Ist die B96 eine der unsinnigsten Fernverkehrsstraßen?
Neubrandenburg / Lesedauer: 3 min

Die Kritik ist nicht nagelneu, kommt aber zu einem geschickt gewählten Zeitpunkt. Die Umweltschützer des BUND haben den seit Jahrzehnten geplanten Ausbau der Bundesstraße 96 als eines der bundesweit zwölf unsinnigsten Fernstraßenprojekten gebrandmarkt. Damit verbunden ist die Forderung, den Bundesverkehrswegeplan 2030 zu überarbeiten, in dem unter anderem die geplanten acht Ortsumgehungen in MV und Brandenburg als „vordringlich“ festgeschrieben sind.
Als „Relikt vergangener Zeiten“ hat das regionale Bündnis „B96-Ausbau: So Nicht!“ den Plan bezeichnet, die rund 100 Kilometer zwischen Neubrandenburg und Berliner Ring so auszubauen, dass eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 80 Kilometer je Stunde erreicht werden kann. Diese Vereinigung umfasst Gemeinden, Umweltschützer, Parteien und Bürgerinitiativen aus MV und Brandenburg. Demgegenüber steht „B96-Ausbau beginnen!“ als Zusammenschluss von Wirtschaft und Kommunen beider Länder. Diese Initiative sieht die bessere Erreichbarkeit des Berliner Raums als wichtige Voraussetzung für wirtschaftliche Entwicklung und Tourismus entlang der Strecke an.
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Neue Prognosen über die Verkehrsströme
Dass der neuerliche Vorstoß der eingeschworenen Ausbaugegner gerade jetzt erfolgt, ist in der Tat kein Zufall. Das Bundesverkehrsministerium bestätigt auf Nachfrage, dass derzeit die sogenannten Bedarfspläne für den Ausbau von Straßen, Schienen und Wasserwegen überprüft werden. Das sehe die Gesetzeslage nach Ablauf von fünf Jahren so vor, um mögliche Veränderungen bei Verkehr und Wirtschaftlichkeit einarbeiten zu können. Die derzeit geltenden grundlegenden Planungen stammen aus dem Jahr 2016.
Aktuell sei eine Langfristprognose für den Verkehr bis 2040 in Auftrag gegeben worden, um einen Vergleich mit der bisher zugrunde gelegten Prognose 2030 vornehmen zu können, erläutert eine Ministeriumssprecherin in Berlin. Geprüft werde ebenfalls, ob die Belange des Umwelt- und Klimaschutzes berücksichtigt würden. Keinesfalls würden aber Einzelprojekte, zu denen auch die B 96 zählt, auf den Prüfstand gestellt. Allerdings würden bis Ende 2023 Hinweise erwartet, ob weiterhin Bedarf vorhanden oder der Umfang der Projekte angemessen sei.
Daran hegt zumindest das Schweriner Verkehrsministerium keine Zweifel. Nach den straßenplanerischen Vorschriften des Bundes sei die Verbindung von der A20 bei Neubrandenburg bis zur A10 bei Oranienburg in die zweithöchste Kategorie hinsichtlich ihrer Bedeutung im Straßennetz einzuordnen. Es handele sich um eine Verbindung, die Oberzentren mit Metropolregionen beziehungsweise anderen Oberzentren verknüpfen solle. Um diese Aufgabe erfüllen zu können, seien beispielsweise Straßenbreiten zu gering, zu viele Steigungen beziehungsweise Gefälleabschnitte oder zu viele direkte Zufahrten zu anliegenden Grundstücken vorhanden. Das beeinträchtige auch die Verkehrssicherheit.
Gegner lehnen kompletten Neubau ab
Gegner des Ausbaus wollen erreichen, dass unter anderem weniger Streckenabschnitte komplett neu gebaut werden, wie etwa dreispurige Abschnitte zwischen Neustrelitz und Neubrandenburg. Dazu soll die B96 in eine niedrige Kategorie eingestuft werden, für die nur eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 60 Kilometer je Stunde vorgeschrieben ist. Das entspräche auch den Forderungen eines Teils der Anwohner, die bemängelt hatten, dass die neue Straße nach den bisherigen Entwürfen zu wenig Auffahrten aufweise.
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Unterdessen hat laut Schweriner Ministerium die zuständige zentrale Projektgruppe des Landes die Planungen im Hintergrund vorangetrieben. So seien in den zurückliegenden zwölf Monaten die Aufträge für die Planung der Verkehrsanlagen, für die Umweltplanung, die Baugrundberatung und für die planungsbegleitende Vermessung erteilt worden. Außerdem seien Kartierungen der Tierwelt abgeschlossen worden, um Umweltdaten zu aktualisieren. Genaue Termine, wann wieder die Öffentlichkeit einbezogen wird, wurden auch auf Nachfrage nicht genannt.