Corona-Demos

So zählt die Polizei Demonstranten

Vorpommern / Lesedauer: 3 min

Bei vielen Corona-Demos klaffen die Meinungen über die Zahl der Teilnehmer auseinander. Oft wird unterstellt, es würden absichtlich falsche Zahlen veröffentlicht. Das sagt die Polizei dazu.
Veröffentlicht:14.01.2022, 15:43
Aktualisiert:15.01.2022, 17:39

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Ob bei Corona-Demos in Pasewalk, Torgelow, Anklam oder anderen Städten – fast immer gehen die Meinungen über die Anzahl der Demonstranten auseinander. Oft sind die Teilnehmer überzeugt, sie seien viel mehr gewesen, als öffentlich bekannt gegeben wird. Nicht selten wird Behörden und Medien vorgeworfen, sie würden die Zahlen absichtlich klein rechnen.

Dazu besteht überhaupt kein Anlass, sagte Andrej Krosse aus der Polizeiinspektion Anklam auf Nordkurier-Nachfrage. „Wir sind bei der Angabe der gezählten Teilnehmer objektiv und haben kein Interesse, diese besonders hoch oder niedrig anzusetzen. Das unterscheidet uns sicherlich von Veranstaltern oder Interessenvertretern.“

Bei jeder Versammlung gebe es unterschiedliche Bedingungen. „Ein paar Hundert Teilnehmer auf einem Markplatz sind natürlich übersichtlicher und lassen sich genauer zählen, als mehrere Tausend, die sich auf mehrere Straßen und Plätze verteilen.“ Die Polizei zähle in der Regel zu Spitzenzeiten, also dann, wenn die meisten Teilnehmer vor Ort sind. Die Teilnehmerzahl sei nämlich „meist recht dynamisch ist, insbesondere mit Blick auf Zu- und Abwanderung zu Beginn und zum Ende“.

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Raster-Methode kommt zum Einsatz

Für ein möglichst genaues Ergebnis der Zählung verwende die Polizei grundsätzlich die Raster-Methode, gemeinhin auch Block- oder Cluster-Methode genannt, bei der pro Quadratmeter die Teilnehmer gezählt und dann auf die Gesamtfläche hochgerechnet werden. „Mit den Zählungen sind während der Versammlungen Polizeibeamte beauftragt. Da, wo es möglich ist, gleichen wir unsere Zählung mit der Zählung der originär zuständigen Institutionen, etwa der Versammlungsbehörde, ab“, erklärt Andrej Krosse.

Mit dieser Methode gebe es langjährig Erfahrung. „Unsere Zählweise hat sich als geeignet erwiesen, um einen realistischen Überblick über die Teilnehmerzahl zu bekommen.“

Ein standardisiertes Zähl-oder Schätz-Verfahren für alle Anlässe und Eventualitäten gebe es nicht. Es werden auch nicht überall Hubschrauber eingesetzt, um von oben eine Übersicht zur Zählung zu bekommen. Drohnen oder ähnliche technische Hilfsmittel kämen prinzipiell nicht zum Einsatz. „Sie dürfen dann angewendet werden, wenn sich eine besondere Gefahrenlage ergibt“, so der Polizeisprecher.

Eine Erklärung für übergroße Teilnehmerzahlen, die oft von Teilnehmern verbreitet werden, will weder die Polizei in Rostock noch die in Neubrandenburg abgeben. Man habe keine Einsicht in die jeweilige Zählweise.

Möglicherweise zählen Veranstalter anders

Es lässt sich spekulieren, dass die Veranstalter versuchen, alle Teilnehmer während der gesamten Versammlung zu zählen, während die Polizei die Teilnehmer zu einem bestimmten Zeitpunkt ermittelt und hochrechnet. Die unterschiedliche Zählweise würde die großen Unterschiede bei den Teilnehmerzahlen jedoch nur zum Teil erklären.

Prof. Dr. Volkmar Liebscher, Leiter des Lehrstuhls für Biomathematik und Statistik an der Universität Greifswald, bewertet die Block-Zählweise auf Nordkurier-Nachfrage als die bestmögliche Methode bei Demonstrationen: „Man muss sich dann aber darauf verlassen, dass sich überall in etwa gleich viele Menschen pro Quadratmeter befinden.“ Die Genauigkeit hänge zudem davon ab, „einen möglichst großen Teil der Menschenansammlung zu zählen“.

In Rostock sprach der Veranstalter zuletzt von 20.000 Teilnehmern. In Telegram-Chats kursierte gar die Zahl 26.000. Die Polizei in Rostock meldete hingegen 4.000 Teilnehmer. Bei der jüngsten Corona-Demo am 10. Januar in Pasewalk wichen die geschätzten Zahlen ebenfalls extrem voneinander ab. Der Nordkurier hatte zu Beginn auf dem Marktplatz bis zu 200 Teilnehmer gezählt. Polizei und Veranstalter kamen zu einem späteren Zeitpunkt auf rund 450 Demonstranten. Eine Teilnehmerin war der Überzeugung, mindestens 1.000 Personen gesehen zu haben.