Augenzeugenbericht
Verdammt nah dran am A20-Geisterfahrer
Jarmen / Lesedauer: 3 min

Frank Wilhelm
Wir fuhren beschwingt von der Aufführung der Komödie „Ein seltsamer Heiliger oder Ein irrer Duft von Bibernell” Samstagnacht von Wolgast zurück nach Neubrandenburg. Kurz vor Gützkow beschäftigte uns allerdings nicht mehr der seltsame Heilige, sondern eher ein seltsamer und offensichtlich irrer Autofahrer. „Falschfahrer auf der Autobahn 20 zwischen Stralsund und Grimmen unterwegs. Vorsicht! Benutzen Sie die rechte Fahrspur und überholen Sie nicht!” hieß es gegen 23 Uhr Radio.
Wenige Sekunden später wurde die gleiche Meldung auch durch das Navigationsgerät angezeigt. Ich war als Fahrer noch ruhig. Erstens waren wir noch nicht auf der Autobahn. Zweitens ist der Abschnitt Stralsund-Grimmen weit weg von der Auffahrt Gützkow, von wo aus wir Richtung Neubrandenburg fahren wollten.
Doch meine Mitfahrerinnen, meine Frau und unsere Mütter, reagierten ganz und gar nicht gelassen. Eine seltsame Stille machte sich im Auto breit. Jeder hoffte auf die erlösende Meldung: „Falschfahrer gestoppt”. Doch diese Meldung kam nicht.
Geisterfahrer im Abschnitt Greifswald-West
Trotzdem fuhren wir auf die A20, denn, wie gesagt, Grimmen war ja weit weg. Ich drückte auf die Tube. Wir waren alle müde und wollten nach Hause. Der Tacho zeigte 150 km/h. Nach wenigen Minuten hieß es plötzlich via Radio und Navi, der Geisterfahrer sei im Abschnitt Greifswald-West gesichtet worden. Er kam uns näher.
„Da kommt er!”, rief meine Frau plötzlich. Fehlalarm. Doch meine Frau bleib unruhig. „Jetzt aber langsamer und rechts.” Ich versuchte es mit Gelassenheit und Logik. „Wenn er auf der falschen Spur unterwegs ist und sich in unsere Richtung bewegt, dann muss er auf der Gegenfahrbahn fahren”, meinte ich.
Falschfahrer bei Jarmen aus dem Verkehr gezogen
Kurz danach ein Blaulicht auf dieser Gegenfahrbahn. Erst jetzt fiel mir auf, dass dort, in Richtung Rostock, schon minutenlang kein Auto mehr zu sehen war. Was war da los? Jetzt erfasste auch mich eine gewisse Angst. Ich ordnete mich mit 100 km/h auf die rechte Spur der Vernünftigen ein. Andere Fahrer, die Verrückten, brausten ungerührt an uns vorbei. Jetzt war das zweite Blaulicht auf der anderen A20-Seite zu sehen. Die Polizei nahm den Geisterfahrer zum Glück sehr ernst. Klar, es wäre gar nicht auszudenken, was bei einem Frontalunfall passiert wäre.
Erst später erfuhren wir, dass die Polizei die Fahrer Richtung Rostock an der Auffahrt Anklam von der A20 herunterwinkte. Ich bog schließlich schon in Altentreptow von der Autobahn ab und zuckelte auf der ehemaligen B96 in die Viertorestadt. Am Sonntagmorgen las ich dann bei nordkurier.de, dass der Geisterfahrer bei Jarmen von der Polizei aus dem Verkehr gezogen wurde. Zuvor hatte der Verrückte an der Baustelle Trebeltal gewendet. Wahnsinn! Trotzdem ist nichts passiert, nicht zuletzt dank der Polizei.
Aber wir waren doch verdammt nah dran am Grauen.