Sommerfest
So feiert ein geteiltes Dorf mit DDR-Kultstars
Alt Tellin / Lesedauer: 4 min

Stefan Hoeft
Zu welchem Termin diese Teilung erfolgte, ist nicht mehr so einfach nachzuvollziehen. Doch rund oder vielleicht sogar genau zweihundert Jahre sind es nun schon her, dass das damals noch zum Rittergut Siedenbüssow gehörende Alt Tellin einen Teil seiner Gemarkung verlor — zugunsten der Gründung des heutigen Ortsteiles Neu Tellin.
So jedenfalls geht es aus alten Aufzeichnungen hervor, die zur Eröffnung des Sommerfestes der Gemeinde auf dem dortigen Töpferhof zitiert wurden. Dort fand bei schönstem Altweibersommerwetter ein kleiner Markt mit geselligem Beisammensein statt, bei dem Anwohner ihre selbstgemachten Schätze präsentierten — von Honig und Marmeladen über Selbstgenähtes und Gebasteltes bis hin zu Keramik. Längst nicht nur Gäste aus der eigenen Kommune nutzten dieses Angebot.

Preußische Reformen wirken sich bis heute aus
Dass dieses Dorf in seiner langgestreckten Form existiert, geht auf die Stein–Hardenbergschen Reformen in Preußen Anfang des 19. Jahrhunderts zurück, die auch die Landwirtschaft mit ihrer damals noch weit verbreiteten Leibeigenschaft erfassten. In deren Folge seien 1822—1825 aus Alt Tellin zwei Dörfer geworden, indem die Bauern aus Hohenbüssow auf diesen Teil der Feldmark am Nordhang des Tollenestales umgesiedelt wurden, erläuterten die Gastgeber Tine und Jochen Löber.

Damals entstanden so vier Doppelhöfe mit je einer Brunnenstelle. Später sei in den Überlieferungen von neun Feuerstellen mit immerhin 81 Einwohnern die Rede gewesen, den Viehbestand bezifferten diese Papiere auf 28 Pferde, 52 Rinder, 119 Schafe, 40 Schweine und zwei Ziegen. So viele sind es heute längst nicht mehr, und auch nicht jeder dieser Doppelhöfe existiert noch als solcher. Doch irgendwie passt diese gemeinsame Geschichte dazu, dass sich das Sommerfest der Gemeinde 2023 am Ende in den beiden Tellins abspielte.
Im Hauptdorf ging es nachmittags mit einem kleinen Programm für die Kinder weiter, während in der Storchenbar zur Kaffeetafel geladen wurde. Musikalisch umrahmt von den „Tollensetalern“, füllte sich das Lokal rasch — bis auf ein paar freie Plätze. Deutlich und auch für Bürgermeister und Gastwirt Frank Karstädt unerwartet leerer sah es dort dann am Abend aus, als hochkarätige Interpreten die Bühne rockten.

„Hans die Geige“ und „Quaster“ begeistern
Immerhin machte mit Hans Wintoch alias „Hans die Geige“ ein Mann den Auftakt, der seine 50–jähriges Bühnenjubiläum feierte und vielen bereits aus DDR–Tagen bekannt ist. Auch in dieser Ecke von Vorpommerns Provinz war der Künstler längst nicht das erste Mal, zuletzt spielte er beispielsweise vor fünf Jahren in der Storchenbar, in den 2000ern im benachbarten Siedenbüssow und den 1980ern im Kulturhaus Daberkow, wie sich einige Besucher erinnerten.

„Die leeren Stühle wurden rausgetragen, so ist jeder Platz besetzt“, nahm der Musiker die Situation mit Humor und legte sich dann so ins Zeug, dass trotzdem schnell beste Stimmung in der gut 50 Köpfe zählenden Runde aufkam. Egal ob nun mit rockigen oder klassischen Tönen wie zur „Moldau“ von Smetana oder Kompositionen wie der „Rhapsody in Blue“, die Jazz, Blues und konzertante Sinfonik verbindet, der bald 69–Jährige verstand die Zuhörer zu begeistern.

Gleiches gelang „Quaster and Friends“, die im Anschluss und diesmal als Trio aus eben dem legendären Gitarristen und Sänger Dieter Hertrampf, Gründungsmitglied der Puhdys, sowie seinem späteren Band–Kollegen Peter Rasym (Bass) und dem „Schatten“ Frank Toeffling auftraten. Die drei Herren nahmen das Publikum unplugged mit auf eine Zeitreise durch das musikalische Leben Quasters, angefangen von ersten Coversongs bis hin zu den Hits der Puhdys, holten für einzelne Songs auch Geiger Wintoch in ihre Mitte.
Immer wieder klatschten und sangen die Leute mit, erst recht beim großen Finale mit „Alt wie ein Baum“ und „Hey, wir woll’n die Eisbär’n sehn!“, einem Song für den gleichnamigen Hauptstadt–Eishockey–Verein. Die Vorpommern, die an diesem Abend den Weg in die Storchenbar gefunden hatten, schienen sich jedenfalls bestens amüsiert zu haben.