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Versteigerung

Wer will eines der ersten DDR-Kulturhäuser haben?

Bandelin / Lesedauer: 4 min

Einst tobte hier das Dorfleben. Die Front ziert der Dichter der DDR-Hymne. Jetzt ist es nur noch eine Ruine. Das ehemalige Kulturhaus Bandelin soll mal wieder versteigert werden. 
Veröffentlicht:21.11.2023, 18:10

Von:
  • Ralph Sommer
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Der Treppenzugang ist fast zugewachsen. Holzbretter versperren Türen und Fenster im Erdgeschoss. Eine Etage darüber wehen Regenschauer durch die zerschlagenen Fensterscheiben. Das einstige Kulturhaus in Bandelin nördlich von Jarmen Richtung Greifswald steht noch immer unter Denkmalschutz, doch es verfällt zur Ruine.

Autor der DDR-Hymne zu sehen

Fast auf den Tag genau vor 70 Jahren war hier das ganze Dorf auf den Beinen. In Sichtweite des Schlosses, einst Landsitz des pommerschen Uradelsgeschlechts der Familie von Behr und seit 1946 Kinderheim, feierte man die Einweihung eines der ersten Kulturhäuser der noch jungen Republik. Zur Eröffnung am 1. November 1953 war sogar der erste DDR-Kulturminister Johannes R. Becher (SED) angereist. An der Eingangsfront des Gebäudes von Architekt Ernst-Max Jahn sind noch heute der Namenszug und das inzwischen verwitterte Porträt des Dichters zu sehen, der auch als Textautor der Nationalhymne der DDR bekannt geworden war. Und im Giebelbereich noch gut erkennbar findet man eine Wandmalerei, die einst die propagierte Gemeinschaft von Arbeitern und Bauern darstellt.

„Hier war immer etwas los“, erinnert sich Sonja Gustke, die seit 1983 in einem ehemaligen Schnitterhaus in Bandelin wohnt. Es sei viel gefeiert und getanzt worden im großen Kulturhaus-Saal im Querbau, der Platz für 350 Gäste und eine Bühne hatte. „Wir haben hier Einschulung, Jugendweihe und Frauentag gefeiert. Zur wöchentlichen Disco kam die Jugend aus allen Nachbardörfern und sogar aus Greifswald hierher. Die Kinder zog es in die Bibliothek. Und die gutbürgerliche Küche im Restaurant unseres Kulturhauses war legendär.“

Vandalismus und ein Brand zerstörten die Einrichtung

Noch bis in die 1990er Jahre sei der Kultbau genutzt worden, zeitweise betrieben von einem Förderverein, sagt ein Nachbar. Hin und wieder habe man noch zum Dorftanz eingeladen, zeitweise hätten im Obergeschoss Lehrlinge der LPG gewohnt. Und die Beschäftigten des benachbarten TÜV Nord gingen mittags hier zu Tisch.

An der Eingangsfront ist noch das Porträt des ersten DDR-Kulturministers Johannes R. Becher zu sehen. (Foto: Ralph Sommer)

Doch irgendwann habe man den über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen organisierten Betrieb nicht mehr finanzieren können. Der Betreiberverein, den Bandelin und weitere Gemeinden gegründet hatten, wurde aufgelöst. Das Kulturhaus von Bandelin, das einst für die Maschinen-Ausleih-Station (MTS) im Dorf errichtet worden war, schloss 2010 und verfiel. Vandalismus und ein Feuer im Frühjahr vergangenen Jahres, das Löschzüge von acht freiwilligen Feuerwehren bekämpften, zerstörten Einrichtung und Mobiliar.

Auktionshaus auf solche Immobilien spezialisiert

Die Aussichten, dass in dem Ensemble irgendwann wieder Leben einzieht, sind düster. Jahrelang hat der Landkreis das Gebäude zum Verkauf angeboten, doch ein Interessent für das marode Anwesen fand sich nie. Jetzt will es Vorpommern-Greifswald nochmal wissen und das heruntergekommene Kulturhaus am Bandeliner Lindenweg 3 über die Norddeutsche Grundstücksauktionen AG versteigern lassen. Ein entsprechender Antrag des Amtes für Hoch- und Tiefbau soll demnächst dem Kreistag vorgelegt werden.

Das Rostocker Auktionshaus habe Erfahrungen mit problemhaften und denkmalgeschützten Immobilien und habe vergleichbare Objekte bereits hundertfach für Gemeinden, Städte und Landkreise versteigert, heißt es in dem Antrag. Es gebe Bieter, denen es nicht auf die Beseitigung, sondern gerade auf die Erhaltung des Denkmalschutzes ankomme.

An eine Wiederbelebung glaubt im Dorf kaum noch jemand

Zuletzt war Ende 2022 der Restbuchwert der Immobilie mit rund 23.900 Euro veranschlagt worden. Doch im Fall einer Versteigerung muss am Auktionstag ein aktueller Verkehrswert ermittelt werden. Wenn die Liegenschaft also unter dem vom Gutachterausschuss ermittelten Verkehrswert veräußert wird, entstehen dem Landkreis folglich keine finanziellen Nachteile. Im Falle einer erfolgreichen Versteigerung würde das Auktionshaus als Erlös lediglich zehn Prozent des Kaufpreises plus Mehrwertsteuer verlangen.

Im Giebelbereich des Baudenkmals kann man noch eine historische Wandmalerei aus den 1950er Jahren erkennen. (Foto: Ralph Sommer)

Dass das Kulturhaus jemals wieder einen neuen Eigner oder gar Betreiber findet, glaubt im Dorf keiner mehr. Selbst ein Abriss und eine neue Bebauung seien wegen des bestehenden Denkmalschutzes nicht möglich, sagt ein Passant. „Aber wer wird schon so eine marode und völlig überdimensionierte Bude in einem Dorf zurück ins Leben rufen?“