Energie

Wie stabil ist das Stromnetz in MV und Brandenburg?

Neubrandenburg / Lesedauer: 4 min

Im Nordosten ist der Netzbetreiber 50Hertz für die Stromversorgung zuständig. Die jüngsten Engpässe im Süden stellen die Frage: Kann so etwas auch hier passieren?
Veröffentlicht:20.01.2023, 07:58
Aktualisiert:20.01.2023, 08:02

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Die Warnung war neu und sorgte für viel Aufmerksamkeit. Als in Süddeutschland der dortige Betreiber des Hochspannungsnetzes über seine neue Smartphone-App ein Ampelsignal auf Rot setzte, keimte schnell die Furcht vor einem möglichen Blackout.

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Ein Stromausfall habe an diesem Tag nie gedroht, sagt Volker Gustedt, Sprecher des Übertragungsnetzbetreibers 50Hertz, der für die 220kV- und 380KV-Leitungen in Ostdeutschland sowie in Berlin und Hamburg zuständig ist. Vielmehr sei es darum gegangen, über die App die Kunden zu sensibilisieren und zum Mitmachen anzuregen, indem über zwei Stunden hinweg möglichst keine Waschmaschinen angeschaltet werden sollten.

„Kein ungewöhnlicher Vorfall”

Auslöser war ein Sturmtief, das über Norddeutschland hinwegzog und mit starkem Wind den Gleichklang des Stromnetzes störte. Eigentlich für den Süden gebuchter Strom sei steckengeblieben, weil es auf der Stromautobahn zum Stau gekommen sei. Die Folge war dort eine prognostizierte Stromlücke. „Das war kein ungewöhnlicher Vorfall“, sagt Gustedt, und Anlass für den Netzbetreiber, mit einer „Redispatch“-Maßnahme einzugreifen. Mobilisiert wurden schließlich Reservekraftwerke in Deutschland und der Schweiz.

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„Würde es im Süden mehr Windräder geben, würde dieses Problem seltener auftreten. Vorausgesetzt, es wäre dann auch im Süden ausreichend Wind vorhanden“, schätzt der Experte ein. Dieses Ungleichgewicht werde es aus klimatischen Gründen auch künftig geben. Derzeit droht aber eine Verschärfung der Schieflage.

Strom für mehr als 18 Millionen Menschen

„Genehmigungsverfahren für Stromleitungen dauern noch länger als die für Windräder oder Photovoltaik-Anlagen.“ Der Netzausbau sei „immens wichtig, wenn neue Windenergie-Kapazitäten an Land und auf dem Meer im Norden aufgebaut werden“, stellt Gustedt fest. 50Hertz verfügt über 10.000 Kilometer lange Stromautobahnen, über die 18 Millionen Menschen versorgt werden. „Wir haben in unserem Netzgebiet an vielen Tagen im Jahr hohe Überschüsse durch Erneuerbare Energien, die anderswo dringend benötigt werden, erklärt er.

Dabei war der vergangene Sonntag ein eher entspannter Tag für 50Hertz. „Bei uns im Netzgebiet sind solche Engpässe wie im Süden eher unwahrscheinlich, weil der Strom hier überall zu den Verbrauchern transportiert werden kann“, sagt der 50Hertz-Sprecher. Zwar habe es tatsächlich eine rekordverdächtige Menge an erzeugtem Strom gegeben, lediglich zwei Prozent konnten an diesem Tag aber nicht verteilt werden, so Gustedt. Das heißt konkret: Betreiber von Windrädern mussten ihre Anlagen zeitweise stilllegen, um eine Überlastung des Netzes zu vermeiden. Es lag im Nordosten zu viel Strom an, während im Süden eine Mangelsituation entstand.

80 Millionen Euro für Engpassmanagement

Wer die stabilisierenden Eingriffe der Netzbetreiber bezahlt, ist gesetzlich geregelt. Zu Kasse gebeten werden die Verbraucher, die über die Netzentgelte die Maßnahmen finanzieren. Es ist der Fluch der guten Tat: Wegen der Überproduktion bei Erneuerbaren Energie zahlen Kunden in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg mit ihrer Stromrechnung die deutschlandweit höchsten Netzgebühren. Allein 2021 seien bei 50Hertz fast 80 Millionen Euro für das sogenannte „Engpassmanagement“ fällig geworden. Weitere Kosten fallen bei Verteilnetzbetreibern wie Edis an, die über die Stromleitungen mit niedrigeren Spannungen verfügen.

Durch den voranschreitenden Netzausbau bei 50Hertz seien die Kosten für die Stabilisierung in den vergangenen Jahren leicht gesunken, sagt Gustedt. Eine Ausnahme deute sich für 2022 an: Zum einen, weil viel Wind vorhanden war. Zum anderen: Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine sei wegen der höheren Rohstoffkosten der Strom aus Reservekraftwerken deutlich teurer geworden.

Neue Strom-Trassen geplant

„Wir treiben den Netzausbau voran“, versichert er. Warum es aber nicht schneller geht, führt er am Beispiel der „Uckermark-Leitung“ vor. Der Ersatzneubau auf vorhandener Trasse ist eine Stromautobahn, die auf einer Länge von 115 Kilometern das Umspannwerk Neuenhagen bei Berlin mit dem in Bertikow bei Prenzlau und dem Umspannwerk in Vierraden bei Schwedt verbinden soll.

Nach 17 Jahren Planungs- und Genehmigungszeit habe das Bundesverwaltungsgericht eine Klage des Nabu Brandenburg abgewiesen und damit Anfang Juli den Weg für die Fertigstellung auch im umstrittenen Bereich der Schorfheide freigemacht. Weitere Projekte seien im Norden von Berlin und zwischen Bertikow und Pasewalk in Arbeit.