Guido Beermann (CDU)
„Autobahn für Radfahrer“ auch in Prignitz und Uckermark?
Potsdam / Lesedauer: 7 min

Benjamin Lassiwe
Wann sind Sie das letzte Mal in Brandenburg mit dem Regionalexpress gefahren?
Gestern. Ich bin mit dem RE 1 zum Bahnhof Friedrichstraße gefahren, weil ich einen Termin in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften hatte. Und von dort mit dem Regionalzug wieder zurück nach Potsdam.
Welchen Eindruck haben Sie vom Regionalverkehr in Berlin und Brandenburg?
Ich bin noch nicht auf jeder Strecke unterwegs gewesen. Aber wenn ich die Möglichkeit habe, mache ich das. Es geht nicht immer: Denn manchmal brauche ich für einen Anschlusstermin ein Auto oder es stehen Telefonate an. Aber wenn ich die Chance habe, fahre ich gerne mit der Bahn. Ich weiß um die Strecken, insbesondere in der Vor-Corona-Zeit, auf denen wir sehr viel Betrieb hatten. Und es ist ja ein zentrales Thema der Koalition: Wir wollen den ÖPNV stärken und beim schienengebundenen Nahverkehr neue Angebote machen.
Halten Sie eine Wiedereröffnung stillgelegter Strecken für möglich?
Dieses Thema darf man nicht schwarz-weiß betrachten. Wir haben ja Strecken wie zwischen Templin und Eberswalde, die stillgelegt waren und auf denen es gerade einen Testlauf gibt. Dort wollen wir sehen, wie das angenommen wird. Aber nicht jede stillgelegte Strecke eignet sich für eine Wiedereröffnung. Mit dem Thema werden wir uns perspektivisch beschäftigen, wenn wir den Landesnahverkehrsplan aufstellen. Das ist dann ab 2022 der Fall.
Die Strecke von Templin nach Eberswalde sollte ja 300 Fahrgäste pro Tagerreichen. Im zweiten von drei Testjahren ist sie bei 160. Berücksichtigen Sie Corona oder die Bauarbeiten auf der Strecke nach Stralsund, wenn es darum geht, ob der Test erfolgreich war?
Das ist eine völlig berechtigte Frage: In Corona-Zeiten sind Evaluierungen schwierig. Wir werden uns das genau anschauen. Ich glaube, diese Einflüsse muss man dort berücksichtigen. Das hängt aber auch davon ab, was die Gespräche mit den Landkreisen und Kommunen ergeben werden. Es ist ja ein gemeinsames Pilotprojekt. Vielleicht wird auch über eine Verlängerung des Tests zu sprechen sein, um ein valides Ergebnis zu bekommen.
Sie haben wieder einmal einen Start für die Strecke von Berlin nach Stettin gegeben. Warum dauern solche großen Bauprojekte in Deutschland eigentlich so lange – den ersten Versuch, die Strecke zu ertüchtigen, gab es ja schon 2003.
Wir schauen nach vorne und deswegen freue ich mich, dass wir diese Finanzierungsvereinbarung getroffen haben und dass sich Berlin und Brandenburg mit jeweils 50 Millionen Euro dort aktiv beteiligen. Das ist für die Region ein spannendes und wichtiges Projekt, weil sich die Fahrzeiten in beide Richtungen verkürzen. Ich bin zuversichtlich, dass wir uns da auf einen guten Weg befinden.
Aber wenn 2003 alles planmäßig gegangen wäre, könnte die Strecke schon offen sein.
Bauen und Planen hat oftmals einen enormen Vorlauf. Aber wenn ein solches Großprojekt vollendet ist, hat sich die Situation für die Menschen verbessert. Wir leben in einer zunehmend partizipativen Gesellschaft. Bei solchen Bauvorhaben ist der Austausch im Vorfeld mit den Bürgerinnen und Bürgern besonders wichtig. Es geht um Transparenz, Verständnis und Akzeptanz. Und das kann manchmal dauern. Umso besser ist es, wenn man eine Chance hat, die Bürger erfolgreich mitzunehmen.
Ist eine Beschleunigung großer Bauprojekte nötig? Auch die Strecke Lübbenau-Cottbus wartet ja seit Jahren auf ihr zweites Gleis.
Ich freue mich zunächst einmal darüber, dass das Strukturstärkungsgesetz durch Bundestag und Bundesrat gekommen ist. Das war ein wichtiges Signal, dass das vor der Sommerpause gelungen ist. Wir haben damit unter anderem erreicht, dass die Zweigleisigkeit zwischen Lübbenau und Cottbus und die Elektrifizierung in Richtung Polen hergestellt werden kann. Das ist ja im Bundesverkehrswegeplan nicht gelungen. Durch das Maßnahmengesetz II werden zudem qua Gesetz die Planfeststellungsverfahren für die Vorhaben hochwirksam beschleunigt. Und es gewinnt zusätzlich an Bedeutung, weil in Cottbus ein Instandhaltungswerk für den ICE 4 der Deutschen Bahn entstehen soll; ein Vorhaben, mit dem über 1000 Arbeitsplätze entstehen sollen. Auch das ist für die Region ein wichtiges Signal.
Aber braucht es die Beschleunigung von Planungsverfahren?
Die Frage der Beschleunigung und Optimierung der Verfahren ist eine Daueraufgabe. Der Bund hat im vergangenen Jahr drei Planungsbeschleunigungsgesetze verabschiedet. Ein ganz neuer Ansatz ist der Erlass von Maßnahmengesetzen. Hier entscheidet der Bundestag bei Großprojekten über den Planfeststellungsbeschluss. Und wer sollte am Ende mehr Akzeptanz haben, als das von der Bevölkerung gewählte Parlament. Ich freue mich, dass nunmehr mit dem Strukturstärkungsgesetz in der Lausitz ein solches Maßnahmengesetz auf den Weg kommt – und dieses auch den geplanten Streckenausbau von Lübbenau nach Cottbus beinhaltet.
Sie haben im Koalitionsvertrag erhebliche Mittel für die Sanierung von Landesstraßen vorgesehen. Ist das nach Corona eigentlich noch haltbar?
Der Nachtragshaushalt 2020 ist beschlossen. Perspektivisch kann ich aber noch keine Prognose abgeben, wie sich der Landeshaushalt in den nächsten Jahren entwickelt. Es soll ja im Herbst noch einmal eine Steuerschätzung geben. Dann werden wir genauer sehen, wohin die Reise geht. Was wichtig ist: dass wir investieren und die Wirtschaft weiter unterstützen. Dazu gehören Investitionen in die Infrastruktur.
Im Koalitionsvertrag gibt es eine Anschaffungsprämie für Lastenfahrräder. Haben Sie schon eines?
Ich glaube, der Radverkehr wird in Brandenburg noch eine große Rolle spielen. Ich bin überzeugt davon, dass es gut ist, dass wir dem viel Raum einräumen. Es geht ja nicht nur um Lastenräder – grundsätzlich geht es uns darum, mehr Menschen und auch Teile des Wirtschaftsverkehrs auf das Fahrrad zu bekommen. Dafür brauchen wir bessere Fahrradwege und, wo viele Radfahrer unterwegs sind, auch Radschnellverbindungen. Pro Jahr wollen wir dafür 20 Millionen Euro ausgeben. Ich freue mich, dass wir für den Landesbetrieb Straßenwesen mehr Personal bekommen, um dort mehr planen und umsetzen zu können. Durch Pedelecs und eBikes ist die Attraktivität des Fahrrads über alle Generationen hinweg gestiegen: Das Fahrrad hat das Zeug zu einem noch wichtigeren, alltagstauglichen Verkehrsträger in Brandenburg zu werden. Wir tun gut daran, uns darum zu kümmern.
Radschnellwege wird es doch aber sicher nur von Berlin ins Umland geben – oder können sich da auch die Uckermark oder die Prignitz Hoffnungen machen?
Ich kann mir gut vorstellen, dass wir auch zwischen den Städten in der Fläche Radschnellverbindungen, Radvorrangrouten oder zumindest gute und breite Radwege installieren. Es kommt letztendlich auf ein gutes Gesamtnetz im Land an. Denn die Nachfrage ist da. Und es geht nicht nur um die Bedienung von Radialen nach Berlin. Es geht auch um junge Leute im ländlichen Raum, die täglich mit dem Fahrrad von einem Ort zum anderen fahren. Es geht um die Alltagsverkehre und Verlagerungspotenziale in der Fläche.
Das heißt, Sie können sich Radschnellwege zwischen Wittenberge und Perleberg oder zwischen Angermünde und Prenzlau vorstellen?
Wir werden in diesem Jahr noch eine landesweite Untersuchung zu Radschnellverbindungen starten. Wenn sich daraus entsprechende Potenziale ergeben und wir das finanziell dargestellt bekommen, ist die Antwort ein klares „Ja“.
Als Infrastrukturminister haben Sie die Landesbauordnung geändert. Welche Rolle spielt künftig das Bauen mit Holz?
Das Bauen mit Holz liefert einen wichtigen Beitrag im Rahmen der Nachhaltigkeit und des Klimaschutzes. Deswegen bin ich froh, wenn wir Erleichterungen im Bauen mit Holz durch die Änderung der Brandenburgischen Bauordnung zulassen können. Innovatives Bauen mit Holz wird damit leichter, da es künftig in allen Gebäudeklassen bis zur Hochhausgrenze möglich wird. Wir hoffen, dass mit diesen Erleichterungen das Bauen mit Holz neuen Schwung bekommt.
Sie haben einen Abschnitt über mobile Hühnerställe eingefügt. Warum gab es dort Regelungsbedarf?
Wir kommen damit einem Wunsch der Landwirte nach. Mobilställe für Tiere benötigen künftig bis zu einer Größe von 500 m³ mit einer Auslauffläche von mindestens sieben Quadratmetern je Kubikmeter Brutto-Rauminhalt keine Baugenehmigung mehr. Damit werden die Haltung von Tieren auf Freiflächen im Außenbereich und somit das Tierwohl gestärkt.