Baukosten

Vorpommern sind besorgt über Preisexplosion

Anklam / Lesedauer: 4 min

Von der kleinen Gartenhütte bis zum Hausbau oder zu kommunalen Großprojekten: Die Kosten für Baustoffe steigen von Woche zu Woche. Das ruft bei vielen große Sorgen hervor.
Veröffentlicht:04.05.2021, 17:24
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Es ist eine Situation, wie sie Baufirmen aus DDR-Zeiten kennen: Aktuell müssen die Unternehmen jeder Holzlatte, jedem Balken hinterherjagen. Der Grund für die Lieferprobleme nicht nur bei Holz, sondern vielen weiteren Baustoffen in ganz Deutschland ist, dass auf der anderen Seite des großen Teiches das Bauwesen boomt. Verarbeitetes Holz wird in die USA verkauft.

Holzindustrie hat Produktion heruntergefahren

Wegen Corona hat die Holzindustrie dort ihre Produktion heruntergefahren. Kanada kassiert darüber hinaus zusätzlich Zölle, deshalb weichen die Händler auf Europa aus. „Es ist nicht nur der zunehmende Export, der uns zu schaffen macht, auch die Holzpreise haben sich in den vergangenen drei Monaten verdoppelt oder verdreifacht“, sagt Benny Marlow, Standortleiter bei Jacob Cement Baustoffe in Neubrandenburg und Pasewalk. Jacob Cement ist in der Region einer der großen Partner der Bauunternehmen. Die ersten Engpässe, verbunden mit dem Preisanstieg, waren tendenziell bereits im Spätherbst zu bemerken, sagt Marlow.

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„Dann wurde diese Situation von Woche zu Woche spürbarer, sodass regelrecht ein Gedrängel um Baustoffe begann. Wie damals beim Klopapier. Es wird mehr als benötigt bestellt und eingekauft, weil man die Materialien, wenn man sie erhält, aus Angst hortet. Das betrifft KG-Rohre, Dämmung, OSB-Platten. Horten verschärft natürlich die Situation“, sagt er. Problematisch sei zudem, dass zunehmend Baustoffe mit Tagespreisen gehandelt werden.

„Keine Abflachung des Problems in Sicht“

„Wir nehmen die Bestellungen an, können aber zu dem Zeitpunkt keine Preise der Hersteller nennen. Das verschlimmert die Situation extrem gerade für jene Baufirmen, die vor Monaten Verträge abgeschlossen und für ihre Aufträge Fix-Preise ausgehandelt haben. Diese Firmen haben jetzt Schwierigkeiten, ihre Mehrkosten weiterzugeben“, sagt Benny Marlow. Auch wenn es ein Eingriff in marktwirtschaftliche Abläufe und deshalb schwierig sei: Aus der Sicht Marlows muss die Bundespolitik handeln. Es könne nicht sein, dass ein Markt regelrecht leer gekauft werde. „Und: Es ist aktuell keine Abflachung des Problems in Sicht.“ Dass es bei den Baumaterialien derzeit nicht nur beim Holz deutlich teurer wird, hat jüngst auch die Stadt Anklam beim Schulneubau gemerkt. Gut eine Million teurer als veranschlagt wurde letztendlich der Rohbau nach einer beschränkten Ausschreibung vergeben. Die Abfrage bei den Firmen habe dabei ergeben, dass es nicht nur an der Auslastung der Firmen liegt, sondern eben auch an den hohen Rohstoffpreisen, die die Kosten durch die Decke treiben.

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Doch nicht nur Handwerker, Händler und Kommunen bekommen das zu spüren. Auch die ganz normalen Kunden im Anklamer Toom-Baumarkt müssen sich an deutlich höhere Preise gewöhnen. Im Stahlbereich sei der Einkaufspreis um rund zehn Prozent gestiegen, bei Holz jeglicher Art sind es sogar zwischen 40 und 60 Prozent innerhalb weniger Wochen, erklärt Chef Dirk Laske. Erste Lieferanten kündigen deshalb schon die Verträge. Es sei eine „Vollkatastrophe“, sagt Laske und macht klar: „Bei den Händlern bleibt da derzeit kein Cent mehr hängen, ganz im Gegenteil.“ Er betrachtet die steigenden Preise durchaus mit Sorge. „Die Menschen gucken allein durch die Corona-Krise mehr auf das Geld und sind vorsichtiger. Die Preisspirale kann deshalb nicht ins Unendliche gehen. Das kann man an die Leute nicht weitergeben“, erklärt er. Insgesamt seien die Kunden aber gut aufgeklärt und wissen um die besondere Lage aus den Medien, so Laskes Wahrnehmung.

Christoph Bade, Obermeister der Bau-Innung in Vorpommern-Greifswald und Inhaber von Bade Baustoffe in Mönkebude, sorgt sich sowohl um den spürbaren Materialmangel als auch um die preisliche Entwicklung für Baustoffe. Die Preissteigerung bis zu 100 Prozent innerhalb von acht Wochen beim Holz schlage richtig durch, sagt er. „Wenn Baustoffe nur noch zu tagesaktuellen Preisen verkauft werden, dann ist es den Bauunternehmen nicht mehr möglich, die Kosten einer Baustelle real zu kalkulieren.“ Damit beginne eine Kette ohne Ende.

Obermeister fordert politische Entscheidungen

Auch er sieht den US-Markt als Preistreiber. „In den vergangenen Jahren hatten hier alle gut zu tun, von einem besonderen Bauboom, gerade in unserer Region, kann keine Rede sein. Wir haben auch nicht mehr Handwerker, die mehr Material ordern“, sagt er. Auch Christoph Bade vertritt die Auffassung, dass politische Entscheidungen auf den Tisch gehören, damit die Baubranche nicht dauerhaft Schaden nimmt. Aktuell sei der Trend so, dass sich Materialknappheit und Preisanstieg fortsetzen. „Daran kann niemand ein Interesse haben, da die Baubranche ein Motor der Wirtschaft ist“, sagt der Innungsobermeister.