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Interview

Wie sieht man in Vorpommern die Ergebnisse des Asyl-Gipfels?

Greifswald/Stralsund / Lesedauer: 3 min

Der Nordkurier hat Michael Sack (CDU, Vorpommern-Greifswald) und Stefan Kerth (parteilos, Vorpommern-Rügen) zu den Themen Asyl, Deutschland-Ticket und Bürgergeld befragt.
Veröffentlicht:14.11.2023, 06:00

Von:
  • Ralph Sommer
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Der Bund hat zugesichert, ab 2024 eine jährliche Flüchtlingspauschale in Höhe von 7500 Euro pro Person zu zahlen, im ersten Halbjahr einen Abschlag von 1,75 Milliarden Euro. Wird das die Kommunen entlasten?

Sack: Wir sind in der guten Position, dass das Land Mecklenburg-Vorpommern eines der wenigen Bundesländer ist, dass die Flüchtlingskosten komplett übernimmt. Wir hoffen, dass dies so bleibt.
Kerth: In MV geht es eher um die Frage, ob das Land ausreichend entlastet wird, denn bei uns übernimmt es die Kosten für die Kommunen. Nach allem, was man gehört hat, werden die tatsächlichen Lasten für das Land von dem Verhandlungsergebnis nicht gedeckt werden. Ich bin da also nicht ganz so euphorisch, ob das wirklich die erforderliche Entlastung bringt.

Michael Sack (CDU), Landrat des Kreises Vorpommern-Greifswald, sagt: „Der Bund muss seine Aufgaben endlich erfüllen.“  (Foto: Ralph Sommer)

Angekündigt wurden auch zügigere Asylverfahren. Reicht das Ihrer Meinung nach aus, um die Zahl der Asylbewerber deutlich reduzieren?

Sack: Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Zügige Asylverfahren sind mehr als überfällig. Der Bund muss seine Aufgaben endlich erfüllen. Die Flüchtlingszahlen müssen reduziert werden, da die Akzeptanz in der Bevölkerung für so hohe Zuwanderungszahlen nicht mehr da ist.
Kerth: An eine echte Entlastung glaube ich erst, wenn es konkrete Maßnahmen geben wird. Ich habe schon nach vielen Ankündigungen erlebt, dass es am Ende im Detail doch meist komplizierter sein wird.

Asylbewerber, die schon länger in Deutschland leben, sollen künftig 36 statt wie bislang 18 Monate lang Grundleistungen nach dem für sie geltenden Leistungsgesetz beziehen und erst danach Bürgergeld beziehen. Was halten Sie davon?

Sack: Ich sehe darin vor allem eine Konsequenz: Das bedeutet mehr Arbeit für unsere Kolleginnen und Kollegen in der Kreisverwaltung.
Kerth: Alles, was man macht, um als Land für Asylbewerber weniger attraktiver zu sein, empfinde ich als einen traurigen, aber vernünftigen Schritt. Darüber bin ich nicht glücklich, aber solche Schritte müssen gemacht werden. Allerdings glaube ich nicht, dass dieser Schritt ausreicht, um den großen Kontrollverlust, den wir momentan haben, zu beseitigen.

Ein weiterer Beschluss lautet, dass das Deutschland-Ticket 2024 verlängert werden soll, doch die Finanzierung ist im Detail noch unklar. Welche Erwartungen haben Sie als Landrat und welche Probleme sehen Sie?

Sack: Das Deutschland-Ticket ist durchaus populär. Nach wie vor steht aber die Frage im Raum, wie sich unsere Verkehrsbetriebe damit finanzieren sollen.
Kerth: Das Deutschland-Ticket ist eine tolle Sache für Politiker ganz oben und für diejenigen, die am ÖPNV angeschlossen sind. Ich betrachte es als Mogelpackung, denn man lässt die Kreise und Kommunen hängen. Es ist eine traurige Umverteilung zu ungunsten der Menschen im ländlichen Raum, die keine Bushaltestelle und keinen Bahnsteig in der Nähe haben. Zuerst müssten mal die Verkehrsnetze ausgebaut werden, erst dann ist ein Deutschland-Ticket wirklich für alle vorteilhaft.

Im Januar wird das Bürgergeld deutlich erhöht, für Alleinstehende zum Beispiel von 502 auf 563 Euro. Gehen Sie davon aus, dass diese Erhöhung dazu führen wird, dass viele Berechtigte dann lieber Bürgergeld kassieren statt arbeiten zu gehen?

Sack: Grundsätzlich ist die Frage des sozialen Friedens eine sehr zentrale geworden, nicht aus Sicht der Hilfeempfänger, sondern aus Sicht derjenigen, die jeden Tag zur Arbeit gehen. Es darf nicht sein, dass sich Nicht-Arbeiten mehr lohnt als Arbeiten.
Kerth: In Gesprächen zum Beispiel in der Wirtschaft habe ich erfahren, dass es diesen Effekt durchaus gibt. Je mehr Mittel dafür fließen, umso größer ist der Anreiz. Von Bürgergeld wird keiner reich. Aber ich sehe das von Ihnen angesprochene Risiko durchaus.