Einwohnerversammlung

Alt Telliner zeigen bei Aussprache großen Redebedarf

Broock / Lesedauer: 6 min

Von Schloss bis Schweinezucht war der Strauß der Themen bei der ersten Alt Telliner Einwohnerversammlung seit Jahren ausgesprochen bunt. Einiges an Kritik inklusive.
Veröffentlicht:22.10.2021, 20:21
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  • Author ImageStefan Hoeft
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„Zu vielen Themen gibt es leider nichts Neues“, stellte Bürgermeister Frank Karstädt gleich mal zum Anfang der ersten Alt Telliner Einwohnerversammlung seit Jahren klar, die am Donnerstagabend mit Blick auf die Corona-Abstandsregeln mangels anderer geeigneter Räume im historischen Reitstall der Schlossanlage Broock über die Bühne ging. Und bei der oben im Podium neben dem Dorfoberhaupt fünf der sechs Abgeordneten Rede und Antwort standen. Insgesamt 25 Männer, Frauen und Kinder aus den sieben Ortsteilen nutzten trotz des draußen tobenden Sturmes diese Gelegenheit. Das hört sich auf den ersten Blick nicht besonders viel an, bedeutete hochgerechnet aber, dass ungefähr jeder Dreizehnte aus der Kommune im Saal war.

Die ersten Fragen drehten sich insbesondere um die Zukunft des Versammlungsortes und damit einhergehende Befürchtungen. Denn so einige aus der näheren Umgebung haben das jüngste Festival dort noch buchstäblich in den Ohren – im negativen Sinn. Auch die Gemeinde sei nicht einverstanden mit der Art und Weise, wie dieses Event stattgefunden habe, pflichtete der Bürgermeister bei, einschließlich mangelhafter Informationen im Vorfeld. Er machte aber gleichzeitig klar, dass Anlieger laut Landesgesetzgebung pro Jahr zwölf Tage mit übermäßiger Lärmbelästigung durch Veranstaltungen hinnehmen müssten. Das entspricht nach seiner Rechnung je nach Dauer vier bis fünf Wochenenden. „Das betrifft zum Beispiel auch die Festivals an der Kieskuhle.“ Im Prinzip blieben damit noch zwei ähnliche Freiluftveranstaltungen um das Schloss herum übrig. „Wir müssen Wege finden, wie wir das besser organisieren und wie wir die Akzeptanz erhöhen“, lautete Karstädts Fazit. Wobei Christian Schmidt als Projektleiter der Gastgeber da am Donnerstag volle Kooperationsbereitschaft signalisierte.

Schloss bietet Räume für Gemeinde-Veranstaltungen

Das Schloss rückte auch mit Blick auf den diese Woche im Internet veröffentlichten Image-Film für den Amtsbereich Jarmen-Tutow noch einmal ins Blickfeld: Während seine Amtskollegen allesamt öffentliche Initiativen und Projekte als Aushängeschild präsentierten, habe Frank Karstädt nichts in dieser Art getan und stattdessen die Sanierung der ehemaligen Gutsanlage in den Mittelpunkt gestellt und als eigenes Vorhaben verkauft, sich sozusagen mit fremden Federn geschmückt, warf Leo Krauß vom proVie-Theater in Hohenbüssow ihm vor. Der Gescholtene wies dies zurück und auf das entsprechende Drehkonzept der Filmemacher hin. Überdies habe er ganz klar in seinem Beitrag die Idylle des Tollensetals vornean gestellt. Christian Schmidt wiederum begrüßte ausdrücklich das vom Bürgermeister in Bezug zum Schloss mehrmals verwendete „Wir“. „Das ist genau das, was wir wollen, dass dieses Projekt in der Gemeinde als Wir angesehen wird.“

In dieser Richtung wollen er und das Dorfoberhaupt auch die Idee verstanden wissen, dass die Kommune künftig für ihre Veranstaltungen immer ein räumliches Zuhause im Schloss-Ensemble findet. Und sich damit den Neubau einer Art Bürgerhaus sparen kann, wie er von einigen schon länger vorgeschlagen und gefordert ist. „Wir sind im Ausschuss mehrheitlich zu der Auffassung gekommen, dass wir dieses Projekt vorerst nicht vorantreiben“, informierte Jens Jager als Vorsitzender des Ausschusses für Gemeindeentwicklung, Bau und Verkehr. Zum einen wegen der finanziellen Herausforderungen, zum anderen wegen fehlender geeigneter Grundstücke. Das derzeit für solche Zwecke einschließlich Jugendklub und für die Feuerwehr genutzte Gebäude im Zentrum von Alt Tellin indes gehört zur Hälfte der Kirche, wobei dieses Eigentum nicht auf bestimmte Räume festgelegt ist.

Zu wenig Geld und Einsatz für die Baumpflege

Bürgermeister Karstädt räumte ein, dass der bauliche Zustand dieser Immobilie momentan nicht akzeptabel ist. „Aber da werden gerade Kostenvoranschläge eingeholt, das ist am Laufen.“ Auch eine Teeküche sollte möglich sein. Mit Bezug auf den Kruckow-Schmarsower Wehrführer Ricardo Kobernuhs und seine Kameraden übermittelte er, dass die gar nicht unbedingt ein neues Gerätehaus wollen, zumal es optimal gelegen sei.

Als weniger optimal wird die Lage bei den Gehölzen beziehungsweise entsprechenden Neupflanzungen eingeschätzt. Jochen Löber aus Neu Tellin etwa bemängelte, dass nach wie vor ein Baumkataster fehle, andere Diskussionsteilnehmer den ausbleibenden Ersatz für lange abgestorbene Exemplare sowie die schlechte Pflege vorhandener Gehölze. Dabei stehen für diesen Posten eigentlich jedes Jahr 15.000 Euro im kommunalen Etat bereit. „Die gehen leider zum großen Teil schon für Baumpflegemaßnahmen drauf“, erklärte Frank Karstädt. Sie reichten aber längst nicht, um sämtliche Straßenzüge innerhalb von zwölf Monaten abzuarbeiten. Bei jeder Pflanzung sollte daher auch an die Folgekosten gedacht werden, so seine Mahnung. Überdies zeichne nicht für jedes dieser Probleme die Gemeinde verantwortlich, zwischen Alt Tellin und Siedenbüssow beispielsweise obliege dies dem Landkreis.

Große Einigkeit beim Thema Windkraft

Die Abgeordnete Susanne Wiest berichtete, dass selbst für die inzwischen abgebrannte Schweinezuchtanlage noch gar nicht sämtliche Ausgleichsverpflichtungen erledigt seien. Und bemängelte, dass grüne Kompensationsmaßnahmen an wenig für die Bürger attraktiven Stellen stattfänden, statt sie im Gemeindegebiet gut sichtbar zu verteilen. Sie hält es für bedenklich, dass neue Bäume spät und langsam kämen, dafür dann aber häufig schnell wieder eingingen. „Das liegt nicht nur an unserer Gemeinde, aber das läuft nicht rund“, so ihre Feststellung. Verbunden mit dem Vorschlag diese Posten im Haushalt künftig aufzustocken.

Keinesfalls aufgestockt sehen wollen Kommune und Einwohner die Zahl der Windkraftanlagen am Tollensetal. Sie unterstützen deshalb die Bürgerinitiative „Es reicht!“. „Nicht weil wir gegen Windkraft sind, sondern weil man das Gefühl hat, das Demminer Land wird überfrachtet“, erläuterte Susanne Wiest. Sie setzt bei diesem Widerstand auch darauf, dass der hiesige Flächennutzungsplan bisher keine Berücksichtigung bei den neuen Abwägungen durch den Planungsverband Vorpommern zu zusätzlichen Windparks gefunden habe. „Wir als Gemeinde haben uns schon 1993 gegen Windräder positioniert und so etwas bewusst nicht in den F-Plan aufgenommen“, ergänzte Frank Karstädt. „Aber wenn ich die Interviews mit der neuen Regierung höre, dann wird mir angst und bange.“

Sorge um zu viel Streit im Gemeindeparlament

Wenig bis gar nichts Neues könne er zur Schweinezuchtanlage berichten, obwohl er die Woche extra mit dem Pressesprecher der Betreiber-Holdig LFD telefoniert habe. Die wollten sich vor dem Abschluss der Brandursachenermittelung nicht zum Feuer oder einem möglichen Wiederaufbau äußern. Wobei ja der Beschluss der Gemeindevertretung existiert, dem Unternehmen die Betriebserlaubnis zu entziehen, was am Donnerstagabend im historischen Reitstall lobende Worte fand.

Dass solche Einigkeit innerhalb der Abgeordneten-Runde in der Vergangenheit mitunter recht selten war und sich kräftig beharkt wurde, veranlasste Einwohner nun zu entsprechenden Nachfragen ans Podium. Schließlich herrscht anscheinend die Befürchtung, dass die Lage beim Miteinander so verfahren ist, dass es den Blick auf bestmögliche Entscheidungen verstellen und damit die Entwicklung des Dorfes gefährden könnte. „Von meiner Seite gibt es keine Vorbehalte, auch wenn es nach der Wahl und im Wahlkampf einige Kontroversen gab“, antwortete Frank Karstädt. Sie habe da bisher nichts Negatives erlebt, bestätigte Alina Wander, die erst jüngst als Nachrückerin vom „Bürgerbündnis Landleben-Tollensetal“ in das Lokalparlament einzog. Natürlich gebe es verschiedene Meinungen. Aber eben auch den Willen, gemeinsam etwas für die ganze Gemeinde zu bewegen.