gesperrt werden müssten. Verkehrsteilnehmer sollten sich darauf einstellen.

Polizei: Distanzieren Sie sich von Gewalt

Die Polizei hatte am Morgen des 1. Mai noch einmal dazu aufgerufen, friedlich zu demonstrieren. So heißt es in einem Appell von Gunnar Mächler, dem Leiter der Polizeiinspektion Anklam und dem zweiten stellvertretenden Landrat Dietger Wille, gerichtet an alle Versammlungsteilnehmer: „Beachten Sie bitte die geltenden Hygieneregeln! Halten Sie den Mindestabstand zur nächststehenden Person ein und tragen Sie eine medizinische Maske! Halten Sie die gebotenen Mindestabstände zu den Einsatzkräften ein! Distanzieren Sie sich von jeder Form von Gewalt! Helfen Sie mit, Störaktionen zu vermeiden! Nehmen Sie Ihr Recht auf freie Meinungsäußerung friedlich in Anspruch!”

Die Polizei will mit Kommunikationsteams unterwegs sein. Diese könnten direkt vor Ort angesprochen werden und seien an ihren gelben Westen mit der Aufschrift „Polizei-Konfliktmanagement” erkennbar. Gewalttätige Aktionen und Störversuche würden nicht geduldet und Straftaten konsequent geahndet, so eine Sprecherin.