Anklamer Debatte
Wie viel Tourismus verträgt das Peenetal?
Anklam / Lesedauer: 5 min

Anne-Marie Maaß
Mecklenburg-Vorpommern ist ohne jeden Zweifel ein Urlaubsland. Doch während viele Menschen die Bedeutung der Tourismuswirtschaft für das Land noch als hoch einschätzen, sehen sie für sich persönlich eher selten Vorteile darin, in einer Urlaubsregion zu wohnen. Das hat zumindest eine Umfrage des Tourismusverbandes Mecklenburg-Vorpommern (TMV) ergeben. Der zieht aus diesen Antworten durchaus Handlungsbedarf und fragt sich, ob der Tourismus in MV mittlerweile sogar ein Akzeptanzproblem hat.
Um Probleme der Einwohner herauszufinden und gleichzeitig auch über Verbesserungsideen ins Gespräch zu kommen, hat der TMV nun ein Diskussionsforum ins Leben gerufen. Am Dienstag wurde mit Unterstützung des Nordkurier in Anklam zum offenen Gespräch geladen. Die zentrale Frage im Mittelpunkt: Welcher Tourismus tut MV gut?
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Anklam als Vorbild für die Region?
Und schnell zeigte sich bei den Teilnehmern des Podiums als auch im Publikum – beim Thema Tourismus scheint man zumindest in der Anklamer Region schon so einiges richtig gemacht zu haben. Jan Poleske nahm stellvertretend als gebürtiger Anklamer und Investor des neuen Hotels Anklamer Hof in der Runde Platz.
Ihm zur Seite saßen Antje Enke vom Tourismusunternehmen Abenteuer Flusslandschaft, die vor allem die Entwicklung an der Peene im Blick hat, sowie Stefan Krüger, der sich seit gut einem Jahr als „Tortenbengel” in Anklam einen Namen macht und als Rückkehrer noch einmal einen anderen Blick auf seine Heimatstadt einbringen konnte.
Über Anklam habe er viele Jahre lang kein gutes Wort verloren, gibt Krüger unumwunden zu. Mittlerweile möchte er aber nirgendwo anders mehr wohnen. „Für mich scheint hier jeden Tag die Sonne – auch an den grauen”, sagte er überzeugend.
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Zusammenarbeit verbindet
Mit dem eigenen Café und allem drumherum in der Pasewalker Straße habe er sich zusammen mit der Familie einen Traum erfüllt. Die Touristen in der Stadt bilden dabei allerdings ein festes Standbein. Ohne sie würde es wirtschaftlich nicht gehen, macht der Tortenbäcker klar. Wie bei vielen andere Dingen in der Stadt würden auch bei ihm letztendlich die Anklamer und die Menschen der Region von Angeboten profitieren, die erst durch die Urlauber möglich sind.
Großen Anteil daran, dass mehr Menschen in Anklam Urlaub machen, hat auch das Hotel Anklamer Hof. Jan Poleske betont, dass es ihm hier wichtig sei, mit Partner in der Region weiter eng zusammen zu arbeiten und so auch die Anklamer als Gäste in den Fokus nehmen. „Die Prämisse war immer, dass wir auch den Anklamern offen stehen und sie genauso behandeln und bewirten, wie die Hotelgäste”, sagt er. Ein Konzept, das schon im Startjahr 2022 aufgegangenen zu sein scheint.
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Viel Lob, aber auch noch Luft nach oben
Ähnliches berichtet auch Touristikerin Antje Enke. Als sie und ihr Mann vor mehr als 20 Jahren in Anklam mit dem eigenen Unternehmen an den Start gingen, hatten sie die Einheimischen dabei gar nicht im Blick, räumt sie ein. Das habe sich in den zurückliegenden Jahren aber deutlich gewandelt. Inzwischen nehmen vor allem das Flusscafé und die Ausflugsfahrten Anklamer wie auch Gäste in Anspruch und sorgen für Leben auf dem Hof am Peene-Nordufer.
Alles bestens also beim Tourismus in Anklam? Ein Vorbild für viele andere Orte in der Region, nicht zuletzt am Haff oder nördlich der Peene, sei die Stadt in ihrer Entwicklung schon jetzt. Vor allem an der Peene geht aber noch mehr, sind sich die Akteure nahezu einig. Hier brauche es Investitionen und einen geregelten Ausbau in Maßen, um dem wachsenden Druck der Besucher auf die gesamte Region gerecht zu werden, fordert Antje Enke. Das beginne bei Liegeplätzen und öffentlichen Toiletten und setze sich bei der Schulung für Einheimische fort.
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Mehr Aufklärung auf den Dörfern gefordert
„Viele Menschen in den Dörfern haben den Tourismus noch gar nicht für sich als Einnahmequelle entdeckt, oder sie haben Ideen und brauchen Unterstützung und Aufklärung bei der Umsetzung”, berichtet sie aus dem Peenetal. Deshalb fordert sie hier auch mehr Hilfestellung vom Tourismusverband. Ins gleiche Horn blies eine Zuhörerin aus Rossin. Sie hat mit einer öffentlichen Bank vor ihrer Haustür eine Raststelle für Fahrradfahrer geschaffen. Die werde auch angenommen, quittiert sie. Um im nächsten Schritt aber vielleicht auch Kaffee und Kuchen anbieten zu können, fehle ihr derzeit aber noch das Wissen über rechtliche und wirtschaftliche Voraussetzungen.
Doch auch andere Bedenken gibt es bereits: Tourismus kann schnell auch zu viel werden und der Region schaden, warnt etwa Günther Hoffmann aus Bugewitz. Dabei nimmt der erfahrene Naturschützer schon jetzt das Besucheraufkommen im Anklamer Stadtbruch in den Blick. Hier gelte es unter anderem, die Anreise- und Parksituation in sensiblen Naturgebieten zu regulieren, sagte er.
Auch hier waren sich alle Beteiligten schnell einig – einen Übertourismus, wie auf der Insel Usedom dürfe es in der Region nicht geben, davon sei man aktuell aber zum Glück noch weit entfernt. Letztendlich brachte es eine Besucherin aus Altwarp auf den Punkt: Unter dem Motto „Glückliche Einwohner schaffen glückliche Urlauber” lasse sich in Vorpommern noch einiges bewegen.