Heimatgeschichte
200 Jahre Demminer Luisentor – Erinnerung an eine fast vergessene Prinzessin
Demmin / Lesedauer: 4 min

Christine Gerhard
Seit das heutige Luisentor im 13. Jahrhundert erbaut wurde, sind viele Menschen hindurchgeschritten. Reisende und Heimkehrer, Bauern und Adlige, Händler und Soldaten. Eine hat besondere Spuren hinterlassen.
Vor 200 Jahren betrat die junge Prinzessin Luise Demmin wohl durch dieses Stadttor, das damals noch Kuhtor hieß, weil hier ein städtischer Kuhhirt seine Herde vor dem Austreiben sammelte. Mit ihrem kleinen Sohn war Luise auf der Durchreise zur Sommerkur nach Putbus und übernachtete in der Hansestadt, deren Rat daraufhin das Tor nach ihr benannte.
Von der Preußen-Königin in den Schatten gedrängt
Inzwischen ist die Prinzessin etwas in Vergessenheit geraten, ihre Spuren hat eine andere ausgetreten, die zumindest hierzulande weitaus bekannter ist: Königin Luise von Preußen. Die „Mutter der Luisen“, wie Stadthistoriker Karsten Behrens sie nennt, „die es sogar mit Napoleon aufnahm“. Der Schatten der „Luise-Mania“ fiel auch auf jene Luise, die einst in Demmin übernachtete und dort ihren Namen hinterließ.
Statt ihrer hielten viele so fälschlicherweise Königin Luise für die Namensgeberin des Stadttors. „Nach dem Prinzip ‚einer schreibt vom anderen ab‘ taucht immer wieder die Behauptung auf, dass das Luisentor seinen Namen der preußischen Königin Luise verdankt“, bemerkte auch der Demminer Chronist Heinz-Gerhard Quadt vor einigen Jahren.
Die „wahre“ Demminer Luise wurde zwar zur Benennung des neu gestalteten Luisenplatzes vor fünf Jahren ins Rampenlicht gerückt. Dennoch dürfte die Assoziation mit der preußischen Königin auch 200 Jahre nach dem Luisenbesuch besonders für Auswärtige näher liegen. Dabei war jene Königin Luise bei dem Aufenthalt ihrer Namensvetterin in Demmin bereits seit elf Jahren tot. Wer war also die Luise, die 1821 einem der wenigen bis heute verbliebenen Wahrzeichen der Hansestadt ihren Namen lieh?
Vielleicht beruhigt es, dass Prinzessin Wilhelmine Luise von Anhalt-Bernburg ihren Vornamen nach ihrer Hochzeit weitgehend ablegte. Sie wurde, wie damals am preußischen Hof üblich, fortan Prinzessin Friedrich genannt. Sie hatte Friedrich Wilhelm Ludwig von Preußen im Alter von 17 Jahren getroffen und sich „stehenden Fußes“, wie ihre Biografin Bettina Fügemann sagt, und zugleich „Hals über Kopf“ in ihn verliebt. Ihren Vater, den Fürsten Alexis von Anhalt-Bernburg, quälte sie, sofort heiraten zu dürfen, musste aber bis zu ihrem 18. Geburtstag warten. Ihre Entschlossenheit überstand die Geduldsprobe. Die Ehe war eine „Herzensangelegenheit“, wie Fügemann schreibt.
Mit ihrer Hochzeit trat Luise in den Verwandtenkreis ihrer berühmteren Namensvetterin, mit der sie nach Angaben der Autorin nicht nur in Demmin immer wieder verwechselt wird. Denn die Mutter ihres Ehemannes war Friederike, geborene Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz und die jüngere Schwester der Königin Luise.
Biografin zu Lesung eingeladen
Hinter dieser muss sich die Luise auf dem Umschlag von Bettina Fügemanns Büchlein aber nicht verstecken, findet die Biografin – nicht nur in Sachen Schönheit. „Sie war sehr intelligent und hat zum Beispiel für ihren Vater Korrespondenzen auf Französisch gemacht“, weiß sie.
Auch eine begabte Künstlerin soll Luise gewesen sein, wobei sie sich auf Motive aus ihrer Heimat verlegte. Dass sie auch das Luisentor einmal skizzierte, ist also eher unwahrscheinlich. Das letzte erhaltene Demminer Stadttor ist übrigens nicht das einzige Bauwerk, das Luises Namen trägt. Die Prinzessin, für ihre Frömmigkeit bekannt, übernahm das Protektorat über eine nach ihr benannte evangelische Mädchenschule in Düsseldorf. Einige Jahre später wurde es still um sie. Die letzten Jahrzehnte ihres Lebens verbrachte sie aufgrund eines von der Mutter geerbten „Nervenleidens“ zurückgezogen auf Schloss Eller bei Düsseldorf, wo sie 1882 verstarb.
Zum 200. Jubiläum der Umbenennung des Luisentors will der Heimatverein die Erinnerung an sie in Demmin wiedererwecken. So ist laut Behrens geplant, die Biografin, sofern es die Corona-Situation zulässt, für eine Lesung nach Demmin einzuladen.