StartseiteRegionalBrandenburgBesuchte der Pädophile aus NRW eine Laube in Brandenburg?

Missbrauchskandal in Münster

Besuchte der Pädophile aus NRW eine Laube in Brandenburg?

Finowfurt / Lesedauer: 4 min

Im Missbrauch-Skandal von Münster sitzt auch ein Mann aus Brandenburg in U-Haft. Der Nordkurier auf den Spuren des dringend Tatverdächtigen aus Finowfurt.
Veröffentlicht:10.06.2020, 11:21

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Enrico L. (42) wurde vor knapp einer Woche festgenommen. Er soll zum Kinderschänder-Ring gehört haben, der jüngst zerschlagen wurde – der entsetzliche Fall erschüttert ganz Deutschland. Von Münster in Nordrhein-Westfalen aus sollen Pädophile jahrelang im Verborgenen agiert, Kinderpornos produziert und im Darknet vertrieben haben. „Abscheulicher Dreck”, wie ein Rainer Furth, Chef der Münsterander Polizei sagte. Die Opfer: mindestens drei Jungen, 5, 10 und 12 Jahre alt. Befürchtet wird, dass das bislang Entdeckte nur die Spitze des Eisbergs ist.

Ein Haus mit Eisentür, davor Schaukeln

Wie beim Haupttatverdächtigen und ebenfalls in U-Haft sitzenden IT-Experten Adrian V. (27) aus Münster führt auch beim offenbar tief in den Fall verwickelten Brandenburger Enrico L. (42) eine wichtige Spur in eine Laubenkolonie. Der Mann aus Finowfurt war bis zu seiner Festnahme Vorsitzender des Kleingartenvereins „Sankt Georg” in Eberswalde. Laut Bildzeitung habe er bis zum Auffliegen des Kinderschänder-Rings in Münster auf seiner Brandenburger Parzelle an einem massiven Rohbau samt schwerer Eisentür gebaut. Ebenfalls auf dem Gelände: Eine Laube, drei Kinderschaukeln, ein kleiner Pool.

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Kita in direkter Nachbarschaft

Ob Enrico L. (laut Ermittlern verheiratet, zwei Söhne), in der Laube auch Aufnahmen von Kindern gemacht hat oder Missbrauchstaten gefilmt wurden, teilte die Polizei nicht mit. Die Beweise gegen den Brandenburger seien jedoch „erdrückend”, hieß es. Und: Da die Missbrauchstaten in Münster in einer Kleingartenanlage passierten, wirkt es umso verdächtiger, dass Enrico L. an dem massiven Betonbau in seinem Eberswalder Garten baute.

Ebenfalls unbehaglich: In unmittelbarer Nachbarschaft des Eberswalder Kleingartenvereins „Sankt Georg” liegt eine Kita. Keine 50 Meter entfernt von den Lauben befindet sich seit April die zweisprachige Einrichtung „Little England”. Bis zu 38 Kinder werden hier betreut. „Von der Geburt bis zur Einschulung”, heißt es auf der Homepage. Der Nordkurier sprach mit einer Erzieherin, sie sagt: „Wir haben keine Angst. Unser Gebäude ist gut gesichert.” Dass ein mutmaßlicher Kinderschänder in direkter Nachbarschaft ein Gartengrundstück besitzt, habe sie zuvor allerdings noch gar nicht mitbekommen.

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„Ich will nie wieder etwas mit Enrico zu tun haben”

Enrico L.s Kleingarten-Freunde: Freundlich, aber zugeknöpft. Ein Mann zum Nordkurier: „Wir haben uns darauf geeinigt, keine Fremden mehr reinzulassen. Wir wollen zu dem Fall nichts mehr sagen.” Das Gelände ist hoch eingezäunt, am Eingang ein schwarzes Brett, selbst hergestellter Honig wird angeboten. Hinter dem verriegelten Tor mäht jemand Rasen, Fähnchen flattern.

Nur wenige Kilometer entfernt trifft der Nordkurier in Enrico L.s Wohnort Finowfurt (gehört zu Eberswalde), einen weiteren Mann, der den mutmaßlichen Kinderschänder gut zu kennen glaubte. Ralf Schulz (57) betreibt die Karateschule Isamu – Enrico L. unterrichtete dort zeitweise Kinder und Jugendliche in der fernöstlichen Kampfkunst. Schulz sitzt mit freiem Oberkörper auf dem Gelände hinter dem Dojo, trinkt mit seinem erwachsenen Sohn Kaffee. „Ich will nie wieder etwas mit Enrico zu tun haben”, sagt der Karate-Großmeister. Was passiert sein soll, sei für ihn unfassbar. „Er war immer nett, zuvorkommend und hilfsbereit.”

Enrico L. arbeitete als Altenpfleger

Für Schulz sei eine Welt zusammengebrochen, als er von den Vorwürfen gegen L. erfahren habe. Hat er Sorge, dass es auch in seiner Karatschule zu Übergriffen gekommen sein könnte? „Nein, bei uns sind immer zwei Trainer und auch Eltern beim Unterricht dabei”, sagt Schulz. Er habe in den letzten Tagen viele Anrufe bekommen, in denen Mitglieder seiner Schule ihm ihr Vertrauen ausgesprochen haben. Enrico L., Träger des schwarzen Gürtels, habe in letzter Zeit ohnehin nicht mehr so oft in der Karateschule unterrichtet und trainiert. Als Grund dafür habe er angegeben, in seinem Hauptjob in der Altenpflege stark eingespannt gewesen zu sein, berichtet der Karate-Großmeister dem Nordkurier.

Was machten die Pädophilen in Brandenburg?

Erste Hinweise auf Enrico L. als Täter hatte laut Ermittlern ein zehnjähriges Opfer gegeben, zudem sei Enrico L. auf einem Video erkennbar gewesen, das in Münster gedreht wurde. Es kam zur Festnahme. Laut Oberstaatsanwalt Martin Botzenhardt war im Auto des Münsteraner Hauptverdächtigen Adrian V. außerdem L.s Brandenburger Adresse gefunden worden. Und: Das Fahrzeug des 27-Jährigen Hauptverdächtigen aus NRW soll laut Ermittlern in der Nähe von Schorfheide (zirka 14 Kilometer von Finowfurt) von Augenzeugen bemerkt worden sein.

Die Pädophilen aus NRW könnten sich demnach in Brandenburg und im direkten Umfeld von Enrico L. aufgehalten haben. Mögliche Anlässe für diesen Besuch will man sich lieber nicht vorstellen.