Naturreporter

Volle Tropenpracht mitten in Vorpommern

Vorpommern / Lesedauer: 3 min

Eine geradezu tropische Blütenpracht kann bestaunen, wer jetzt einen Ausflug ins Landgrabental unternimmt. Was die DDR-Melioration einst zerstörte, haben Naturschutz-Programme wieder gerichtet.
Veröffentlicht:29.05.2022, 08:45

Von:
  • Norbert Warmbier
Artikel teilen:

Hier, im Flächennaturdenkmal „024 Landgrabenwiesen bei Rebelow“, schreibt der Frühling das schönste Drehbuch. Denn der Mai, der Lieblingsmonat der Deutschen, entfaltet an diesem Ort eine tropische Blütenpracht. An den Hängen des Landgrabentals zwischen Zinzow, Rebelow und Rehberg findet sich vielerorts zarte Blütenkunst, und so wurde ein gewaltiger Teil zum Landschaftsschutzgebiet „L 90 Landgrabental“ im Südwesten Vorpommern-Greifswalds geadelt. An den Talhängen hat sich durch die Pflegepläne der Unteren Naturschutzbehörde eine seltene Trockenrasenfläche gebildet und ein bezauberndes Quellmoor erhalten.

Lesen Sie auch: Hallo Vögelchen, flieg nicht so schnell – du wirst gezählt!

Torfschicht ist bis zu sieben Meter tief

Das Landgrabental als Bestandteil des Mecklenburgisch-Vorpommerschen Grenztals entstand vor etwa 14.000 Jahren während der letzten Vereisungsphase der Weichseleiszeit und stellt selbst eine nacheiszeitliche Abflussbahn dar. Die abschmelzenden Gletschermassen bildeten einen Stausee. Die Abflussbahnen schnitten sich tief in die umgebenen Moränenplatten ein und führten zu einer kerbtalförmigen Ausformung des Landgrabentals. Durch einen Anstieg des Meeresspiegels als Folge der nacheiszeitlichen Erwärmung kam es zu einer flächenhaften Versumpfung der Talniederung. An den Talrändern trat dagegen verstärkt kalkreiches Grundwasser aus, was zur Bildung von Hangquellmooren führte. In der Niederung bildete sich ein gewaltiges Durchströmungsmoor mit Seggen und Schilf. Hier herrscht der Bodentyp Torf mit einer Mächtigkeit von bis zu sieben Metern vor.

Vom Aussterben bedrohte Mehlprimeln wachsen hier zu Tausenden

Kleinflächige Entwässerungsmaßnahmen im heutigen Landschaftsschutzgebiet erfolgten im 16. Jahrhundert zur Gewinnung von Streu und Heu. Aber auch die Quellhangbäche wurden aufgestaut und Mühlen gebaut. Die größten und intensivsten Entwässerungen im Landgrabental wurden durch gewaltige Meliorationskomplex-Maßnahmen zu DDR-Zeiten durchgeführt, so dass viele Flächen nach der ersten Wiesenmahd regelrecht versteppten.

Auch interessant: Wanderlustiger Räuber streift durch Vorpommern

Eine Wende zur naturfreundlichen Wiedervernässung und anschließenden Pflege brachten die A20- Kompensationsmaßnahmen „Renaturierung Landgrabental zwischen Rebelow und Zinzow“. Die naturraumtypischen Talhangpflanzen im Flächennaturdenkmal werden durch Schafbeweidung und Mahd gegen Ver-buschung geschützt. So stehen jetzt tausende Mehlprimeln in voller Frühlingspracht. Dabei handelt es sich um ein deutschlandweit vom Aussterben bedrohtes Blühwunder.

Hier gibt es auch Seeadler, Rot- und Schwarzmilane

Die Primel mit den mehlartig überzogenen Blättern ist ein Eiszeitrelikt. Dies bedeutet, dass die letzte Eiszeit diesen kälteliebenden Pflanzen ermöglichte, sich in vorher unerreichbaren Gebieten anzusiedeln – dazu gehört das Landgrabental. Selbst nach dem Rückzug des Eises konnten sich Populationen der Mehlprimel in diesen neuen Lebensräumen erhalten. An den Hängen des Landgrabentals sind die farbenprächtigen Grazien die Leuchtfeuer erfolgreicher Umweltschutzmaßnahmen der Unteren Naturschutzbehörde.

Heute kann man hier mit etwas Glück auch bis zu fünf Seeadler, sechs Rot- und acht Schwarzmilane beobachten. Neuerdings werden hier Wander- und Baumfalken regelmäßig gesichtet.

Mehr lesen: Blühendes Erwachen an den alten Wikingergräbern