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Nach Unfall mit Kleinkind

Wie sicher sind die Seebrücken an der Ostsee?

Ahlbeck / Lesedauer: 4 min

Nachdem in diesem Sommer ein Kleinkind von der Seebrücke in Zinnowitz ins Wasser gefallen war, stellt sich die Frage nach der generellen Sicherheit.
Veröffentlicht:05.09.2021, 09:32

Von:
  • Ralph Sommer
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Sie sind Wahrzeichen und Touristen-Magnet – die Seebrücken an der Ostsee, auf Usedom, Rügen und anderenorts. Doch seit jüngst ein Kleinkind von der Seebrücke in Zinnowitz ins Wasser gefallen war (der Nordkurier berichtete), ist die Frage nach der Sicherheit dieser nicht immer mehr ganz jungen Bauwerke laut geworden. Das Kind sei durchs Geländer gerutscht, hatte die Mutter erklärt, die hinterher sprang und sich dabei verletzte.

Zinnowitz plant ohnehin einen Neubau

Ist die Seebrücke Zinnowitz also sicher? Daran hegt Carsten Nichelmann aus der dortigen Kurverwaltung keinen Zweifel. „So etwas ist dort seit 25 Jahren nicht passiert.“ Akuten Handlungsbedarf sehe er nicht. Nach Einschätzung des Experten entspreche das Geländer den aktuellen Sicherheitsanforderungen. Nach Angaben von Bürgermeister Peter Usemann plant das Seebad dennoch den Bau einer neuen Seebrücke, da es gerade bei Stürmen oft zu Überflutungen eines Teils der Anlage komme, die für den mitunter enormen Wellengang der Ostsee zu niedrig sei. In diesem Zuge werde natürlich auch darüber nachgedacht, wie das neue Geländer beschaffen sein soll. Der Bau einer neuen Seebrücke ist auch in Rerik und in Prora vorgesehen.

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Ein ganz neue Seebrücke ist auch gerade erst in Koserow freigegeben worden. Anders als die anderen vier anderen Seebrücken auf der Insel Usedom ragt der Neubau von Koserow nicht schnurgerade in die Ostsee hinein, vielmehr schwenkt sich die Brücke wellenförmig vom Strand hinaus aufs Meer. Im Verlauf sollen immer wieder zusätzliche Flächen zum Verweilen einladen. Die Seebrücke ist stolze 280 Meter lang und mit dreieinhalb Metern sehr breit. Sie wurde als Bauwerk auf insgesamt 67 Gründungspfählen errichtet. Seit November 2019 war an der Koserower Brücke gebaut worden, ursprünglich sollte sie bereits im Spätsommer 2020 fertig sein. Doch coronabedingte Einschränkungen und Lieferengpässe hatten den Angaben zufolge zu Verzögerungen geführt. Die alte Seebrücke war nach einem Sturm 2019 abgerissen worden. „Leider hat sich ein Pilz im verlegten Tropenholz entwickelt. Dies kommt sehr selten vor und stellte daher die Gemeinde und das ausführende Bauunternehmen vor große Herausforderungen“, erklärt die Chefin der Koserower Kurverwaltung, Nadine Riethdorf.

Viele Brücken nach der Wiedervereinigung gebaut

Die meisten Seebrücken in Mecklenburg-Vorpommern waren erst in den 1990er Jahren nach der Wiedervereinigung errichtet worden. Derzeit gibt es 18 intakte Stege, die zugänglich sind. Das Grundproblem der zumeist bald 30 Jahre alten Bauwerke bestehe in ihrer zu geringen Bauhöhe und der Gefahr größerer Schäden bei Unwetter und Eisgang, erläutert Stefan Pentschew. Er ist Ingenieur der Spezialfirma Sea Control Engineering, die auch für die Bauüberwachung der neuen Koserower Seebrücke verantwortlich war. Statt einer Höhe von 3,5 bis 4 Metern zwischen Wasseroberfläche und Brückenlauffläche sei der Abstand in Koserow 5,5 bis 6 Meter, erklärt er.

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Die ursprüngliche Koserower Seebrücke war noch keine 30 Jahre alt. Doch nachdem sie wegen erheblicher statischer Mängel zunächst gesperrt werden musste, wurde sie schließlich abgerissen. Der Neubau kostete mehr als fünf Millionen Euro. Zusätzlich habe es unerwartete Mängel in der Verzinkung des Geländers gegeben, wodurch sich der Bau des neuen Wahrzeichens für Koserow weiter verzögerte, hieß es. Die Sicherheit des neuen Bauwerks habe Priorität gehabt. Auch in anderen Ostseebädern wird regelmäßig geschraubt und saniert. Mit einer Geschichte von fast 140 Jahren ist die 261 Meter lange Ahlbecker Seebrücke die älteste in Deutschland. Kein Wunder also, dass sie die eine oder andere Altersschwäche aufzeigt.

Loriots Film machte Ahlbeck noch berühmter

Spätestens seit Loriots Film „Papa ante portas“ hat sie über die Insel hinaus an Bekanntheit gewonnen. Für dieses Winterhalbjahr ist die komplette Sanierung des Steges geplant, wie der Sprecher der Gemeinde Heringsdorf, Krischan Ritter, sagt. Dabei sollen sowohl der Belag als auch das Geländer komplett ausgetauscht werden. Doch es gibt nicht nur neue, moderne Mega-Seestege, manche verschwinden auch. Aufgegeben wird beispielsweise die Seebrücke in Sassnitz. Das 1993 nördlich des Stadthafens angelegte Bauwerk, das schon damals von heimischen Fischern als Investruine kritisiert worden war, musste im September 2016 nach einer Bauwerksüberprüfung gesperrt werden. Schiffe hatten hier ohnehin so gut wie nie angelegt.

„Die Experten haben an der Holzkonstruktion Fäulnis und Pilzbefall festgestellt“, sagt der Leiter Wirtschaftsförderung und Tourismus, Leon Kräusche. Zudem gebe es breite Längsrisse bei den Überbauten und starke Rostfahnen. Auch an den Gründungspfählen nage der Zahn der Zeit. Die Stadt will nun die Strandpromenade verlängern und die stillgelegte Brücke mit Wasserbausteinen aufschütten, sodass vom Laufbereich ein Sprung ins flache Wasser nicht mehr möglich ist.