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Landwirtschaft

Warum es auf Vorpommerns Feldern jetzt Erbsenfenster gibt

Zinzow / Lesedauer: 3 min

Wie Artenvielfalt und Landwirtschaft unter einen Hut zu bekommen sind, wird seit sechs Jahren von der Zinzower Agrargesellschaft ausprobiert.
Veröffentlicht:24.06.2022, 05:29

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Auf der einen Seite steigt der Bedarf an landwirtschaftlichen Produkten. Auf der anderen Seite wächst der Wunsch nach der Bewahrung der biologischen Vielfalt. Irgendwo dazwischen stehen die Landwirte. Wie beide Anforderungen unter einen Hut zu bekommen sind, daran wird auch in Vorpommern gearbeitet.

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Die Agrargesellschaft „Am Landgraben” Zinzow beteiligt sich als einer von zehn Betrieben bundesweit bereits seit sechs Jahren an dem Projekt F.R.A.N.Z. (Für Ressourcen, Agrarwirtschaft und Naturschutz mit Zukunft).

Ziel: Artenschutz ohne wirtschaftliche Einbußen

Ziel des Projektes ist es, Maßnahmen zu entwickeln und auszuprobieren, die die Artenvielfalt in der Agrarlandschaft erhöhen und auf andere Betriebe übertragen werden können. Zugleich sollen sich diese Maßnahmen gut in die betrieblichen Abläufe einbauen lassen und möglichst keine wirtschaftlichen Einbußen nach sich ziehen.

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Zu den Maßnahmen, die von der Zinzower Agrargesellschaft auf elf Prozent ihrer Flächen erprobt werden, gehören unter anderem breite Blühstreifen an Feldrändern, sogenannte Feldvogelstreifen, Insektenwälle und der Anbau von Extensiv-Getreide, bei dem der Bestand weniger dicht ist und weitgehend auf Pflanzenschutzmittel verzichtet wird. Bei einer Fachveranstaltung wurden in Zinzow nun die erste Ergebnisse des Projektes, das auf insgesamt zehn Jahre angelegt ist, vorgestellt.

Wissenschaftler finden mehr Vögel und Insekten

Und offenbar scheint es zu funktionieren. So erklärte Dr. Jannik Beninde vom Michael-Otto-Institut im Nabu, welches das Projekt wissenschaftlich begleitet, dass die Pflanzenvielfalt in den Maßnahmeflächen – bezogen auf alle Betriebe – im Schnitt um bis zu 150 Prozent höher liege, als in konventionellen Ackerrändern.

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Auch die Zahl von Insekten wie zum Beispiel Schwebfliegen und Laufkäfer sei im Vergleich zu den „normalen” Kontrollflächen wesentlich höher. Wobei allerdings auch zu beobachten sei, dass die Effekte der unterschiedlichen Maßnahmen verschieden hoch sind. So fühlen sich die Sechsbeiner offensichtlich in Blühstreifen und blühenden Vorgewenden wohler als im Extensiv-Getreide.

Auch die Zahl der Feldvogelarten sei auf fast allen Flächen der am Projekt beteiligten Betriebe gestiegen. Die Zahl der Feldlerchen sei so dank kleiner Flächen im Feld, wie den sogenannten Erbsenfestern, bis auf das siebenfache gestiegen.

Nicht zum Nulltarif zu haben

Vor allem Erbsenfester, Blühstreifen und Insektenwälle hätten aber auch positiven Einfluss auf die Anzahl der Feldhasen, berichtete Jannik Beninde. Generell sei bisher zu beobachten gewesen, dass sich die einzelnen Maßnahmen unterschiedlich auf Tiere und Pflanzen auswirken, so dass nur ein auf die lokalen Bedingungen abgestimmter Maßnahmen-Mix allen Organismen zugute komme.

Wie es in den Projektzielen festgeschrieben ist, soll das, was gut für Laufkäfer und Feldhasen ist, auch nicht schlecht für die Landwirte sein. Marco Gemballa, Chef der Agrargesellschaft, zeigte sich mit dem bisherigen Verlauf recht zufrieden. So habe er zumindest auf den betreffenden elf Prozent der Flächen kein Risiko, da die Ertragsausfälle im Rahmen des Projektes ausgeglichen werden.

Denn auch Artenschutz gibt es nicht zum Nulltarif. Wie Anika Bosse vom Thünen-Institut für Betriebswirtschaft erläuterte, belaufen sich die Kosten für einen mehrjährigen Blühstreifen auf den Zinzower Flächen im Schnitt auf 790 Euro pro Jahr und Hektar. Ein Insektenwall schlägt mit 851 Euro zu Buche und Extensiv-Getreide immerhin noch mit 604 Euro.